Pressemitteilung vom 5. Februar 2024

Paal: Die als „Bürokratieabbau“ getarnten Vorschläge zur Annahme der EU-Lieferkettenrichtlinie sind Augenwischerei

Zumeldung zur Uneinigkeit der Ampel-Koalition über Zustimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie

Zu Medienberichten, wonach  innerhalb der Ampelkoalition die Blockade der deutschen Zustimmung zum geplanten Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel an diesem Freitag mit einem „Entlastungspaket“ abgewendet werden soll, erklärt der Präsident der IHK Region Stuttgart, Claus Paal:
  • „Die als Bürokratieabbau getarnten Vorschläge für die Kabinettskollegen zur EU-Lieferkettenrichtlinie sind Augenwischerei, welche die Lage von direkt und indirekt betroffenen Unternehmen nicht merklich verbessern. Die Bundesregierung darf der EU-Richtlinie in der jetzigen Form nicht zustimmen. Die Richtlinie muss komplett neu auf den Prüfstand, denn hier entstehen in bester Absicht Bürokratieberge für große wie kleine Unternehmen, die sie einfach nicht mehr bewältigen können. Auch das neue deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz muss nachgebessert werden, da es bereits heute in der Praxis längst alle Unternehmen betrifft und lähmt.“
  • „Der Vorschlag, dass man die deutschen Unternehmen entlasten könne, wenn sie in diesem Jahr nicht mehr über das Geschäftsjahr 2023 für das deutsche Lieferkettengesetz berichten müssten, sondern erst ab 2025 nach dem EU-Gesetz, bringt den Unternehmen nichts. Die meisten direkt und indirekt betroffenen Unternehmen sind bereits mitten in der Vorbereitung ihres Berichts für das Jahr 2023. Kein Unternehmen wird das jetzt abbrechen und seine Dokumentations- und Berichtsmechanismen auf Eis legen, nur um im nächsten Jahr ganz von vorne anzufangen!“
  • „Als „Entlastung“ soll in dem Eckpunktepapier versprochen werden, keine Übererfüllung der Richtlinie bei der späteren Übernahme in deutsches Recht vorzunehmen. Das ist bei den enorm hohen Anforderungen der Richtlinie und dem Widerstand aus der Wirtschaft kein Trost, sondern eher schon ein Witz? Außerdem – kann sich die Wirtschaft darauf verlassen?“
  • „Entlastende Vorschriften aus der EU-Richtlinie sollen – im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz - bereits jetzt vorgezogen werden können, das klingt zunächst auch gut“, so Paal. „Allerdings geht es hier darum, dass zum Beispiel Rohstoffe und Vorprodukte aus anderen EU-Staaten weniger kontrolliert werden müssen. Hier sollten eigentlich Kontrollen komplett entfallen zur Entlastung der Unternehmen. Und auf der anderen Seite ist der Vorschlag kritisch, denn die hohen Bürokratiebelastungen bleiben bei den kleineren Risikoländern ja auch stehen! Das erschwert den Unternehmen die dringend empfohlenen Diversifizierungen ihrer Lieferketten – um die Abhängigkeit Deutschlands von handelspolitisch problematischen großen Handelspartnern reduzieren.“
  • „Menschenrechte, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und sichere Lieferketten sind Ziele, hinter denen auch die Wirtschaft steht. Viele Unternehmen haben dazu längst freiwillige Maßnahmen zur Einhaltung von Mindeststandards in ihren Lieferketten ergriffen. Letztlich sind Menschenrechts- und Umweltstandards Staatsaufgabe. Dieser sollte Anreize setzen und Transparenz schaffen. Nicht aber alles auf die Unternehmen abwälzen und der bürokratische Aufwand muss sinken – nicht noch steigen. Von der vielfach geforderten One-in-one-out-Regel sind wir mittlerweile Lichtjahre entfernt. Die EU, als ein Urheber von Bürokratieaufwuchs, hat jetzt das Verhältnis Four-in-one-out erreicht. Die Unternehmen können das nicht mehr leisten.“