Gemeinsame Pressemitteilung vom 22. Juni 2023

BWIHK und Handwerk BW: Außerbetriebliche Ausbildung nur im Ausnahmefall

BWIHK-Vizepräsidentin Breuning: Zwangsumlage ist Hindernis für die Ausbildung
Handwerk BW-Präsident Rainer Reichhold: Verbesserung der Bildungsqualität muss verstärkt in den Fokus

Am 22. Juni soll im Bundestag das Weiterbildungsgesetz beschlossen werden. Dieses setzt aus Sicht von Handwerk BW und des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) mit einem verstärkten Anspruch auf außerbetriebliche Ausbildung an der falschen Stelle an, um Fachkräfte für die Unternehmen und gute Berufschancen für junge Menschen zu sichern. Denn den Betrieben fehlen massiv Bewerberinnen und Bewerber.
Laut Regionaldirektion kommen in Baden-Württemberg derzeit auf 100 Ausbil-dungsplätze etwa 62 Bewerberinnen und Bewerber (Stand Mai 2023). In nahezu allen Branchen fehlen ausreichend junge Menschen, die diese freien Ausbil-dungsplätze belegen könnten. „Die Vermittlung in eine betriebliche Ausbildung muss ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Der Weg der außerbetrieblichen Ausbildung, wie es das Gesetz vorsieht, darf allenfalls Ultima Ratio sein,“ fordert BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning. „Wir müssen stattdessen alles tun, um junge Menschen für die duale Ausbildung zu begeistern und sie zu motivieren, sich zu bewerben.“
Handwerk BW-Präsident Rainer Reichhold fügt hinzu: „Die Politik sollte sich be-sonders intensiv mit dem Rückgang der Bildungsqualität und der ungenügenden Berufsorientierung befassen. Unsere Betriebe engagieren sich zwar sehr, aber sie können nicht ausgleichen, was in den allgemeinbildenden Schulen und möglich-erweise im Elternhaus schiefläuft. Zugangsmöglichkeiten in eine Ausbildung gibt es genügend – die müssen aber wahrgenommen werden.“
Wichtig ist für die Verbände auch, dass der Anspruch auf außerbetriebliche Ausbildung nur für solche Regionen gilt, in denen es deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber gibt als betriebliche Ausbildungsstellen. „Pauschal Garantien auszustellen, fördert nicht die Eigenständigkeit und den Lernbereitschaft junger Menschen. Ein Anspruch darf nur dann greifen, wenn mehrfache Bewerbungen um eine betriebliche Ausbildung nachweislich erfolglos geblieben sind und auch eine Einstiegsqualifizierung nicht möglich ist“, sind sich Breuning und Reichhold einig. Ebenso wichtig sei eine Verständigung vor Ort über Zahl und Auswahl der Ausbildungsberufe für außerbetriebliche Angebote, in die dringend die Verbände einbezogen werden müssen. Denn junge Menschen sollten auch außerbetrieblich nur solche Ausbildungen absolvieren, für die grundsätzlich ein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht. Reichhold: „Das Land hat mit dem seit einigen Jahren im Ausbildungsbündnis Baden-Württemberg entwickelten Reformmodell Ausbildungsvorbereitung dual (AV dual) ein hervorragendes Instrument geschaffen, um mehr Jugendlichen den direkten Übergang von der Schule in eine Ausbildung zu ermöglichen. Dieses könnte Vorbild auch für andere Bundesländer sein, anstatt neue praxisferne außerschulische Modelle zu schaffen.“
Auch die kürzlich vom DGB für Baden-Württemberg geforderte Debatte über einen Ausbildungsfonds sei aus Sicht der Verbände wohl kaum zielführend. „Wenn Ausbildungsbetriebe über einen längeren Zeitraum keine Bewerber mehr finden, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich aus der Ausbildung zurückziehen. Dass man sie dann auch noch eine Zwangsabgabe zahlen lassen will, ist nicht nachvollziehbar. Diese weitere Belastung würde das Ausbildungsengagement gerade kleinerer und mittlerer Betriebe schwächen“, ärgert sich Breuning. „Wir bräuchten mittlerweile eher eine Bewerbergarantie für die Betriebe, um die offen bleibenden Lehrstellen zu besetzen,“ ergänzt Reichhold. Im Weiterbildungsgesetz werde sinnvollerweise ausdrücklich von einer branchenübergreifenden Umlage zur Finanzierung der bundesweiten Ausbildungsgarantie Abstand genommen, so Breuning: „Das ist ein wichtiges Signal“.