Berufliche Bildung

Duale Ausbildung

Die berufliche Ausbildung im Dualen System ist eine wesentliche Säule für die Deckung des Fachkräftebedarfs im Deutschland und bietet jungen Menschen vielfältige Chancen und beeindruckende Karrieren.

Duale Berufsausbildung

Die Berufsausbildung erfolgt gemeinsam in Betrieb und Berufsschule, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber nicht in strikter Aufgabenteilung die Inhalte der jeweiligen Ausbildungsverordnung und der darauf abgestimmten Rahmenlehrpläne vermitteln. Das heißt, Schule ist nicht gleichzusetzen mit reiner Theorievermittlung, die Ausbildung im Betrieb umfasst mehr als nur die Praxis.
Berufsschule und Betrieb haben einen gemeinsamen Bildungsauftrag.
Die Auszubildenden sind in Teilzeitform an ein bis zwei Tagen pro Woche in der Berufsschule und an drei bis vier Tagen im Betrieb beziehungsweise bei Blockunterricht circa vier bis sechs Wochen in der Berufsschule und acht bis zwölf Wochen im Betrieb. Die Berufsschule bildet für die einzelnen Berufe jeweils Fachklassen – für schwach besetzte Berufe jeweils überregional – sofern genügend Auszubildende im jeweiligen Beruf an dieser Schule angemeldet wurden. 

Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlage für die betriebliche Ausbildung im Dualen System sind das Berufsbildungsgesetz (BBiG) und für die Ausbildung in einem Handwerksberuf die Handwerksordnung (HwO). Beide Gesetze regeln unter anderem
  • die Rechte und Pflichten der Ausbildungsbetriebe und der Auszubildenden,
  • den Berufsausbildungsvertrag, der in jedem Fall die individuelle Rechtsgrundlage eines Ausbildungsverhältnisses sein muss,
  • das System der anerkannten Ausbildungsberufe sowie
  • die Aufgaben der zuständigen Stellen, das heißt in der Regel der Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern (HWK) usw. 
Die Rechtsgrundlage des zweiten Lernortes, der Berufsschule, ist das Schulgesetz. Die hier wichtigste Bestimmung ist die Berufsschulpflicht: Jugendliche mit einem Ausbildungsvertrag, deren Ausbildung vor Ablauf des Schuljahres beginnt, in dem der Berufsschulpflichtige das 18. Lebensjahr vollendet, sind bis zum Abschluss der Ausbildung berufsschulpflichtig. Wer eine Ausbildung oder Umschulung nach Beendigung der Berufsschulpflicht beginnt, kann die Berufsschule bis zum Abschluss mit den Rechten und Pflichten eines Berufsschulpflichtigen besuchen. Darüber hinaus gibt es auch eine Berufsschulpflicht für Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. 
Diese Regelung beruht darauf, dass die betrieblichen Ausbildungsinhalte und die berufsschulischen Lehrpläne aufeinander abgestimmt sind, so dass der Verzicht auf den Berufsschulbesuch die Gesamtausbildung lückenhaft werden ließe. Überdies bestimmt das Berufsbildungsgesetz, dass auch der berufsbezogene Lehrstoff der Berufsschule Gegenstand der Abschlussprüfung ist. Die Berufsschule hat somit ihren festen Platz im Dualen System der beruflichen Bildung.

Standards für Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen

Für die Ausbildung im Betrieb sind in der Ausbildungsverordnung bundesweit verbindliche Mindeststandards festgelegt. In den Ausbildungsverordnungen sind unter anderem die Bezeichnung des Ausbildungsberufs, die Dauer der Ausbildung sowie die Fertigkeiten und Kenntnisse, die während der Ausbildung zu vermitteln sind, definiert.
Jeder Betrieb ist verpflichtet, die Ausbildung auf dieser Grundlage planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert durchzuführen.
Ausbildungsverordnungen werden im Bundesinstitut für Berufsbildung mit Sachverständigen von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite entwickelt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erlassen. Die Ausbildung in der Berufsschule erfolgt auf der Grundlage des Rahmenlehrplans der Kultusministerkonferenz der Länder.
Die Ausbildungsverordnung legt fest, dass in der Berufsausbildung sowohl eine breit angelegte berufliche Grundbildung als auch die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse (berufliche Fachbildung) vermittelt werden müssen. Die Berufsausbildung hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (Paragraf 1 Absatz 3 Berufsbildungsgesetz).
Die Ausbildungsvorschriften für die beiden Lernorte des Dualen Systems werden parallel entwickelt und inhaltlich aufeinander abgestimmt.
Berufsausbildung und Berufstätigkeit sind eine wichtige Grundlage für die berufliche Fortbildung und das lebenslange Lernen. Die Berufsausbildung im Dualen System ist ein wesentlicher Zugangsweg zu den rund 30.000 Berufstätigkeiten, die das Statistische Bundesamt gezählt hat.

Die Rolle des Ausbildungsbetriebs

Charakteristisches Merkmal der Ausbildung ist der mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten verbundene Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Ausbildung unter denselben Bedingungen abläuft, unter denen der erlernte Beruf später auch ausgeübt wird.
Nur im Betrieb lernt der Auszubildende einerseits den wechselnden Anforderungen der betrieblichen Praxis gerecht zu werden und andererseits erfährt er, welche vielfältigen sozialen Beziehungen in der Arbeitswelt bestehen. Darüber hinaus werden Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein gefördert, weil der Auszubildende die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten an konkreten Arbeitsaufgaben und unter den Bedingungen der Arbeitswirklichkeit unter Beweis stellen kann und den Erfolg seiner Anstrengungen selbst erlebt.

Die Rolle der Berufsschule

Fachtheorie und Allgemeinbildung werden in der Berufsschule vermittelt. Auf diese Weise wird die betriebliche Ausbildung ergänzt und die Allgemeinbildung vertieft und erweitert.
Etwa zwei Drittel des Unterrichts entfallen auf die Fachbildung, ein Drittel auf die Allgemeinbildung. Der Unterricht umfasst insgesamt mindestens zwölf Wochenstunden. Dabei gelten für den berufsübergreifenden Teil der jeweilige Lehrplan und die Stundentafeln des jeweiligen Landes.
Der berufsbezogene Teil richtet sich nach den Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz, die nach dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Verfahren mit den entsprechenden Ausbildungsverordnungen abgestimmt sind. Neuere Rahmenlehrpläne sind nach Lernfeldern gegliedert. Lernfelder sind Unterrichtseinheiten, die sich aus den hauptsächlichen Aufgaben eines Berufs ableiten. Mit diesem Konzept orientiert sich der berufsschulische Teil der Ausbildung an betrieblichen Prozessen und damit an komplexen Aufgabenstellungen. Der berufsübergreifende Unterricht besteht zum Beispiel aus den Inhalten der Fächer Sozialkunde, Wirtschaftskunde, Deutsch, Fremdsprache, Religion und Sport. Er wird in unterschiedlicher Weise eng mit den berufsbezogenen Inhalten verbunden.

Ausbildungsgründe der Betriebe

Für die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben gibt es eine Vielzahl guter Gründe. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BBIB) führt regelmäßig Studien zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung durch.
Neben den Erträgen, die die Auszubildenden während der Ausbildung erwirtschaften und den Einsparungen bei den Personalgewinnungskosten, bietet die Ausbildung für Betriebe noch zahlreiche weitere Vorteile. So können ausbildende Betriebe die Risiken einer Stellenvakanz oder einer Fehlbesetzung durch die Übernahme von Ausbildungsabsolventen und Ausbildungsabsolventinnen verringern. Die Ausbildung kann auch – unter Berücksichtigung der bestehenden Ausbildungsordnungen – an betriebsspezifische Bedürfnisse angepasst werden. Ausbildung kann ein besseres Image bei (potenziellen) Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Lieferantinnen und in der Öffentlichkeit bewirken, aus das zum Beispiel leistungsfähige Fachkräfte auf dem externen Arbeitsmarkt ansprechen. Anzuführen sind auch soziale Aspekte.

Betreuung und Überwachung der Ausbildung durch die IHKs

Eine der wichtigsten Aufgaben der IHK ist die Beratung der Ausbildungsbetriebe über alle im Zusammenhang mit der Berufsausbildung stehenden Probleme, zum Beispiel die in Frage kommenden Ausbildungsberufe, die Gestaltung der Ausbildung, den Einsatz von Ausbildungsmitteln sowie pädagogische, psychologische und rechtliche Fragen. Auch die Auszubildenden werden durch die IHK beraten.
Jeder Betrieb, der ausbilden will, muss bestimmte Anforderungen im Hinblick auf die Eignung für diese Aufgabe erfüllen.
So müssen im Betrieb von Einrichtung, Produktionsprogramm oder Dienstleistungsangebot her die Voraussetzungen für die Vermittlung der vorgeschriebenen Kenntnisse und Fertigkeiten gegeben sein.
Ebenso müssen der Ausbildende und die Ausbilder bestimmte Anforderungen in persönlicher, beruflicher und berufs- und arbeitspädagogischer Hinsicht erfüllen. Das Vorliegen dieser Voraussetzun­gen wird von der IHK vor Aufnahme der Ausbildung und auch während der Ausbildung laufend überprüft. Grundlage dafür ist das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse, das von den IHKs geführt wird und in dem jeder abgeschlossene Ausbildungsvertrag registriert sein muss. Die Betreuung und Überwachung der Ausbildungsbetriebe obliegt besonders hierfür eingesetzten IHK-Mitarbeitern, den Ausbildungsberatern.

Prüfungen in der Berufsausbildung

Sinn und Zweck von Prüfungen in der beruflichen Ausbildung

Prüfungen in der beruflichen Ausbildung haben eine wesentliche Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Für die Unternehmen sind sie eine Hilfe bei der Feststellung, ob der Bewerber über die für den zu besetzenden Arbeitsplatz erforderlichen Qualifikationen verfügt. Dem Bewerber ermöglichen sie den Nachweis seiner erworbenen Qualifikationen und damit seiner Eignung.
Dabei schreibt das Berufsbildungsgesetz vor, dass jeder Auszubildende während der Berufsausbildung eine Zwischenprüfung/Abschlussprüfung Teil 1 und am Ende der Berufsausbildung eine Abschlussprüfung abzulegen hat.
Seit August 2002 gibt es in einzelnen Berufen eine so genannte gestreckte Abschlussprüfung. Diese besteht aus zwei Teilen, die zeitlich voneinander getrennt sind. Anstelle der Zwischenprüfung nach Paragraf 48 BBiG wird nach einem Zeitraum vor Ende des zweiten Ausbildungsjahres Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung abgelegt. Teil 2 der gestreckten Abschlussprüfung erfolgt gegen Ende der Ausbildungszeit. Beide Teile gemeinsam ergeben das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung.
In der beruflichen Ausbildung ist die überregionale Abschlussprüfung auf Basis der bundesweit geltenden Ausbildungsverordnungen seit vielen Jahrzehnten üblich.
Zwar rangiert das IHK-Abschlusszeugnis als Informationsquelle bei der Neueinstellung von Mitarbeitern nach einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung nur an dritter Stelle nach dem Vorstellungsgespräch und dem Ausbildungszeugnis des Betriebs. Diese Einordnung vernachlässigt jedoch die Tatsache, dass in vielen Fällen die Mehrzahl der Bewerber gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, sofern das IHK-Abschlusszeugnis nicht den Anforderungen entspricht.
Dies bedeutet insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass Fachkräfte immer stärker bundesweit gesucht sind und die Anforderungen an Flexibilität und Mobilität der Berufsanfänger immer stärker steigen, dass ein bundesweit vergleichbarer Berufsabschluss auf Basis einer bundesweit gültigen Ausbildungsverordnung einen hohen Stellenwert einnimmt.
Deshalb verwundert es nicht, dass Prüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz, also die beruflichen Abschlussprüfungen der Industrie- und Handelskammern, am stärksten im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses der Wirtschaft und insbesondere der Gewerkschaften als auch der Auszubildenden sind und die Diskussion über die angemessene Gestaltung von Prüfungen hier am intensivsten geführt wird.

Tendenzen im Prüfungswesen

Seit Jahren hält die Diskussion über grundlegende strukturelle Reformen im Prüfungswesen an. Das heißt, es entstehen in neuen und neu geordneten Ausbildungsberufen immer neue Prüfungsmethoden und Aufgabenarten.
Bei allen neuen und neu geordneten Ausbildungsberufen steht die berufliche Handlungs- und Prozesskompetenz als gleichwertiges Ausbildungsziel neben der Fachqualifikation. Außerdem eröffnen neue Ausbildungsverordnungen immer größere Spielräume für eine flexible und praxisnahe Gestaltung des Ausbildungsprozesses.
Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen sowohl an die Vermittlung der Kenntnisse und Fertigkeiten als auch an die Gestaltung der Prüfungen.
War früher in den meisten Ausbildungsverordnungen die strikte Trennung in eine praktische und eine schriftliche Prüfung und damit auch die Aufgabenteilung von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule klar definiert, so nehmen die integrativen Ansätze in den Ausbildungsverordnungen zu, das heißt der thematische Bezug zwischen dem praktischen und theoretischen Tun.
Ganzheitliche Prüfungsaufgaben und Prüfungsverfahren, mit denen versucht wird, vollständige berufliche Handlungen und Prozesse abzubilden, kennzeichnen somit die aktuellen Entwicklungen bei Prüfungsaufgaben im beruflichen Ausbildungsbereich.
Diese stellen eine neue Art von Prüfungsaufgaben dar. Den unterschiedlichen Varianten ist dabei gemeinsam, dass sie sich auf komplexe Sachverhalte beziehen, zu deren Bearbeitung theoretisches und praktisches Wissen aus unterschiedlichen Gebieten heranzuziehen ist. Damit soll zum einen eine größere Übereinstimmung zwischen Berufspraxis und Prüfung erreicht werden. Zum anderen erwartet man auf diese Weise Prüfungsergebnisse zu erhalten, die bessere Aussagen über die berufliche Handlungskompetenz zulassen. als dies mit anderen Methoden möglich ist.
Das bedeutet, dass bei der Entwicklung der Prüfungsaufgaben und bei der Durchführung der Prüfungen sowohl die Wirtschaft, das heißt die betriebliche Praxis durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeauftragte als auch das staatliche Bildungssystem durch Lehrer der berufsbildenden Schulen vertreten sind.
Somit treffen hier gesellschaftliche, wirtschaftliche und pädagogische Vorstellungen, Ansprüche und Erwartungen unmittelbar im Sinne der Ganzheitlichkeit aufeinander. In allen anderen Prüfungen bleiben zumeist die Vertreter des schulischen Bildungssystems auf Länderebene größtenteils autark.

Zuständigkeit für die Abnahme der Zwischen- und Abschlussprüfungen

Sowohl Zwischen- als auch Abschlussprüfungen sind IHK-Prüfungen, liegen also gemäß Berufsbildungsgesetz in der Zuständigkeit der zuständigen Stellen.
Die Berufsschulen sind durch die Mitgliedschaft ihrer Lehrer in den Prüfungsausschüssen der zuständigen Stellen an den Prüfungen beteiligt.

Besonderheit Baden-Württemberg:

In Baden-Württemberg gibt es zwischen dem Kultusministerium und den IHKs eine „Vereinbarung über die gemeinsame Durchführung des schriftlichen Teils“ der Schulabschlussprüfung und der Abschlussprüfung in anerkannten Ausbildungsberufen gemäß Paragraf 37 BBiG. Dabei werden für die schriftliche Abschlussprüfung gemeinsame Prüfungsaufgaben gestellt.
Den Prüfungsaufgaben sind der in der Berufsschule vermittelte Lernstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist, sowie die Ausbildungsverordnung zugrunde zu legen. Diese gemeinsamen Prüfungsaufgaben werden von Fachausschüssen erarbeitet, die sich gemäß Paragraf 40 Abs. 2 BBiG aus Beauftragten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in gleicher Zahl sowie zusätzlich Lehrern zusammensetzen, dass diese die Hälfte der Mitglieder stellen. Um die Arbeit der Fachausschüsse zu koordinieren, ein einheitliches Prüfungsniveau sicherzustellen und die Prüfungsmethoden der Entwicklung in den einzelnen Berufen und Berufsgruppen anzupassen, wird für die gewerblichen und kaufmännischen Ausbildungsberufe jeweils eine gemeinsame Kommission gebildet. Die Kommissionen legen fest, für welche Berufe oder Berufsgruppen landeseinheitliche Prüfungsaufgaben erstellt werden. Zugleich erarbeiten sie Empfehlungen für die Tätigkeit der Fachausschüsse. Den beiden Kommissionen gehören Beauftragte des Kultusministeriums, der Oberschulämter, der jeweiligen IHKs und der Gewerkschaften des Landes an.
Schriftliche Abschlussprüfungen werden in der Regel zweimal jährlich durchgeführt, gegen Jahresmitte und Jahresende. Die organisatorische Abwicklung erfolgt durch die Leitung der zuständigen Berufsschule im Benehmen mit der zuständigen IHK. Die Korrekturen der schriftlichen Abschlussprüfungen werden von den Lehrern an den Berufsschulen vorgenommen. Diese übermitteln der zuständigen IHK die ermittelten Noten als gutachtliche Stellungnahme. Die abschließende Bewertung der Prüfungsleistungen bleibt allerdings den bei den IHKs errichteten Prüfungsausschüssen vorbehalten. Dort erfolgt auch die Abnahme der mündlichen und gegebenenfalls praktischen Prüfungen.
Die Berufsschüler erhalten von der Berufsschule ein Abschlusszeugnis oder (bei ungenügenden Leistungen) ein Abgangszeugnis auf der Grundlage kontinuierlicher Leistungsfeststellungen.
Das durch den Prüfungsausschuss ermittelte Ergebnis der schriftlichen Abschlussprüfung und die Ergebnisse der mündlichen und gegebenenfalls praktischen Prüfungsteile bilden das IHK-Zeugnis.

Entwicklung von überregionalen Prüfungsaufgaben am Beispiel der gewerblich-technischen Ausbildungsberufe

Die dargestellte „Vereinbarung über die gemeinsame Durchführung des schriftlichen Teils“ der Schulabschlussprüfung und der Abschlussprüfung in anerkannten Ausbildungsberufen gemäß Paragraf 37 BBiG zwischen dem Kultusministerium und den IHKs gibt es bundesweit nur in Baden-Württemberg.
Das heißt, dass es neben der Entwicklung von Prüfungsaufgaben für die schriftlichen Abschlussprüfungen in Baden-Württemberg über die Fachausschüsse zentrale Einrichtungen der IHK-Organisation für die Entwicklung von überregionalen Prüfungsaufgaben gibt. Für die gewerblich-technischen Ausbildungsberufe ist dies beispielsweise die PAL – Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle der IHK Region Stuttgart.
In Baden-Württemberg werden im gewerblich-technischen Bereich PAL-Prüfungsaufgaben nicht nur im praktischen Teil der Zwischen- und Abschlussprüfungen eingesetzt, sondern auch im schriftlichen Teil der Zwischenprüfung, in Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung und für einzelne Berufe in den bisherigen Abschlussprüfungen.

Entwicklung der Aufgaben durch die PAL und ihrer Fachausschüsse

Ein wichtiger Punkt in der Prüfungsaufgabenerstellung der PAL ist die Einbindung aller an der Ausbildung Beteiligten, so dass sich auch hier widerspiegelt, dass die betrieblichen Abschlussprüfungen an der Schnittstelle von Bildungs- und Beschäftigungssystem stehen. 
Zur Entwicklung und Verabschiedung von Prüfungsaufgaben errichtet die PAL Fachausschüsse, die in der Regel aus neun Mitgliedern bestehen. Analog zu Paragraf 40 BBiG über die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse beträgt die Mitgliederzahl der Fachausschüsse mindestens drei und höchstens zwölf Mitglieder. Jedem Fachausschuss gehören – in gleicher Anzahl – Beauftragte der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Lehrer der berufsbildenden Schulen an. 
Die Mitglieder der PAL-Fachausschüsse müssen für die Prüfungsgebiete ihres Aufgabenfeldes sachkundig und als Prüfer in einem regionalen Prüfungsausschuss berufen sein. Die Mitarbeit in den Fachausschüssen erfolgt ehrenamtlich.
Die länderbezogene Verteilung der jeweiligen Fachausschuss-Sitze, das heißt der Anteil der Mitglieder eines Fachausschusses aus dem einzelnen Bundesland, orientiert sich an der Anzahl der im jeweiligen Ausbildungsberuf je Bundesland eingetragenen Berufsausbildungsverhältnisse.
Die Beauftragten der Arbeitgeber und die Lehrer der berufsbildenden Schulen werden von den IHK-Ländervertretungen, die Beauftragten der Arbeitnehmer von den Gewerkschaften vorgeschlagen.

Hauptaufgaben der PAL-Fachausschüsse:

  • Umsetzung der Prüfungsvorschriften der Ausbildungsverordnungen
  • Auswahl, Entwicklung und Entwurf von Prüfungsaufgaben für Zwischen- und Abschlussprüfungen, dabei Festlegung der Breite und Tiefe der Prüfungen in den einzelnen beruflichen Qualifikationen
  • Kritische Durchsicht von Aufgabenentwürfen und mehrfache (in der Regel mindestens zwei- bis dreifache) Erprobung oder Nachbau von Prüfungen mit dem Ziel, die Durchführbarkeit der Prüfungen zu gewährleisten (Qualitätssicherung)
  • Verabschiedung von Prüfungsaufgaben
  • Auswertung von statistischen Prüfungsergebnissen und Stellungnahmen zu Prüfun­gen mit dem Ziel der Optimierung zukünftiger Prüfungen (Qualitätsoptimierung).
Die hauptberuflich tätigen PAL-Projektmanager organisieren die Aufgabenentwicklung, erstellen redaktionell die erforderlichen Prüfungsunterlagen, arbeiten den Fachausschüssen zu und sorgen für den notwendigen Prüfungsservice, den die Prüfungsbetriebe und Kammern erwarten.

Entwicklung der Prüfungsaufgabensätze

Für die Aufgaben der praktischen Prüfung entwickeln die PAL-Fachausschüsse für jede Prüfung innerhalb eines Berufs bzw. einer Fachrichtung neue Aufgaben, so dass die Prüflinge in jeder Prüfung vor neue praxisgerechte Situationen gestellt werden. Auch die ungebundenen Aufgaben in den Projekten der schriftlichen Prüfungen werden für jede Prüfung größtenteils neu entwickelt.
Lediglich bei der Zusammenstellung der Unterlagen für den gebundenen Teil der schriftlichen Prüfungen schöpfen die Fachausschüsse zu einem gewissen Teil aus dem Fundus vorhandener Aufgaben, der laufend aktualisiert und erweitert wird.

PDCA-Zyklus der Prüfungsaufgabenerstellung

In einem kontinuierlichen Kreislauf der Prüfungsaufgabenerstellung von Beginn einer Neuordnung bis zum Außerkrafttreten der Verordnung sind die Meilensteine definiert, die für Qualitätserstellung,
-sicherung und -optimierung der PAL-Arbeit entscheidend sind (für eine vergrößerte Ansicht bitte auf die Lupe rechts unter dem Bild klicken).

Prüfungsausschüsse

Die zuständige Stelle für Berufsbildung ist verpflichtet, für die Abnahme von Zwischen- und Abschlussprüfungen, die für alle anerkannten Ausbildungsberufe zwingend vorgeschrieben sind, Prüfungsausschüsse zu errichten.
Der Prüfungsausschuss ist ein Organ der IHK. Er wird zur verantwortlichen Ermittlung und Bewertung der Prüfungsleistungen errichtet. Ausnahmsweise entscheidet er auch über die Prüfungszulassung, wenn die IHK die Zulassungsvoraussetzungen nicht für gegeben hält.
Es sind grundsätzlich so viele Prüfungsausschüsse zu errichten, dass alle Prüfungsbewerber, die aus dem fachlichen und räumlichen Zuständigkeitsbereich der IHK kommen, in den anerkannten Ausbildungsberufen geprüft werden können. Der Begriff „errichten“ umfasst die Festlegung eines Ausschusses für einen bestimmten Ausbildungsberuf, die Festlegung der Ausschussgröße und seine paritätische Besetzung sowie die rechtzeitige Berufung der Ausschussmitglieder.
Ein Prüfungsausschuss besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Die Mitglieder müssen für die Prüfungsgebiete sachkundig und für die Mitwirkung im Prüfungswesen geeignet sein. Dem Prüfungsausschuss müssen als Mitglieder Beauftragte der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in gleicher Anzahl sowie mindestens ein Lehrer angehören. Die Mitglieder haben Stellvertreter.

Beispielhafter Ablauf einer Abschlussprüfung

Die Abwicklung der Abschlussprüfungen durch die IHK Region Stuttgart erfolgt nach folgendem Schema:
  • Abstimmung der schriftlichen Prüfungstermine mit den IHKs in Baden-Württemberg und mit dem Kultusministerium
  • Bekanntgabe des Anmeldeschlusstermins und der Prüfungstermine im Magazin Wirtschaft, herausgegeben von der IHK Region Stuttgart
  • Ermitteln der zur Prüfung anstehenden Auszubildenden aus dem „Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse“
  • Versand der Anmeldeformulare an Ausbildungsbetriebe mit Hinweisen auf Anmeldeschlusstermine
  • Registrierung der laufend eingehenden Anmeldungen bis zu den Anmeldeschlussterminen
  • Überprüfung der Anmeldungen auf Vollständigkeit und Zulassung der Bewerber, die die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen
  • Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Zulassung in den Fällen, in denen die IHK nicht positiv entscheiden konnte
  • Gemeinsame Beratung der bevorstehenden Prüfung zwischen zuständiger Stelle und Prüfungsausschuss, unter Umständen: Aufsichtsführung bei schriftlicher Prüfung, Vereinbarung von Korrekturen und Umlauf der schriftlichen Arbeiten im Prüfungsausschuss
  • Organisation der Prüfungsdurchführung und Absichern der Maßnahmen, zum Beispiel Räume und Aufsichten bestellen, Prüflinge in Gruppen aufteilen
  • Bestellung der überregional erstellten Prüfungsaufgaben
  • Einladung der Prüflinge zur schriftlichen Prüfung
  • Durchführung der schriftlichen Prüfung
  • Anfertigung einer Niederschrift über die Aufsicht bei der schriftlichen Prüfung
  • Vorkorrektur der schriftlichen Prüfungsarbeiten durch die Lehrer an beruflichen Schulen
  • Nach Rücklauf der vorzensierten Arbeiten: Festellen des Prüfungsergebnisses durch die Mitglieder der Prüfungsausschüsse
  • Entwicklung eines Organisationsplans für die Durchführung der praktischen Prüfung
  • Einladung der Mitglieder der Prüfungsausschüsse zur praktischen Prüfung
  • Einladung der Prüflinge zur praktischen Prüfung; dabei Mitteilung schriftlicher Vornoten unter ausdrücklichem Vorbehalt (Ausschluss der Rechtsverbindlichkeit), da die endgültigen Noten vom gesamten Prüfungsausschuss festgestellt werden
  • Durchführung der praktischen Prüfung mit Ermittlung und Festlegung der Teil- und Gesamtergebnisse, Beschlussfassung, Erstellung der Niederschrift sowie Aushändigung der Bescheinigungen über das Ergebnis der Prüfung
  • Aufbereitung der Prüfungsergebnisse und Eingabe in die Datenverarbeitung
  • Ausfertigung und Versand der Zeugnisse bei bestandener Prüfung bzw. der Bescheide über die nicht bestandene Prüfung (mit Rechtsbehelfsbelehrung).

Entwicklungstendenzen

Die duale Berufsausbildung steht in den kommenden Jahren im Hinblick auf Strukturwandel und demographische Veränderungen vor großen Herausforderungen. Immer mehr können betriebliche Ausbildungsplätze mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt werden. Die Sicherung des Fachkräftenachwuchses rückt für die Betriebe immer stärker in den Vordergrund.
Gleichzeitig wird es für die Unternehmen immer schwieriger, Reparaturaufgaben für Defizite der allgemein bildenden Schulen zu übernehmen. Daher sind schnelle und nachhaltige Erfolge bei der Verbesserung der Ausbildungsreife in den nächsten Jahren ein entscheidender Faktor, ob der Fachkräftebedarf der Wirtschaft mittel- und längerfristig gedeckt werden kann.
Zudem gilt es, das Nachwuchspotenzial im Hinblick auf sinkende Bewerberzahlen noch umfassender auszuschöpfen. Bewerbermarketing und Eignungsfeststellung sind daher zentrale Themen für Ausbildungsbetriebe.
Für die Attraktivität der dualen Ausbildung ist es darüber hinaus wichtig, die berufliche Weiterbildung weiter auszubauen. Die Perspektiven beruflicher Fortbildungsabschlüsse und die neuen Fortbildungsstufen wie "Bachelor Professional” und “Master Professional” sind im öffentlichen Bewusstsein noch stärker bekannt zu machen. Mehr Durchlässigkeit zwischen Bildungs- und Berufsbildungssystem ist notwendig, um die Bildungschancen für den Einzelnen umfassend zu nutzen und die Bildungs- und Leistungspotenziale auszuschöpfen. Die engere Vernetzung von Bildungs- und Hochschulsystem und die stärkere Öffnung für Berufsbildungsabsolventen müssen weiter vorangetrieben werden.