Newsletter Recht - Mai und Juni 2022

I. Transparenzregister: Zweite Übergangsfrist läuft zum 30.06.2022 aus

Wie wir bereits mehrfach berichtet haben, ist am 1. August 2021 das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetzt Geldwäsche (TraFin Gw) in Kraft getreten. In diesem werden alle transparenzpflichtigen Gesellschaften verpflichtet, ihren wirtschaftlichen Berechtigten zu ermitteln und dem Transparenzregister mitzuteilen.
Für
  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung
  • Genossenschaften
  • Europäische Genossenschaften
  • oder Partnerschaften
läuft die Übergangsfrist für die Mitteilung zum 30. Juni 2022 aus. Wer sich nicht, nicht rechtzeitig oder vollständig registriert, begeht eine Ordnungswidrigkeit und riskiert ein schmerzhaftes Bußgeld.
Wie Sie den wirtschaftlichen Berechtigten ermitteln und welche Informationen mitzuteilen sind, erfahren Sie in unserem Beitrag zum Transparenzregister.
Sollten Sie aufgrund komplexer Eigentums- und Kontrollstrukturen Schwierigkeiten bei der Ermittlung haben, setzen Sie sich gern mit unserem Team Recht in Verbindung.

II. Unzulässige Bezeichnung: Skyr Style

Mit Urteil vom 25.03.2022 hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass die Bezeichnung „Skyr-Style“ für eine pflanzliche Skyr-Alternative unzulässig ist.
Skyr ist das isländische Wort für eine traditionelle isländische Milchspeise aus entrahmter Milch, die eine cremige Konsistenz hat, mit einem geringen Fett- und hohen Proteingehalt überzeugt und geschmacklich an eine Mischung aus Magerquark und Joghurt erinnert. Lebensmittelrechtlich ist es in Deutschland als Frischkäseerzeugnis einzuordnen. Von den Verbrauchern ist Skyr akzeptiert und eine verkehrsübliche Bezeichnung für ein nach isländischer Tradition hergestelltes Frischkäseerzeugnis.
Mit der Produktbezeichnung „Skyr Style“ für ein mit Calcium und Vitaminen angereichertes fermentiertes Sojaerzeugnis liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen den absoluten Bezeichnungsschutz für Milchprodukte nach der EU-Verordnung 1308/2013 vor und ist somit rechtswidrig. Weder der vorangehende Markenname noch der Zusatz Style oder pflanzlich sind in diesem Fall beachtlich, da die Bezeichnung ausschließlich für Milchprodukte verwendet werden darf.

III. Abmahnung via E-Mail

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 09.03.2022 entschieden, dass eine Abmahnung, die nur als Anhang einer E-Mail eines unbekannten Absenders versendet wurde, erst mit dem tatsächlichen Öffnen des Anhangs zugegangen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Hinblick auf das allgemeine Virenrisiko davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen. Daher könne vom Empfänger nicht verlangt werden, den Anhang einer Mail von einem unbekannten Absender zu öffnen.
In dem hier entschiedenen Fall kam es auch auf einen möglichen Zugang im Spam-Ordner nicht an, da der Empfänger glaubhaft gemacht hat, von den E-Mails keine Kenntnis gehabt und die Dateianhänge nicht geöffnet zu haben.
OLG Hamm, Beschl. V. 9.3.2022 – 4 W 119/20

IV. Verordnung für autonome Fahrzeuge

Mit der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr am 23.03.2022 auf den Weg gebrachten „Verordnung zur Genehmigung und zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen“ (Autonome Fahrzeuge Genehmigungs- und Betriebs-Verordnung, kurz: AFGBV) werden die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ergänzt und damit der Rechtsrahmen für das autonome Fahren vervollständigt. Der Bundesrat stimmte der Verordnung am 20.05.2022 zu, machte seine Zustimmung jedoch von einigen Änderungswünschen abhängig, die die Bundesregierung nun umzusetzen hat.
Für die Zulassung von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion ist ein dreistufiges Verfahren vorgesehen:
  1. Zuerst muss der Fahrzeughersteller eine Betriebserlaubnis beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) beantragen, wobei die konkreten Antragserfordernisse und einzureichenden Unterlagen dafür in § 3 AFGBV festgelegt sind.
  2. Als nächstes erfolgt die Genehmigung durch die Behörde für den festgelegten Betriebsbereich, also die Straßen, auf denen das autonome Fahrzeug später fahren darf. Den Betriebsbereich legt der Halter unter Beachtung der in § 8 AFGBV enthaltenen Voraussetzungen fest. Für die Erteilung der Genehmigung ist entscheidend, dass der Betriebsbereich für den Betrieb des autonom fahrenden Kraftfahrzeugs geeignet ist.
  3. Liegen Betriebserlaubnis, Genehmigung des festgelegten Betriebsbereiches und eine entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung vor, erfolgt die Straßenzulassung durch die Zuteilung des amtlichen Kennzeichens und die Ausfertigung der Fahrzeugpapiere.
Die AFGBV enthält in den §§ 12 und 13 weitere durch den Hersteller sowie durch den Halter einzuhaltende Pflichten. Zudem sind in § 14 AFGBV die Voraussetzungen für die als technische Aufsicht eingesetzten Person festgelegt. An die Eignung dieser werden hohe Qualifikations-Anforderungen gestellt, sodass die eingesetzte Person u.a. ein abgeschlossenes technisches Studium haben oder ein staatlich geprüfter Techniker sein muss.

V. Harmonisierung der Sitzverlegungsrichtlinie

Die beteiligten Ministerien haben Ende April Referentenentwürfe zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie EU-2019/2121 (UmRUG-E), welche insbesondere gesetzliche Bestimmungen für einen grenzüberschreitenden Formwechsel, eine Spaltung zur Neugründung sowie unter gewissen Voraussetzungen auch eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme vorsieht, vorgelegt.
Dabei sollen u.a. weitere Möglichkeiten für die Entbehrlichkeit des Verschmelzungsberichts geschaffen und der Abfindungsanspruch des Gesellschafters bei einem entsprechenden Austritt modifiziert werden. Hinsichtlich der Unternehmensspaltung wird auf nationaler Ebene eine Haftungsbeschränkung des Rechtsträgers auf das zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Spaltung maßgebliche Nettoaktivvermögen angestrebt. Zudem sind Überarbeitungen im Bereich des Spruchverfahrensgesetzes sowie die Einführung eines Online-Verfahrens bei der Anmeldung zum Handelsregister vorgesehen.
Ferner vorgesehen ist ein neues Stammgesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG-E), sowie punktuelle Änderungen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) vor. Zudem soll das Recht über die Mitbestimmung am Sitz der Gesellschaft bei einem punktuell geringerem Mitbestimmungsniveau im Vergleich zum Ursprungsstaat nach Einleitung des Verhandlungsverfahrens verdrängt werden.
Die besagten Änderungen sollen zum 31. Januar 2023 in Kraft treten. Eine Rückmeldung ist bis zum 11.05.2022 möglich. Details zu den konkret vorgesehenen Änderungen der Sitzveränderungsrichtlinie finden Sie hier.

VI. Bundeskabinett beschließt weitreichende Änderungen für virtuelle Hauptversammlungen

Das Bundeskabinett hat umfassende Änderungen am Referentenentwurf zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vorgenommen. Damit wird ein Gleichlauf mit der Präsenzversammlung angestrebt, um die einzelnen Rechte der Aktionäre zu wahren. Zu den wichtigsten Änderungen im vorgenannten Entwurf:
  1. Alle Anträge sollen im Wege elektronischer Kommunikation gestellt werden können.
  2. Der Vorstandsbericht muss den Aktionären spätestens 7 Tage vor der Versammlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden sein.
  3. Aktionären wird das Recht zugesprochen, Stellungnahmen bis spätestens 5 Tage vor der Versammlung einzureichen.
  4. In der virtuellen Hauptversammlung ist der Vorstand nunmehr verpflichtet, jedem ordnungsgemäß angemeldeten Aktionär ein Rederecht einzuräumen (der Vorstand kann dabei kraft interner Satzung vorsehen, dass Fragen vor der Versammlung fristgerecht eingereicht werden müssen).
  5. Ordnungsgemäß gestellte Fragen sind allen Aktionären zugänglich zu machen und bis spätestens einen Tag vor der Versammlung vom Vorstand zu beantworten.
  6. Den Aktionären wird ein umfassendes Nachfragerecht eingeräumt, welches sich auf in der Versammlung neu aufgeworfene Sachverhalte bezieht.
Der Gesetzentwurf wird nun Bundestag und Bundesrat zur Beratung vorgelegt.

VII. Digitalisierung im Gesellschaftsrecht: GmbH-Gründung goes digital

Im Zuge der Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) ist auch das Beurkundungsgesetz überarbeitet worden. Danach werden künftig Bargründungen von GmbHs, UGs (haftungsbeschränkt) sowie sämtliche Anmeldungen zum Handelsregister im online-Verfahren zulässig sein.
Die wichtigsten Informationen zu Voraussetzungen, Verfahrensablauf und Zusatzkosten finden Sie hier.

VIII. BAG zum Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung

Seit dem 01.01.2022 gilt das Betriebsrentenverstärkungsgesetz (BRSG) wegen Ablaufs der Übergangsfrist auch für sog. Altverträge, also Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 01.01.2019 getroffen wurden.
Mit Urteil vom 8. März 2022 hat sich das BAG erstmals zu der damit zusammenhängenden Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Zuschusses bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung geäußert.
So entschied das Gericht, dass Arbeitnehmer den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss jedenfalls bis zum 31.12.2021 dann nicht beanspruchen können, wenn sich schon vorher ein Anspruch der Beschäftigten aus einem Tarifvertrag ergab. Darüber hinaus sei der gesetzliche Anspruch auch dann ausgeschlossen, sofern ein 2019 vereinbarter Tarifvertrag auf die frühere kollektivvertragliche Regelung verweist.
Im Falle des Nichtbestehens solcher Tarifverträge besteht laut Gericht eine Anpassungspflicht des Arbeitgebers. Eine solche Anpassung kann etwa durch Änderung des bestehenden Versicherungsvertrags und Erhöhung des einzuzahlenden Gesamtbetrags um den Arbeitgeberzuschuss geschehen. Häufiger wird jedoch der Abschluss eines zusätzlichen Versicherungsvertrags für den Arbeitgeberzuschuss oder die Anpassung der bestehenden Entgeltumwandlungsvereinbarung in Erwägung zu ziehen sein.

IX. Die Verwendung von „Herr“ und „Frau“ bei der Geschlechtsauswahl von Online-Angeboten stellt eine Benachteiligung dar 

Das OLG Frankfurt am Main hatte zu klären, ob Online-Angebote über die oft noch geläufige Geschlechtsauswahl männlich/weiblich hinausgehen müssen. Auf Unterlassung wurde ein Eisenbahnkonzern verklagt, der bei sämtlichen Angeboten, wie etwa im Rahmen des Online-Erwerbs von Fahrkarten, die Auswahl zum Geschlecht auf das männliche und weibliche Geschlecht reduzierte.
Das Gericht entschied dabei, dass der Sache nach zwar ein Anspruch auf Unterlassung bestehe, bekräftigte in dem Beschluss jedoch, dass die Benachteiligung so geringfügig gewesen sei, dass der daraus entstandene immaterielle Schaden nicht in Geld zu ersetzen sei. Infolge der Unterlassungswirkung wurde der Beklagten eine angemessene Frist von einem halben Jahr zugesprochen, in der sie ihre Angebote korrigieren kann.

X. Datenschutz: Stellungnahme des DSK zur Datenerhebung bei Online-Bestellungen

Auf der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) beschäftigten sich die jeweiligen Vertreterinnen und Vertreter mit der Frage, ob der Anbieter im Online-Handel einen Gastzugang für Käufer zur Verfügung stellen muss.
Diese Frage wurde in Gestalt eines Beschlusses bejaht, wobei zur Begründung vor allem der in der DSGVO verankerte Grundsatz der Datenminimierung herangezogen wurde. Danach müssen personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.
Insbesondere wenn der Bestellende eine einmalige Geschäftsbeziehung zum Anbietenden aufbauen wolle, sei die Datenerhebung auf dasjenige Maß zu beschränken, welches für das jeweilige Geschäft notwendig ist. Lediglich in ausnahmsweise gelagerten Einzelfällen, etwa bei Fachhändlern bestimmter Berufsgruppen, sei die Anlegung eines Benutzerkontos (und die bei längerer Inaktivität automatische Löschung) für die Wahrung der Datenminimierung ausreichend.
Im Zusammenhang mit diesem Beschluss wies die DSK auch darauf hin, dass im Falle des Fehlens einer Bestellmöglichkeit über ein Gastkonto regelmäßig die Freiwilligkeit der Datenerhebung nicht gegeben sei.

XI. Zulassungspflichtigkeit von CBD-Tofu?

Das VG Trier urteilte, dass jegliche CBD-haltige Lebensmittel und somit auch die von der Klägerin angebotenen Tofu-Produkte und Pflanzendrinks zulassungspflichtig seien und folglich nicht ohne vorherige Einwilligung der EU in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Das Gericht berief sich dabei auf die Vorschriften der europäischen Novel-Food-Verordnung. Danach dürfen neuartige Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet worden sind, nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen und in der Unionsliste aufgeführt sind.
Das von der Beklagten hervorgebrachte Argument, dass Cannabis bzw. deren Bestandteile bereits vor dem genannten Stichtag konsumiert wurden, hielt das Gericht angesichts der maßgeblichen Neuartigkeit des gesamten Produkts für unbeachtlich. Somit ist das Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel vor dem Inverkehrbringen des CBD-haltigen Produkts zu beachten, welches entweder von der EU-Kommission selbst oder auf Antrag eines Herstellers an die Kommission eingeleitet wird.

XII. Verbraucherschutz: Verpflichtung des Online-Anbieters zur Bestätigung des Bestellvorgangs

Unternehmer, die einen Online-Shop führen, haben dem Kunden den Erhalt von dessen Bestellung ohne schuldhaftes Zögern auf elektronischem Wege zu bestätigen. So entschied das LG München I und berief sich dabei auf eine verbraucherschützende Norm, die im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs Anwendung findet.
In diesem Zuge räumte das Gericht dem Unternehmer einen Zeitrahmen von in der Regel fünf Bürostunden als angemessenes Zeitfenster ein. Die Einhaltung habe der Anbieter durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Sofern dem Verbraucher gerade wegen dieser Pflichtverletzung des Unternehmers ein Schaden entsteht, die letzterer auch zu vertreten hat, kommen Schadensersatzansprüche in Betracht.