Industriekonjunktur, Jahresbeginn 2024

Industrie: Trübe Aussichten

Die bis in den Herbst 2022 in immer neue Höhen steigenden Energiepreise sowie ein mögliche Gasmangellage, bei der die Gasversorgung der Industrie eingeschränkt werden müsste, hatte zu einer starken Verunsicherung geführt. Die gestiegenen Kosten haben die Erträge in vielen Unternehmen schrumpfen lassen. Zudem drohten die hierzulande um ein Vielfaches höheren Energiekosten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Eine wachsende Zahl von Industriebetrieben senkten sowohl die Lage als auch die Erwartungen betreffend ihre Daumen.
Trotzdem sind die Budgets für Inlandsinvestitionen leicht expansiv geblieben, der Anteil der Industrieunternehmen, die ihre Investitionsausgaben einschränken wollten, ist im letzten Herbst um weniger als 10 Punkte auf 22 Prozent angestiegen. Die Zahl der Betriebe mit expansiven Investitionsplänen verharrte bei 42 Prozent. Das liegt insbesondere an den betrieblichen Reaktionen auf die Energiepreisexplosion: 80 Prozent verstärken ihre Anstrengungen zum Energiesparen, 71 Prozent wollen das durch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen realisieren.
70 Prozent der Unternehmen geben die höheren Energiekosten zumindest teilweise an ihre Kunden weiter. 23 Prozent weichen auf andere Energieträger aus. Gut 14 Prozent wollen Teile ihrer Produktion an ausländische Standorte mit geringeren Energiekosten verlagern, elf Prozent haben vor, Investitionen vorerst zurückzustellen. Sieben Prozent der Unternehmen verringern ihre Produktion. Fünf Prozent der Betriebe sind nicht betroffen, über zwei Prozent verfügen über keine Ausweichmöglichkeiten.
Die Energieeinsparungen der Industrie sowie der überwiegend milde Winter haben die Gasreserven geschont, und zusammen mit den politischen Bemühungen zur Ausweitung des Gasangebots sowie zur Begrenzung der Belastungen (Strom- und Gaspreisbremsen), haben zur Entspannung auf den Energiemärkten beigetragen. Das stützt die Ertragskraft der Unternehmen. Der befürchtete Geschäftseinbruch ist ausgeblieben.
Trotz eher verhaltener Nachfrage aus dem In- und Ausland, hat die Kapazitätsauslastung dank noch gut gefüllter Auftragsbücher zugenommen. Die Zufriedenheit der hiesigen Industrie mit ihrer aktuellen Lage ist zu Beginn des neuen Jahres wieder kräftig gestiegen. Mehr als die Hälfte der Betriebe bewertet seine Situation als gut, nicht ganz ein Drittel befindet sich in einer befriedigenden Lage, 15 Prozent geht es schlecht.
Trotzdem bleibt die Industrie realistisch: Die Energieversorgungssicherheit bleibt kritisch. Die Preisbremsen können lediglich erneute Preisspitzen bei Strom und Gas kompensieren. Die Rohstoffpreise könnten dagegen erneut ansteigen. Jeweils sieben von zehn Unternehmen bereiten solche Szenarien große Sorgen. Auch bei stabilen Preisen, die im Vergleich zu anderen Regionen der Welt weiterhin in Deutschland um ein Vielfaches höher sind, gerät die hiesige Industrie immer mehr ins Hintertreffen. Der Kostenfaktor Energie schwächt nicht nur energieintensive Unternehmen, sondern hat auch spürbare Auswirkungen auf alle Wertschöpfungsketten der Industrie.
Der ausbleibende Energieinfarkt hat zwar den ausgeprägten Pessimismus vom letzten Herbst in ein Gefühl der Erleichterung wandeln lassen. Über den Berg ist die regionale Industrie jedoch noch nicht. Für 2023 rechnet die regionale Industrie mit einer konjunkturellen Seitwärtsbewegung. Zwar erwarten wieder deutlich mehr Betriebe, dass sich die Nachfrageimpulse aus Nordamerika und Asien verstärken, jedoch sind sie weiterhin noch nicht kräftig, um die regionale Industrie in Schwung zu bringen. Viele Länder in Europa stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie Deutschland, so dass die Nachfrage aus diesen Ländern kaum zunehmen dürfte.
Somit blickt die hiesige Industrie eher skeptisch nach vorn. Zwar ist die Zahl der Optimisten von 11 Prozent im Herbst 2022 auf gut 24 Prozent gestiegen und der Anteil der Pessimisten von 48 Prozent auf über 31 Prozent zurückgegangen. 44 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung ihrer Geschäfte aus. Damit befürchten weiterhin mehr Betriebe Einbußen als Zugewinne.
Entsprechend plant die Mehrheit der Industrieunternehmen seinen Personalbestand konstant zu halten. Zwei Drittel von ihnen treibt der Fachkräftemangel Sorgenfalten auf die Stirn. Schon die erneute Besetzung freiwerdender Stellen wird für viele Betriebe zur Herausforderung. 41 Prozent nennen zudem die Arbeitskosten als Risiko: Der Arbeitsmarkt in der IHK-Region Ulm bleibt mit einer Arbeitsquote von 2,5 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022 leergefegt. Angesichts der hohen Inflation befürchten viele Betriebe kräftige Lohnsteigerungen, also steigende Arbeitskosten.
Positiv stimmen die Pläne für Inlandsinvestitionen der Industrie. Mehr als die Hälfte der Unternehmen stocken ihre Investitionsbudgets auf, weniger investieren wollen nur neun Prozent. Das liegt insbesondere am meistgenannten Investitionsmotiv: Fast drei Viertel der Betriebe planen in Maßnahmen zur Steigerung ihrer Energieeffizienz zu investieren, so viele wie noch nie.