Mehr als ein Verkehrsflughafen - Ganz weit vorne als Forschungsstandort

Wir betreten das denkmalgeschützte Flughafengebäude durch einen unscheinbaren Seiteneingang, der offizielle Zugang zur Verwaltung. Oben angekommen, eröffnet sich ein heller freundlich gestalteter Flur, an dessen Wänden Bilder aus dem Alltag am Flughafen hängen. Michael Schwarz, seit fünf Jahren Geschäftsführer der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH, begrüßt uns gemeinsam mit der Verantwortlichen für die Unternehmenskommunikation, Lea Sonnenberg.
Als Verkehrsflughafen verfügt der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg über die gleiche Klassifizierung wie z. B. Frankfurt, München oder Düsseldorf. Heißt auch, dass die gleichen hohen Sicherheitsstandards realisiert werden müssen und es entsprechend hohe behördliche Anforderungen gibt, die gestellt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der komplette Flugbetrieb bis zur Größe eines Airbus A 321 mit 210 Passagieren betrieben werden darf. So kann der Flughafen eine große Bandbreite anbieten: von Fallschirmspringen über Segelflug bis hin zur allgemeinen Luftfahrt und natürlich Forschungs- und Businessflügen. Wobei es für den Segelflug einen eigenen Bereich gibt. Bis zu 30 000 Flugbewegungen verzeichnet der Flughafen pro Jahr, schwerpunktmäßig ist das auf die allgemeine Luftfahrt mit Segelflug, Flugschulen und -clubs sowie Privatpersonen und Mittelständler mit eigenen Flugzeugen zurückzuführen. Hinzu kommt seit einigen Jahren der Charterflugbetrieb der momento GmbH, ein Tochterunternehmen der Reisebüro Schmidt GmbH. Als Folge der zunehmenden Waldbrände waren bis Mitte Oktober außerdem zwei Löschflugzeuge des Landes Niedersachsen am Flughafen stationiert.
Mit 70 bis 80 Prozent der Flugbewegungen nehmen die klassischen einmotorigen Flugzeuge den größten Raum ein, der aber nur circa zehn Prozent des Umsatzes ausmacht. Die anderen 20 bis 30 Prozent wirken sich wiederum mit 90 Prozent auf den Umsatz aus. Neben den Städten Braunschweig, als Mehrheitsgesellschafterin, und Wolfsburg sind die Landkreise Helmstedt und Gifhorn mit je zwei Prozent Gesellschafter, der Flughafen selbst hält rund 35 Prozent der Anteile.
„Wir haben ein Unternehmensleitbild entwickelt, um uns noch klarer zu positionieren.“
Lea Sonnenberg

Attraktiver Arbeitgeber

Insgesamt hat die Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH 60 Mitarbeitende, von denen 50 Prozent bei der Flughafenfeuerwehr und im technischen Dienst, zu dem die Gebäude- und Fahrzeuginstandhaltung sowie Grünflächenpflege gehören, tätig sind. Die anderen 50 Prozent teilen sich auf in Verkehrsleitung, verantwortlich für den Flugverkehr und die Betriebsfähigkeit der Flugbetriebsanlagen, sowie die klassisch administrative Verwaltung. „Viele unserer Mitarbeitenden sind bereits seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen und wir profitieren von ihrem Firmenwissen“, resümiert Schwarz die Personalsituation. In der Regel scheiden die meisten Mitarbeitenden altersbedingt aus. Durch die erfolgreiche Arbeit im Bereich der Unternehmenskommunikation tritt die Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH als sehr interessanter Arbeitgeber auf, was sich positiv auf die Rekrutierungsprozesse auswirkt.
Mit guten Kampagnen in den sozialen Medien zur Gewinnung von technischen Fachkräften ist es dem Flughafen immer wieder gelungen, ein hohes Interesse bei potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern zu wecken. Darüber hinaus entwickelt die Unternehmenskommunikation regelmäßig vielschichtige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung. So z. B. die Mitarbeiterzeitschrift BWE intern, verschiedene Events oder die BWE-Runde („BWE“ steht für das offizielle Flughafenkürzel von Braunschweig-Wolfsburg). „Wir haben mit Mitarbeitenden aus den einzelnen Abteilungen ein Unternehmensleitbild entwickelt, um uns noch klarer zu positionieren“, so Lea Sonnenberg. Hinzu kommen zusätzliche Leistungen, wie z. B. Jobtickets, Unterstützung bei sportlicher Betätigung, Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation mit den Mitarbeitenden oder Gesundheitstage, die den Mitarbeitenden angeboten werden, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Die Schaffung innovativer Räumlichkeiten ist eine weitere spannende Aufgabe mit vielen Herausforderungen, bedingt durch ein denkmalgeschütztes Gebäude. In Teilen konnte das mit neu gestalteten Pausen- und Besprechungsräumen sowie Flur- und Treppenhausbereichen schon umgesetzt werden. Besondere Highlights sind die beiden für den technischen Dienst entstandenen Gebäude mit modernsten Arbeitsplätzen, eine neue Kfz-Halle mit fortschrittlicher technischer Ausstattung sowie ein Neubau für die Flughafenfeuerwehr.

Intensive Standortentwicklung führt zu einer hohen Anrainerdichte

In der Frühphase des 1936 mit einer Start- und Landebahn gegründeten Verkehrsflughafens, damals nur mit Linienverkehr, entwickelte sich um den Flughafen im Laufe der Jahre eine hohe Ansiedlungsdichte von Behörden, Instituten im Bereich der Luftfahrt und Mobilität, aber auch verschiedener Unternehmen. „In Europa findet man kaum etwas Vergleichbares“, bewertet Michael Schwarz die Situation des Flughafens und der umliegenden Anrainer. Allein im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind 1100 Mitarbeitende beschäftigt, im Luftfahrtbundesamt sind es auch rund 1000 Mitarbeitende. Hinzu kommt die TU Braunschweig mit dem Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) sowie dem Niedersächsischen Forschungszentrum für Luftfahrt (NFL). Aber auch Unternehmen wie z. B. Aerodata, die weltweit führend in der Entwicklung und Ausstattung von Messflugzeugen zur Kalibrierung von Flug­häfen sind, oder die Flotte der FCS Flight Calibration Services GmbH, die alle Flughäfen in Deutschland, der Schweiz und Österreich vermisst, haben hier ihren Sitz. Insgesamt sind mehr als 3700 Mitarbeitende rund um den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg tätig. „Das Thema Forschungsschwerpunkt ist etwas, worauf wir natürlich sehr stolz sind“, resümiert Schwarz. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Braunschweig wird die Standortentwicklung, auch zum Mobilitätsstandort, kontinuierlich vorangetrieben. So konnten mit dem Steinbeis Wasserstoff-Kompetenzzentrum und dem Fraunhofer-Zentrum für Energiespeicher und Systeme (ZESS) weitere attraktive Forschungsstätten angesiedelt werden, die die Region weiter stärken werden. Für die Flughafen Braunschweig-Wolfsburg GmbH ist es enorm wichtig, neben den flugbezogenen Leistungen auch Umsatz aus nicht flugbezogenen Leistungen zu generieren. Sprich Flächen aus dem Bestand in Wert zu setzen, um weitere Ansiedlungen, die aus den Bereichen Mobilität, Forschung, Verkehrswesen kommen können, zu gewinnen. Diese Projektentwicklungsaufgaben sind in der jetzigen Zeit sehr anspruchsvoll und werden in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Braunschweig angegangen, um möglichst erfolgreich zu sein.
„Wir sind weit mehr als nur ein Verkehrsflughafen, wir sind auch ein Forschungsflughafen“, erklärt Schwarz. Die vorhandene Technik und Ausstattung des Flughafens ermöglicht es, z. B. Testflüge oder Vermessungen störungsfrei durchzuführen oder auch Flugzeuge zu kalibrieren. Die damit einhergehende extrem hohe Ansiedlungsdichte von Wissenschaftlern ist deutschlandweit sicherlich einzigartig – aber auch in der Bedeutung für die Region, gerade auch in Bezug auf die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze. Aufgrund des breiten Leistungsangebotes für die Forschung kann der Flughafen zudem weitere attraktive Flugprodukte vertreiben. Schwarz ist überzeugt, dass mit diesen Rahmenbedingungen das Wachstum noch weiter voranschreiten wird. Durch die neuen Ansiedlungen bietet sich für die Flughafengesellschaft auch die Möglichkeit, innovative Technologien mit zu entwickeln und zu testen. Bei all dem sind Klimaschutz und Nachhaltigkeit wichtige Themen, zu denen der Standort einen großen Beitrag leisten wird, bekräftigt Schwarz. So werden lärmarmes und spritsparendes Fliegen in den Besprechungen zum Saisonauftakt und -abschluss immer wieder diskutiert. Zusätzlich optimiert das Unternehmen die Platzrunden, um als Standort nachhaltiger zu werden.
„Das Thema Forschungsschwerpunkt ist etwas, worauf wir natürlich sehr stolz sind.“
Michael Schwarz

Ein Highlight: das Remote-Tower-Kontrollzentrum

Lässt man mal den Blick auf das Dach des Flughafengebäudes schweifen, fällt dort nicht nur die Glaskabine der Fluglotsen ins Auge. Auf dem Dach der Glaskuppel findet sich ein Dutzend Video- und Infrarotkameras. Es ist ein echtes Highlight des Flughafens – die Remote-Tower-Kontrollzentrale. Die DFS Aviation Services (DAS) wird zukünftig die Flugsicherungsdienste an den Flugplätzen Braunschweig-Wolfsburg und Emden mithilfe dieser Remote-Tower-Kontrollzentrale und der Remote Tower Control (RTC) Center erbringen. Dank ihr können die Fluglotsen mit Hilfe der hochauflösenden Kameras den Verkehr in der Luft und am Boden, statt aus dem Tower am Flugplatz, aus der Ferne überwachen. Die komplexe Kameratechnik liefert dauerhaft ein 360-Grad-Bild der zu überwachenden Flugplätze und wird auf einer Monitorreihe am Arbeitsplatz dargestellt. So erhalten die Lotsen einen Panoramablick auf den Flugplatz. Ab Juli 2024 werden die Flugsicherungsdienste für die Flughäfen Braunschweig-Wolfsburg und Emden dann aus dem RTC-Center am Standort Braunschweig erbracht. „Wir gehen mit der Errichtung eines RTC-Centers in Norddeutschland einen großen Schritt in Richtung Zukunft“, sagt Michael Schwarz.
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7/2023