Eine Weiterbildung zum Meister – reine Privatsache?

Sind die beruflichen Fortbildungsabschlüsse im IHK-Weiterbildungssystem noch zeitgemäß? Diese Frage hören Industrie- und Handelskammern immer wieder. Können durch Verordnungen geregelte Fortbildungsprofile mit der Dynamik der Wirtschaft Schritt halten? Das sind durchaus berechtigte Fragen. Die anerkannten IHK-Fortbildungsabschlüsse haben sich über Jahrzehnte bewährt – aber nicht in erster Linie als Instrument zur Vermittlung von tagesaktuellem Spezialwissen, sondern vor allem als Weg zur umfassenden beruflichen Weiterqualifizierung.

Aufstiegsfortbildung: Mehr als Fachwissen

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Fähigkeiten, die weit über rein fachliche Inhalte hinausgehen: persönliche Reifung, kritisches Denken, Problemlösungskompetenz, unternehmerisches Denken sowie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Mitarbeiterführung – es sind grundlegende soziale und methodische Schlüsselkompetenzen, die eine Führungskraft begründen. Die DIHK-Weiterbildungserfolgsstudie 2023 zeigt: 93 Prozent der Absolventen haben sich durch die Aufstiegsfortbildung persönlich weiterentwickelt, die Mehrheit konnte eine höhere Position oder mehr Verantwortung übernehmen.
Der Austausch zu praxisrelevanten Themen, das Verstehen und kritische Hinterfragen von Strukturen, Konzepten und Prozessen sowie das selbständige Erarbeiten komplexer Inhalte fördern einen Perspektivenwechsel, der für eine angehende Führungskraft beziehungsweise eine gehobene Fachkraft unverzichtbar ist. Aufstiegsfortbildungen sind mehr als Wissensvermittlung – sie wirken auch persönlichkeitsbildend.

Eigene Mitarbeiter entwickeln statt Rekrutierung auf dem Arbeitsmarkt

In der DIHK-Konjunkturumfrage Frühsommer 2025 stufen 45 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als zentrales Geschäftsrisiko ein. Studien des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der DIHK und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen, dass bis 2040 insbesondere im Segment der gehobenen Fach- und Führungskräfte erhebliche Lücken entstehen werden. Beruflich Qualifizierte mit Fortbildungsabschluss gehören dabei zu den am stärksten nachgefragten Profilen. Wer hier allein auf eine externe Rekrutierung am Arbeitsmarkt setzt, geht ein Risiko ein. Nachhaltiger ist es, geeignete Mitarbeiter aus den eigenen Reihen gezielt für kommende Aufgaben weiterzuentwickeln. Die Investition zahlt sich mehrfach aus – durch geringere Fluktuation, höhere Motivation und eine starke Bindung ans Unternehmen.

Mitarbeiter suchen Orientierung und Perspektiven im Unternehmen

Dabei sollte man sich nicht nur auf den eigenen Antrieb und Ehrgeiz der Beschäftigten verlassen. Die Online-Befragung „Arbeiten und Leben in Deutschland“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2024 zeigt, dass Beschäftigte ihre wichtigsten Informationen über Weiterbildung vor allem aus dem direkten Arbeitsumfeld erhalten – von Kolleginnen und Kollegen sowie von ihren Vorgesetzten. Unternehmen und ihre Führungskräfte nehmen damit eine Schlüsselfunktion ein, wenn es darum geht, Mitarbeiter für Weiterbildungsangebote zu sensibilisieren und ihnen konkrete Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Weiterqualifizierung von Beschäftigten ist in hohem Maße Ergebnis einer aktiven Unternehmenskultur, die Qualifizierung sichtbar macht und fördert.

Unternehmensinterne Führungskräfteentwicklung

Ergebnisse der Weiterbildungserhebung 2023 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen, welche Bedeutung der Personalentwicklung in den Unternehmen beigemessen wird. Noch nie, seit Beginn der Erhebung, haben deutsche Unternehmen so stark in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten investiert wie zuletzt. Das Spektrum an umgesetzten Personalentwicklungsmaßnahmen ist hierbei groß. Bemerkenswert: Mehr als ein Drittel (37,2 Prozent) der befragten Unternehmen hat gezielt den Erwerb formaler Qualifikationen unterstützt. Das häufigste Qualifizierungsziel dabei: die Aufstiegsfortbildung. Eine Möglichkeit, Weiterqualifizierung im Rahmen der Personalentwicklung zu verankern, ist es, Fortbildungsmaßnahmen für die eigenen Mitarbeiter direkt im Unternehmen durchzuführen. Solche Lehrgänge lassen sich passgenau auf die betrieblichen Rahmenbedingungen zuschneiden. Für die Mitarbeitenden bietet das erhebliche Vorteile, und die Maßnahme strahlt positiv in das ganze Unternehmen aus.

Flexibler werden, Stärke bewahren

Dennoch ist die Kritik am System der öffentlich-rechtlich geregelten Aufstiegsfortbildung nicht unberechtigt. Die Modernisierung von Fortbildungsverordnungen dauert in vielen Verfahren zu lange. In einer Wirtschaft, die von Digitalisierung und Transformation geprägt ist, können neue Inhalte nicht warten. Die Aufstiegsfortbildung muss flexibler, modularer und damit moderner werden. Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen, wie zuletzt bei der Neuordnung der IT-Fortbildungen. Das System der höherqualifizierenden IHK-Fortbildungsabschlüsse ist ein wirkungsvolles Instrument der Personalentwicklung – insbesondere in Hinblick auf die nachhaltige, innerbetriebliche Besetzung von Führungskräften und gehobenen Fachkräften. Wer heute in Meister, Fachwirte, Betriebswirte und Co. investiert, legt das Fundament für eine zukunftsfähige und nachhaltige Personal- und Unternehmensentwicklung.
Frank Stumm
IHK Ulm
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