Geschäftsführerwechsel bei der Stadtentwässerung Braunschweig

Die Stadtentwässerung Braunschweig GmbH (SE|BS) ist eine 100-prozentige Tochter der BS|ENERGY. Die Geschäftsfelder finden sich im Kanal-, Klärwerks- und Rieselfeldbetrieb sowie im Gewässerdienst. Eine der Hauptaufgaben ist die Erhaltung der Sauberkeit der Gewässer. „Wir sind dafür verantwortlich, dass sich die Gewässer und das Umfeld in einer lebenswerten städtischen Umgebung befinden“, resümiert Andreas Hartmann zusammenfassend diese Aufgabe des Unternehmens. Vertraglich ist das als Funktions- und Werteerhalt der Abwasserinfrastruktur formuliert.

Hohe Mitarbeiterbindung als großer Vorteil

„Die Menschen arbeiten hier sehr gern, nicht ganz typisch für das Berufsfeld“, stellt Judith Kraft bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der SE|BS fest. Das lässt auf eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen aber auch eine hohe Personalbindung schließen. „Die Aufgabe ist unverzichtbar, kann nicht mal eben wegrationalisiert werden, ist ortsgebunden und kann nicht verlegt werden. Ein hohes Gut für die Mitarbeitenden“, ergänzt Andreas Hartmann. Viele der ca. 240 Mitarbeitenden stammen aus der Region, ebenfalls ein Vorteil für das Unternehmen. Zu den Mitarbeitenden gehören 16 Auszubildende, pro Jahr werden sechs bis acht Auszubildende in den Bereichen Elektronik, Mechatronik, Abwassertechnik sowie Rohrkanal- und Industrieservice ausgebildet. Hinzu kommt das Angebot des dualen Studiums mit Fachrichtung Bauingenieur­wesen oder Umwelttechnik. In diesem Kontext ist die Gewinnung neuer Fachkräfte eine anspruchsvolle Herausforderung. „Wir müssen die Attraktivität unserer Berufe kommunizieren, um so Fachkräfte zu bekommen“, skizziert Judith Kraft die zukünftige Schwerpunktaufgabe.
Eines meiner persönlichen Schwerpunktthemen ist der Umbau der Stadt zur Schwammstadt.

Judith Kraft

Judith Kraft, gebürtig aus Berlin, hat Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Kommunal- und Umwelttechnik studiert und ist seit fast 30 Jahren als Ingenieurin tätig. Schon im Rahmen ihrer Diplomarbeit hat sie eigene Proben entnommen und ausgewertet, ist also schon praktisch eng am Thema gewesen. Zunächst war sie in einem Ingenieurbüro für Siedlungswasserwirtschaft, das weltweit Projekte insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern betreut hat, tätig. In Deutschland hat sie sich mit Schwammstadt- und Wasserbewirtschaftungsprojekten beschäftigt. 2015 folgte der Wechsel zum Planungsbüro Arcadis Germany, auch hier mit dem Schwerpunkt Siedlungswasserwirtschaft, der von Kraft geführt wurde. Forschungsprojekte in Entwicklungsländern mit dem Schwerpunkt Trinkwasser waren auch dort Teil ihrer Aufgabe. Und jetzt folgte in 2023 der Wechsel nach Braunschweig als Geschäftsführerin der SE|BS.

Auch Oker und Schunter fallen in die Zuständigkeit der SE|BS

Auch die Oker, die Schunter oder die Mittelriede gehören zu den Gewässern im Aufgabenbereich der SE|BS, eben nicht nur Abwasserkanäle wie man fälschlich vermuten könnte. Gewässerunterhaltung bzw. die Überwachung der Einleitung ist ein wichtiger Teil des Aufgabengebietes. Das heißt sicherzustellen, dass das Oberflächen- bzw. Niederschlagswasser so gereinigt abläuft, dass es die Umwelt nicht schädigt. „Das ist das Hauptziel unseres Verantwortungsbereiches“, so Judith Kraft. An der Definition der Aufgaben der GmbH war Andreas Hartmann übrigens seinerzeit beteiligt. Sein Credo damals: „Es kann nicht sein, dass die Aufgabe an dem Rohr endet, mit dem das Wasser ins Gewässer eingeleitet wird. Es muss eine Gesamtaufgabe sein.“ So gibt es seitens der Stadtentwässerung eine Verantwortung für die Oberflächengewässer, die in der Stadt fließen, bezüglich der Gewässergüte. Verbunden ist dies mit der Verpflichtung, jährlich finanzielle Mittel für Renaturierung zur Verfügung zu stellen, was in Abstimmung mit der Umweltbehörde der Stadt geschieht. Ein solches Projekt ist z. B. die Schunterrenaturierung, die durch die SE|BS unterstützend finanziert wurde.
Es kann nicht sein, dass die Aufgabe an dem Rohr endet, mit dem das Wasser ins Gewässer eingeleitet wird.

Andreas Hartmann

Schon während seiner Zeit bei der Bundeswehr reifte bei Andreas Hartmann die Entscheidung, „irgendwas mit Wasser“ zu machen. Er entschied sich für Bauingenieurwesen mit Vertiefung Wasserbau, konstruktiver Ingenieurbau. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem bei der Stadtentwässerung München, wechselte er dann 1989 als Planungsleiter zur Stadtentwässerung Braunschweig, die damals noch zur Stadt Braunschweig gehörte. 1996 wurde Hartmann Amtsleiter, danach war er im Rahmen der Umstrukturierung als Fachbereichsleiter Stadtentwässerung, Abfallwirtschaft tätig. Mit der Privatisierung und Gründung der SE|BS Anfang 2006 wurde Andreas Hartmann einer von zwei Geschäftsführern. Bis zum Ende des Jahres arbeitet er nun seine Nachfolgerin Judith Kraft ein.

Die Stadt als Schwammstadt

„Eines meiner persönlichen Schwerpunktthemen ist der Umbau der Stadt zur Schwammstadt. Das bedeutet, möglichst viel Regenwasser in der Stadt zu behalten und zu versickern, um das Grundwasser langfristig anzureichern“, umschreibt Judith Kraft eines ihrer Ziele bei der SE|BS. Dahinter verbirgt sich ein großes Portfolio an Maßnahmen, die besonders in Neubaugebieten gut zu realisieren sind. Das sind aber nicht nur blau-grüne Dächer, sondern auch Versickerungsanlagen, Regenrückhalteräume unter anderem in multifunktionalen Flächen oder bepflanzte Bodenfilter, um das Wasser nicht abzuleiten. Eine der Aufgaben der Zukunft sind die zunehmenden Starkregenereignisse, deren Folgen man mit den heute zur Verfügung stehenden Systemen nur abmildern kann, da es viel zu kostenintensiv wäre, die Systeme auf die damit verbundenen Anforderungen auslegen zu wollen. Klima­gerechte Stadtentwicklung heißt die große Herausforderung. Ein weiteres Ziel von Judith Kraft, das zwar noch nicht zu den originären Aufgaben der SE|BS gehört, ist die Einbindung der Stadt Braunschweig in das Projekt der TU Braunschweig „Stadt der Zukunft“. Für dieses Thema möchte Kraft verschiedene Akteure aus der Stadt an einen Tisch bringen, um das Konzept weiterzuentwickeln und gemeinsam zu denken. Andreas Hartmann betreibt die Zusammenarbeit mit der TU auf anderer Ebene schon länger, er hält am Institut für Siedlungswasserwirtschaft einen Lehrauftrag als Honorarprofessor. Wahrgenommen wird dies inzwischen größtenteils durch einen Kollegen.

Auch hoheitliche Aufgaben gehören zum Portfolio

Besonders komplex ist die Übernahme hoheitlicher Aufgaben für die Stadt Braunschweig, die sich der Fachkompetenz der SE|BS bedient, um auf Grundlage von technischen Prüfungen rechtsmittel­fähige Bescheide im Bereich Abwasser erstellen zu können. Hier müssen rechtlich einwandfreie Dokumente durch die SE|BS erarbeitet werden. Ein Konstrukt, das durch die Privatisierung des Unternehmens entstanden ist.
Um hier Konflikte innerhalb des Unternehmens zu vermeiden, gibt es eine scharfe Trennung zwischen Ordnungsbehörde und Dienstleistung. Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Zusammenarbeit mit dem Abwasserverband als Eigentümer des Klärwerkes, in der die SE|BS im Auftrag der Stadt Braunschweig als technischer Betriebsführer fungiert. „Alleinstellungsmerkmal für Braunschweig ist die Wasserwiederverwertung in der Landwirtschaft, was in Braunschweig schon seit über 100 Jahren passiert“, stellt Hartmann in diesem Kontext fest.
Vergleicht man den Wert der Kanalisation mit dem der Kläranlage, ist das ungefähr das Zehnfache, und das obwohl die Kanalisation schon 100 Jahre alt ist. Deshalb sind auch extrem hohe Investitionen notwendig, um diese zu erhalten und zu erneuern. Das Budget für diese Maßnahmen, was seitens der Stadt zur Verfügung gestellt wird, wächst mit dem Baupreisindex und liegt aktuell bei 30 Millionen Euro.
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8/2023