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Ein Mann, der Verbindungen schafft
Ohne sie geht gar nichts im Betrieb. Sie kennt keinen Feierabend, ist 24/7 erreichbar. Echtes Arbeitstier. Meistens merkt man erst, was man an ihr hat, wenn sie sich doch mal mit einer Störung abmeldet. Denn ohne sie läuft in der Regel nichts – die Telefonanlage. Einer der sich wie kein Zweiter in der Region mit Telefonanlagen auskennt ist Anton Niesporek (61). Vor 20 Jahren gründete er die Fenicom GmbH für Kommunikation und Netzwerke gemeinsam mit Hans-Georg Felderhoff. Mittlerweile gibt es Außenstellen in Hannover und Halberstadt.
Die Firma ist im Braunschweiger Gewerbegebiet am Hafen ansässig. Wir sind ein bisschen zu früh dran, der Chef telefoniert noch. Wer zu Hause oder auch im Büro mit einem 08/15-Telefon gut über die Runden kommt, kann sich von der freundlichen Mitarbeiterin schon mal ihre telekommunikative Schaltzentrale verklickern lassen. Die hat nun zwar nicht die Ausmaße von Captain Kirks Schaltzentrale im Raumschiff Enterprise, aber übertrifft diese vom Datenvolumen her gewiss um ein Vielfaches. Da klingelt es nicht einfach nur, sondern Zusatzinformationen zur angezeigten Telefonnummer ploppen praktischerweise gleich auf dem Computerbildschirm auf. Das erleichtert die Arbeit und verschlankt zeitlich die Abläufe eines Kundengesprächs.
Die Firma Fenicom hat 18 Mitarbeiter
„Der Chef telefoniert immer noch“, erkennt die Mitarbeiterin mit einem Blick. 18 Mitarbeiter hat Fenicom, da lädt der Chef im Sommer schon mal zum Grillfest in den heimischen Garten ein. Der sei im Übrigen ein Traum, verrät uns die Angestellte noch. „Oh, jetzt ist er frei.“ Spricht‘s und bringt mich in die erste Etage. Der Chef hat das Headset noch auf dem Kopf, was irgendwie gut zur Einstiegsfrage passt: Macht eine gute Telefonanlage schon ein gutes Gespräch aus? Anton Niesporek lacht freundlich. Das nun vielleicht nicht, denn den Content müssen die Gesprächspartner am jeweiligen Ende der Leitung ja nun mal selbst liefern. Aber ein ausgefeiltes Kommunikationssystem, was so ein Telefon heutzutage ist, kann betriebliche Gespräche erleichtern, weil die Telefonanlage beispielsweise zum angezeigten Kunden gleich etliche Informationen mitliefert. Dass sämtliche Anlagen von exzellenter akustischer Qualität sind, verstehe sich ohnehin von selbst.
350 Mark Prämie für die Note 1 in der Firmenabschlussprüfung
Anton Niesporek kam 1970 als Neunjähriger mit seinen Eltern nach Braunschweig. Spätaussiedler aus Opeln, einer Kleinstadt nahe Breslau in Polen. „Da saß ich dann in der dritten Klasse. Konnte kein Wort Deutsch. Und habe erst mal nur zugehört“, sagt Niesporek in akzentfreiem Hochdeutsch. Zwei Stunden Förderunterricht in Deutsch gab es damals, und „so habe ich peu à peu die Sprache gelernt“. Er fand schnell Freunde, gehörte rasch dazu. Ausgrenzung? „Nee, nie erlebt.“
Der Mann hat Humor und setzt zu Werbezwecken schon mal das gute, alte Dosentelefon ein.
© Claudia Taylor
Als ihm in der zehnten Klasse auf dem Martino Katharineum ein Lehrer riet, das Gymnasium mit der mittleren Reife zu verlassen, machte er das. „Der Mann hatte Recht“, sagt der Geschäftsmann schmunzelnd. Fünf Bewerbungsschreiben später hatte er einen Ausbildungsvertrag zum Industriekaufmann bei Siemens in der Tasche, die Firmenabschlussprüfung bestand er mit der Note 1. Das brachte ihm eine Leistungsprämie von 350 Mark monatlich ein, „für einen jungen Menschen war das was“. Er ging dann bald in den Außendienst, Vertrieb war und ist immer sein Ding gewesen. Und seine Meinung zu sagen und diese auch zu vertreten, das sei auch schon immer sein Wesen gewesen. Diese Meinungsfreudigkeit stieß im Betrieb wohl nicht überall auf erfreute Ohren – wie auch immer, 2001 stieg Niesporek bei Siemens aus.
Siemens überließ den Gründern die kleinen Kunden
Die Abfindung war stattlich, so dass er sich am 17. Mai 2002 mit seinem Kompagnon selbstständig machte. Mit dem Vertrieb von Telefonanlagen. Wie vormals schon als Angestellter bei Siemens. Moment mal, war ihm das nicht vielleicht untersagt? In der Politik muss man doch immer erst ins Abkühlbecken. Gibt es da in der Industrie nicht auch Sperrfristen, wenn man weiterhin im selben Branchensegment unterwegs ist? „Dass man mich bei Siemens nicht mehr haben wollte, war die eine Sache – eher eine persönliche Ebene. Aber Siemens hat uns bei der Geschäftsgründung insofern unterstützt, als da sie uns alle kleinen Kunden mit bis zu 10 Telefonanschlüssen überlassen haben.“ So ging es los, danach wuchs die Firma stetig, mittlerweile gehören Streiff & Helmhold, Wolters und alle Niederlassungen in der Region Braunschweig des Paritätischen zu den Kunden.
Anton Niesporek trägt zum blauen Anzug keine Krawatte. Dafür aber rote Socken. Was nicht nur kleidsam ist, sondern auch ein ganz klein wenig charmant extravagant. Doch bevor man sich von farblich variierendem Strumpfzeug in die Irre führen lässt: Der Mann ist ansonsten völlig auf dem Teppich geblieben. Die Büromöbel hat er seinerzeit kurz vor Gründung für sehr kleines Geld in Hamburg bei Siemens gekauft. Und die sind heute noch okay in den funktionalen Büroräumen.
Sektfrühstück, als er zum ersten Mal eine Million Umsatz verbuchte
Der Familienvater mit mittlerweile zwei Enkelkindern bezeichnet sich selbst als optimistisch und zuversichtlich. Und doch hatte er ein wenig Fracksausen, als er vor Jahren die erste Mitarbeiterin einstellte. „Da gehen einem dann schon mal Gedanken durch den Kopf wie: Kannst du die auch bezahlen am Ende des Monats? Wird es weiter gut laufen?“ Es lief, er hat mittlerweile 18 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste, 3600 Kunden in der Kartei. Die Umsatzmarke eine Million knackte Fenicom 2010, „da gab es Sekt und ein gutes Frühstück“. 2021 belief sich der Umsatz auf knapp drei Millionen Euro.
Braunschweig ist ein Dorf mit Straßenbahn.
Die Kunden kommen aus allen Branchen. Handwerksbetriebe, Arztpraxen, Brauereien, mittelständische Unternehmen. Niesporek ist gewissermaßen der Verbindungsmann für jedermann – nur größere, international agierende Kunden hat er nicht im Portfolio. „Wissen Sie, dann könnte ich vielleicht nur noch diesen einen oder allenfalls noch einen anderen Großkunden betreuen. Und wäre an deren Gängelband.“ Er aber liebe den Mittelstand, die regionale Verwurzlung, die kurzen Wege, die Überschaubarkeit. „Ich sage immer: Braunschweig ist ein Dorf mit Straßenbahn. Und genau das schätze ich an der Region. Die Herzlichkeit, die Hilfsbereitschaft. Aber: man muss sich auch ordentlich benehmen.“
Telefonanlagen gibt es zum Preis von bis zu 40 000 Euro
Telefonanlagen gibt es ab 2000 Euro, mit einem Mehrkomponentensystem kann man auch schon mal auf 40 000 Euro kommen. Da kommt es eben ganz auf die Beratung an. Und das ist immer noch Niesporeks Ding. Neue Menschen kennenlernen, gut zuhören, ihre Bedürfnisse erkennen und sie dann letztlich für sich beziehungsweise das Produkt zu gewinnen – das macht ihm Freude wie eh und je. „Ich glaube, das schafft auch Vertrauen, wenn man selbst überzeugt ist vom Produkt und das ausstrahlt.“ So überlegt er, welches Gerät dem Tischlermeister gerecht wird und welche Kriterien eine Anlage in einer Laborpraxis erfüllen muss. Was heute noch ist wie früher: Hat man ein mobiles Endgerät verlegt, hilft nichts anders als: suchen. Oder anrufen und lauschen, wo es wohl klingelt.
Endgeräte werden langfristig den Headsets weichen
Blick in den Technikraum der Firma Fenicom.
© Claudia Taylor
Wo wir gerade beim Thema früher und heute sind, wagen wir einen Blick in die Zukunft: Hat dem Telefon irgendwann das letzte Stündchen geschlagen? Telefonanlagen werden sicherlich sukzessive sogenannten Cloud-Lösungen weichen, ebenso wie Endgeräte zugunsten von Headsets von der Bildfläche verschwinden werden. Gesichert ist allerdings, dass jetzt installierte Systeme noch bis 2030 mit Ersatzteilen versorgt werden können.
Was ihm derzeit eher Sorgen bereiten würde, wenn er nicht zum Optimismus tendieren würde, ist der leergefegte Fachkräftemarkt. Da sei es fast unmöglich, einen Techniker zu bekommen, im kaufmännischen Bereich sei es ebenfalls schwierig. „Ich hatte neulich eine Bewerberin, die wollte das Vorstellungsgespräch telefonisch machen.“ Und obwohl das ja sein Metier ist, musste er ablehnen: „Nein, ich muss einen Menschen schon mal leibhaftig sehen, bevor ich ihn einstelle.“
Corona hat manches verändert, vieles nicht zum Besseren. Und auch bei Fenicom ging der Verkauf natürlich zurück. Aber: Man hat entrümpelt. Alle Akten wurden digitalisiert und kamen in den Schredder, mehr als zehn Kubikmeter. Im Dokumentenmanagement hat sich Fenicom so dem Standard seiner fortschrittlichen Telefonanlagen angepasst. Zudem schickte er seine Leute dorthin, „wo Baukräne“ zu sehen waren. Akquise mit Bauhelm gewissermaßen. Einige Aufträge zog er so an Land.
Mehrfach Deutscher Meister im Karate
Niesporek entspannt bei der Gartenarbeit, das schmucke Grundstück hat er weitgehend selbst angelegt. Wir nehmen einen Tipp für eine hervorragende Heckenschere, japanisches Fabrikat, mit. Aber Achtung! Sie ist so scharf, da ist schon mal ein bisschen Haut ab, wenn man nur ein wenig Dreck mit der Fingerkuppe abziehen will. Die Mitarbeiterin, die von dem Traum von einem Blütenmeer in seinem Garten schwärmte, hat nicht übertrieben, wenn man die Fotos auf dem Handydisplay betrachtet. Auf dem satten kurzen Grün wird auch an der Präzision im Golfen trainiert. Mit gefühlvollem Schlag wird der Ball in einen umgestülpten Regenschirm gechippt. Und sonst? Alte Herren, Kreisliga? Niesporek lacht, steht auf, und macht eine formvollendete Rumpfbeuge. Fingerspitzen sofort am Boden. Hat er alles dem Karatetraining zu verdanken. Er ist der Träger des 1. Dan, war Mitglied der Nationalmannschaft, mehrmals Deutscher Meister, einmal Dritter bei einer Europameisterschaft. Das forme die Persönlichkeit, schule den Respekt vor anderen und hebe das Selbstwertgefühl. „Und es gibt Gelassenheit, man lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen.“ Und hat vielleicht auch Kraftreserven aufgebaut, sich neben der Arbeit zu engagieren, unter anderem im Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Region Braunschweig-Wolfsburg.
Störungen an Telefonanlagen können ihn und seine Mannschaft ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen. Es gibt einen 24-Stunden-Service, aber Notfallanrufe zu nachtschlafender Zeit „gibt es vielleicht 30, maximal 50 Mal im Jahr“. Alles andere lässt sich während der regulären Bürozeiten beheben.
Für kleines Geld gibt es Massagen für die Mitarbeiter
Niesporek ist Katholik, war Messdiener, ist mittlerweile bei St. Aegidien in Braunschweig beheimatet. Er ist im Beirat der Caritas Braunschweig, „weil ich gern was zurückgeben will“. Das hält er auch mit seinen Mitarbeitern so. Die können sich unter anderem für ganz kleines Geld einmal in der Woche von einem Physiotherapeuten aus der Praxis seiner Tochter in der Firma massieren lassen. Den Löwenanteil der Kosten übernimmt er.
Telefoniert er selbst eigentlich gern? „Unbedingt!“ Und wenn er mit den Enkelkindern Carl und Malou shoppen ist, im Hotel logiert oder Tatort guckt, dann gilt vielleicht nicht sein erster, so doch aber sein zweiter Blick der Telefonanlage, die in der Boutique, an der Rezeption oder der Wache verwendet wird. Und manchmal hätte er da durchaus Verbesserungsvorschläge.
suja