Herr Nikolaus, das Schlagwort „digitale Kompetenzen“ begegnet uns überall – aber was bedeutet das konkret im betrieblichen Alltag?
Ich erlebe oft, dass digitale Kompetenz im Alltag mit Softwarekenntnissen gleichgesetzt wird oder mit dem sicheren Umgang mit Tools. Das ist natürlich wichtig – aber es greift zu kurz. Digitale Kompetenz heißt vor allem: verstehen, wie digitale Prozesse funktionieren, wie Daten intelligent genutzt werden können und wie Technologien wie KI, Automatisierung oder Plattformökonomie Geschäftsmodelle beeinflussen. Im Alltag bedeutet das: Mitarbeitende müssen nicht alles technisch durchdringen, aber sie müssen die Logik dahinter verstehen – und offen sein, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Welche Rolle spielen dabei die Unternehmen?
Unternehmen sind heute mehr denn je gefordert, eine Lernkultur zu etablieren. Die Halbwertszeit von Wissen nimmt rapide ab – was heute gelernt wird, ist morgen vielleicht schon veraltet. Das sehen wir zurzeit besonders deutlich beim Thema KI. Deshalb braucht es einen strukturierten, aber auch agilen Weiterbildungsansatz: mal ein Workshop, ein Besuch bei einem Stammtisch, mal ein digitales Selbstlernmodul, mal das Lernen im Team. Entscheidend ist: Das Unternehmen muss Weiterbildung als Teil der Strategie begreifen – nicht als „Nice to have“, sondern als Investition in die Zukunftsfähigkeit. Und dafür braucht es vor allem Zeit. Wer Lernen ernst meint, muss es im Arbeitsalltag auch ermöglichen und fördern – und gleichzeitig eine Kultur schaffen, in der Ausprobieren erlaubt ist und Fehler als Teil des Prozesses verstanden werden.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten „Future Skills“, auf die sich Unternehmen und ihre Mitarbeitenden einstellen sollten?
Future Skills umfassen heute mehr als technisches Know-how. Es braucht digitale Kompetenz, um Technologien nicht nur zu bedienen, sondern in ihrer Logik zu verstehen – mit all ihren Chancen und Grenzen. Ebenso wichtig ist ein souveräner Umgang mit Daten: Sie müssen eingeordnet, visualisiert und so genutzt werden, dass daraus strategische Entscheidungen entstehen. Und natürlich braucht es Veränderungskompetenz – die Fähigkeit, sich flexibel auf Neues einzulassen und Wandel aktiv mitzugestalten. Aber all das funktioniert nur im Team. Niemand bringt all diese Fähigkeiten im Alleingang mit. Umso entscheidender sind soziale und kommunikative Kompetenzen – sie verbinden das Fachliche, schaffen Vertrauen und ermöglichen Zusammenarbeit. Ich erlebe immer wieder: Die besten technischen Lösungen scheitern nicht an der Technik, sondern an einem fehlenden konstruktiven Austausch. Deshalb ist Kommunikation nicht nur Begleitmusik, sondern ein zentraler Teil jeder erfolgreichen Zukunftskompetenz.
Sie sprechen von Wandel – viele Mitarbeitende empnden dabei auch Überforderung. Wie kann man Ängste abbauen?
Veränderung darf nicht einfach „verordnet“ werden – sie muss erlebt und mitgestaltet werden können. Genau hier spielt Weiterbildung eine Schlüsselrolle: Sie befähigt nicht nur, sondern gibt Sicherheit und Orientierung. Wenn Mitarbeitende merken, dass sie nicht einfach funktionieren sollen, sondern aktiv an der Entwicklung beteiligt sind, verändert sich viel. Es braucht Angebote, die ernst nehmen, wo Menschen stehen – mit Zeit, mit Vertrauen und mit der Möglichkeit, im eigenen Tempo zu lernen. Ich glaube, wenn Menschen spüren, dass sie Teil des Prozesses sind, entsteht aus Unsicherheit oft Neugier – und genau das ist der Anfang von echter Veränderung.
Wie erleben Sie die Situation in unserer Region – sind die Unternehmen beim Thema digitale Kompetenzen gut aufgestellt?
Die Unternehmen in unserer Region sind beim Thema digitale Kompetenzen sehr unterschiedlich aufgestellt. Was wir im Digitalisierungs zentrum beobachten: Das Interesse ist da, die Offenheit wächst – aber oft fehlen Zeit, Orientierung oder eine konkrete Idee, wie man das Thema im Alltag angehen kann. Gerade das Thema KI hat viele wachgerüttelt und zeigt deutlich, wie stark digitale Kompetenzen inzwischen zur Schlüsselressource geworden sind. Wer hier dauerhaft Schritt halten will, muss Digitalisierung als lernenden, dynamischen Prozess verstehen – nicht als einmalige Umstellung.
Was raten Sie einem Unternehmer, der heute beginnt, seine Belegschaft digital weiterzubilden?
Beginnen Sie klein, aber strategisch. Identifizieren Sie Schlüsselpositionen, bei denen digitale Kompetenzen entscheidend sind – und bieten Sie gezielte Weiterbildungen an. Nutzen Sie dafür auch externe Partner: Bildungseinrichtungen, das Digitalisierungszentrum, die IHK und weitere Angebote, die in unserer Region verfügbar sind. Und: Machen Sie Lernen sichtbar. Wer intern über Lernerfolge spricht, schafft Motivation. Weiterbildung muss zum Teil der Unternehmenskultur werden.
Zum Abschluss: Wenn Sie in die nächsten fünf Jahre blicken – was wird sich im Bereich Weiterbildung verändern?
Weiterbildung wird in Zukunft viel flexibler, individueller und näher am Arbeitsalltag stattfinden. Wir werden wegkommen vom klassischen Kursdenken – hin zu kontinuierlichem Lernen in kleinen Einheiten, integriert in Prozesse, Projekte und Teams. Technologien wie KI und Learning-Plattformen machen es möglich, Inhalte besser zu personalisieren und direkt mit konkreten Aufgaben zu verknüpfen. Gleichzeitig wird die Lernkultur an Bedeutung gewinnen. Es wird nicht mehr nur darum gehen, was man lernt – sondern wie selbstverständlich Lernen im Unternehmen verankert ist. Betriebe, die dafür Raum schaffen und ihre Mitarbeitenden aktiv einbinden, werden in dieser Dynamik einen klaren Vorteil haben. So wird Weiterbildung zur Haltung, nicht zur Maßnahme. Wer neugierig bleibt, bleibt relevant – als Mensch und als Unternehmen.
Interview: Frank Stumm