Newsletter Recht - April 2022

I. Aufenthaltserlaubnis und Zugang zum Arbeitsmarkt ukrainischer Flüchtlinge

Ab dem 4. Mai können Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine, die sich dauerhaft in Braunschweig aufhalten und nicht in einer Unterkunft der Stadt Braunschweig untergebracht sind, bei der Ausländerbehörde der Stadt Braunschweig, Friedrich-Seele-Str. 7, eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Wegen der hohen Zahl der Antragstellungen geht die Ausländerbehörde bei der Zuteilung von Terminen anhand von Postleitzahlen vor. Weitere Informationen, auch auf Ukrainisch, finden Sie hier. Informationen der Ausländerbehörde zur Antragstellung und benötigter Dokumente finden Sie hier.
Die EU-Massenzustromrichtlinie ist durch Beschluss des EU-Rates vom 4. März in Kraft gesetzt worden. In Deutschland wird die Umsetzung in § 24 Aufenthaltsgesetz geregelt. Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten, Staatenlose oder Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar in der Ukraine internationalen Schutz oder gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben und die Familienangehörige der beiden Gruppen können einen Antrag auf vorübergehenden Schutz bei der zuständigen Ausländerbehörde stellen. Die Betroffenen dürfen für den Zeitraum des vorübergehenden Schutzes einer selbständigen Tätigkeit oder einer Beschäftigung nachgehen.
  • Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme ist die Meldung bei der zuständigen Meldestelle und die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis bei der am registrierten Wohnort zuständigen Ausländerbehörde.
  • Wer die individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) eines künftigen Arbeitnehmers oder einer künftigen Arbeitnehmerin abrufen will, benötigt hierfür die steuerliche Identifika-tionsnummer (ID-Nummer). Liegt diese nicht vor, so können zumindest für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten voraussichtliche Lohnsteuerabzugsmerkmale verwendet werden.
  • Um eine möglichst schnelle Arbeitsaufnahme und unkomplizierte steuerrechtliche Erfassung zu gewährleisten, wird die Erteilung der ID-Nummer für Geflüchtete aus der Ukraine bereits bei der Erstaufnahme angestoßen.
  • Achtung: Über den Aufenthaltsstatus oder eine etwaige Arbeitserlaubnis sagt das Vorliegen einer ID-Nummer nichts aus; lassen Sie sich den Aufenthaltstitel unbedingt vorlegen.
  • Erleichterung bei der Eröffnung von Konten für Flüchtlinge: Die BaFin hat sich dazu entschlossen, die in der Ukraine verbreitete Identity Card für die Eröffnung von Basiskonten nicht zu beanstanden. Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) hat zudem per Allgemeinverfügung die Identity Card (Modell 2015) als Passersatz anerkannt. Damit sind alle identifizierungspflichten Geschäfte (bspw. Darlehen oder Autobarkauf ab 10.000€) rechtssicher möglich.

II. Hilfspaket für Unternehmen wegen der Folgen des Kriegs in der Ukraine

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner haben Hilfen für Unternehmen, die von den Folgen des Russland-Ukraine Krieges betroffen sind, beschlossen. Diese Hilfen sind eine Mischung aus Krediten, Bürgschaften und Beihilfen.
Im Einzelnen ist geplant:
  • Ein befristeter Kostenzuschuss für Unternehmen, die unter den hohen Energiepreisen leiden. Dafür werden die Energiekosten aus dem Jahr 2021 zugrunde gelegt, sind diese nachweislich doppelt so hoch, hat das Unternehmen einen Anspruch auf den Zuschuss.
  • Energieunternehmen bekommen durch eine Bundesgarantie unterlegte Kredite.
  • Mit einem KfW Programm bekommen KMU Zugang zu zinsgünstigen, haftungsfreien Krediten.
  • Das Bürgschaftsprogramm von Bund und Ländern wird für vom Ukrainekrieg betroffene Unternehmen fortgesetzt.
  • Eigen- und Hybridkapitalhilfen wird es dagegen nur in Einzelfällen geben.

III. Erhöhung der Wertgrenze zur Bewältigung der Folgen der gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Ukraine

Das Finanzministerium und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung haben zur Unterstützung der Vergabestellen in Niedersachsen aufgrund der Folgen des Angriffskriegs in Europa eine Ausführungsbestimmung über die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb nach der UVgO getroffen.
Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen, die...
  1. der Aufnahme, Unterbringung, Gewährleistung der Sicherheit, Beratung, Versorgung und Betreuung von Schutzsuchenden,
  2. dem Katastrophenschutz, dem Zivilschutz oder der Gefahrenabwehr (soweit nicht ohnehin von der Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften ausgenommen),
  3. der Verbesserung der IT- und Cyber-Sicherheit oder
  4. der Ausübung einer Sektorentätigkeit (§102 GWB).
dienen und deren Vergabeverfahren vor dem 1. August 2022 begonnen haben, dürfen unterhalb des jeweiligen Schwellenwertes gemäß § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 des GWB im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden können.

IV. Beschluss des OLG Düsseldorf: Bevorzugung bei der Vergabe

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 1. Dezember 2021 entschieden, dass die Bevorzugung von Unternehmen, die eine geschlossene Lieferkette innerhalb der EU, dem GPA oder Freihandelszonen nachweisen können einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt und nicht geeignet sei, Umwelt- und Sozialstandards zu garantieren oder erhöhten Versorgungssicherheiten.
Ein Auftraggeber hatte die Vergabe von Rabattvereinbarungen für Arzneimittel europaweit offen ausgeschrieben. Vorgesehen war bei der Wertung ein Wirtschaftlichkeitsbonus für umweltbezogene und soziale Aspekte, welche eine geschlossene Lieferkette in der EU, in GPA oder Freihandelszonen der EU voraussetzen. Dagegen wehrte sich ein Hersteller mit Sitz in Deutschland, welcher in Indien produziert.
Das Gericht entschied, dass das Kriterium der geschlossenen Lieferkette einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in § 97 Abs. 2 GWB darstellt. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz sind alle Teilnehmer eines Vergabeverfahrens gleich zu behandeln, es sei denn etwas anderes ist aufgrund eines Gesetzes ausdrücklich gestattet. Eine Ungleichbehandlung ist nur zur Erreichung eines besonderen Ziels gerechtfertigt. Die europäischen Umwelt- und Sozialstandards und die Versorgungssicherheit seien legitime Ziele, der Wirtschaftlichkeitsbonus für die geschlossene EU-Lieferkette seien aber nicht geeignet.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.12.2021 – VII-Verg 54/20

V. Digital Guide zu den Incoterms-Klauseln

Die Kanzlei Luther Law, ICC und ICC Germany haben ein interaktives Tool, den Digital Guide, entwickelt. Der Guide bietet den Unternehmen eine Orientierungshilfe bei der Auswahl von Incoterms-Klauseln. Die International Commercial Terms (Incoterms) wurden erstmals durch die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris im Jahr 1936 herausgegeben und werden seitdem regelmäßig aktualisiert. Sie stellen international anerkannte, standardisierte und weit verbreitete Vertragsklauseln für nationale und internationale B2B-Verträge über den Verkauf von Waren dar.

VI. Novelle des Preisangabenrechts

Am 28. Mai tritt die novellierte PAngV (Preisangabenverordnung) in Kraft. Im Wesentlichen ergeben sich folgende Änderungen:
  • Der Grundpreis muss „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sein; Grund- und Gesamtpreis müssen auf einen Blick wahrnehmbar sein (§ 4).
  • Als einheitliche Referenzmengen gelten nunmehr 1 Kilogramm bzw. 1 Liter; Ausnahmen bei kleineren Verpackungen gelten nicht mehr (§ 5).
  • Pfandbeträge (oder ähnliche rückerstattbare Sicherheiten) sind neben dem Gesamtpreis anzugeben und in diesen nicht einzubeziehen (§ 7).
  • Bei Preisermäßigungen darf als Bezugspreis nur der niedrigste in den letzten 30 Tagen geltend gemachte Preis angegeben werden; dies gilt auch für schrittweise Ermäßigungen (§ 11).
  • Betreiber von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge haben den Arbeitspreis an der Ladesäule oder in unmittelbarer Nähe anzugeben. Dies ist auch mittels einer registrierungsfreien und kostenlosen mobilen Website möglich; so z. B. über einen QR-Code (§ 14).
Bei Nichtbeachtung der Vorgaben drohen sowohl wettbewerbsrechtliche Ansprüche Dritter als auch ordnungsrechtliche Sanktionen.

VII. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen Zuwendungen bei telefonischen Geschäftsabschlüssen vorab offenlegen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat am 13. April neue FAQ zu den MiFID II-Wohlverhaltensregeln nach §§ 63ff. Wertpapierhandelsgesetz veröffentlicht.
Darin stellt sie klar, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Kunden auch dann immer vor dem Geschäftsabschluss über Zuwendungen informieren müssen, wenn Fernkommunikationsmittel genutzt werden.
Eine nachträgliche Offenlegung – wie sie unter bestimmten Voraussetzungen für die mit dem Geschäftsabschluss verbundenen Kosten möglich ist – ist nicht zulässig.

VIII. Recht auf Reparatur

Am 7. April verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution hinsichtlich des geplanten „Rechts auf Reparatur“. Die Forderungen des Parlaments beinhalten einen Fokus auf den Lebenszyklus von Produkten, insbesondere das Produktdesign oder Informationskennzeichnungen zu Reparierbarkeit und Haltbarkeit. Es wird damit gerechnet, dass die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über das Recht auf Reparatur noch in diesem Jahr vorlegen wird.  Für Unternehmen entsteht mittelfristig erheblicher Anpassungsbedarf.

IX. Weiterhin Corona-Maßnahmen am Arbeitsplatz

Die Bundeskabinettsbeschlüsse vom 16. März sehen einen andauernden Basisschutz am Arbeitsplatz vor. Trotz des Auslaufens der Corona-Maßnahmen auf Bundesebene wird die Corona-Arbeitsschutzverordnung verlängert. Bundesminister Heil will damit einen Basisschutz vor Ansteckung bei der Arbeit gewährleisten. Die Betriebe und ihre Beschäftigten müssen daher für eine Übergangszeit Basisschutzmaßnahmen ergreifen. Diese Maßnahmen sind nicht mehr unmittelbar in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vorgeschrieben, sondern durch die Betriebe als Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung in betrieblichen Hygienekonzepten festgelegt. Örtliche Infektionsgeschehen und Infektionsgefahren, wie räumliche Begebenheiten, sollen berücksichtigt werden. Damit endet auch die nach dem Infektionsschutz verpflichtende Home-Office-Regelungen für Arbeitgeber. Arbeitgeber können im Einvernehmen mit den Beschäftigten die Arbeit im Home-Office anbieten, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und diese im Interesse des betrieblichen Infektionsschutzes liegt. Die Verordnung gilt bis zum 25. Mai.

X. Verlängerung der Corona-Überbrückungshilfen und des Kurzarbeitergeldes

Die Bundesregierung hat per Beschluss am 16. Februar die Verlängerung der Bezugsdauer und Sonderregelungen des Kurzarbeitergeldes und die Überbrückungshilfe IV bis zum 30. Juni bekannt gegeben. Hintergrund der Verlängerung ist, dass die Unternehmen in weiterhin unsicheren Zeiten in bewährter Weise unterstützt werden sollen. Zusätzlich werden neben der Überbrückungshilfe IV auch die Programme der Neustart- und Härtefallhilfen verlängert.
Seit dem ersten Corona-Hilfe-Programm wurden mehr als 3 Millionen Anträge auf Soforthilfe, Überbrückungshilfen oder Neustarthilfen bewilligt. Ausgezahlt wurden 65 Milliarden Euro.