Was wurde aus...

Wie es unseren Startups von 2021 heute geht

Was aus unseren Startups wurde 2021 – das Jahr stand ganz im Zeichen von Corona und den damit verbundenen Restriktionen. Umso mutiger, in einem solchen Umfeld ein Unternehmen zu gründen! Nach zwei Jahren wollten wir sehen, was aus den Wünschen, Plänen und Hoffnungen geworden ist. (Die Originalgeschichten finden Sie hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 4670 KB))

Foodiary: Erfolg mit digitaler Ernährungsberatung

Zum Beispiel Felix Mergenthaler. Mit gleich drei Unternehmen war er an den Start gegangen, als wir ihn im Januar vorstellten: einem Coworking-Space in Waiblingen und den beiden digitalen Ideen „Greenline“ und „Foodiary“. Selbst für einen Hans in Dampf in allen Gassen wie ihn war das dann doch ein bisschen viel. Deswegen hat er mittlerweile den Coworking-Space wieder verkauft und Greenline eingestellt. Dafür wächst und gedeiht Foodiary. Grundgedanke dieser ­Ernährungsberater-App ist es mit einer ­Mischung aus standardisierter Technik und persönlicher Beratung die Ernährungs­gewohnheiten der Kunden zu optimieren: „Wir haben zur Zeit 60 Ernährungsberater an Bord und weitere 1200 Bewerbungen vor­liegen“, erzählt er stolz.
Wir haben zur Zeit 60 Ernährungsberater an Bord und weitere 1200 Bewerbungen vor­liegen

Felix Mergenthaler

17 Leute arbeiten nun für Foodiary, eine erste Unterstützung seitens eines befreundeten Business Angels brachte die nötige Anschubfinanzierung. Gerade steht eine zweite Tranche im höheren Millionenbereich im Raum. „Aber eigentlich brauchen wir das nicht, weil wir gut verdienen und weil wir Schritt für Schritt langsam wachsen“, erklärt der 30-Jährige. Einen weiteren Schub erhofft er sich von der Krankenkassenzulassung der App, die er demnächst erwartet.
Trotz des Erfolges, der junge Mann lebt immer noch mit so wenig Besitz wie möglich, damit er jederzeit umziehen kann. Und der Traum von der Gründung eines lebens­werten Altersheims? „Der ist noch dringender geworden, seit ich meinen Opa in einem normalen Altersheim besucht habe.“

Made in Germany war dem Staat zu teuer

Portrait Leipold
Kathrin Leipold hatte in Welzheim die BLF Protection GmbH gegründet, um Masken "made in Germany" zu produzieren. © Leipold
Kathrin Lepold, ihren Mann Holger, Ralf Bauer und Ermin Fazlic brachte die Pandemie auf die Idee, Masken „made in Germany“ zu produzieren. Schließlich hatten sich Politiker überboten in der Idee, man müsse vom Import unabhängig sein, und auch die Qualität und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Sie gründeten die die BLF Protection GmbH in Welzheim. Doch bald folgte die Ernüchterung: Bei öffentlichen Ausschreibungen war ausschließlich der Preis relevant. „Für das, was chinesische Ware kostete, konnten wir nicht einmal das Material bezahlen. Qualität, Geruch, Nachhaltigkeit, das hätte man in der Ausschreibung durchaus als Kriterien mit gewichten können, hat man aber nicht“, erinnert sich Kathrin Lepold.
Für das, was chinesische Ware kostete, konnten wir nicht einmal das Material bezahlen

Kathrin Lepold

Die Maschinen, mit denen die BLF Masken produzieren wollte, sind inzwischen verkauft oder gar verschrottet, das Unternehmen seit Januar 2022 liquidiert. „Viel Geld, Zeit und Herzblut haben wir investiert“, bedauert die Geschäftsführerin: „Es tut weh“. Doch missen mag sie das „Abenteuer“ nicht, schließlich habe sie „furchtbar viel gelernt, tolle Mitarbeiter gehabt und eigentlich ­beste Voraussetzungen für den Erfolg“. Das Positive: Mit der Sprintus GmbH, dem ­Hersteller gewerblicher Reinigungsprodukte, dessen Ausgründung BLF ja war, geht es weiter gut voran. Die meisten Sprintus-­Mitarbeiter konnten übernommen werden.

Nach zwei Jahren Vollgas folgt der Richtungswechsel

Hahn vor grünem Hintergrund
Christine Hahn hat sich "Mit Herz und Anker" als Trauer-Spezialistin selbständig gemacht © Photoproduction Hanselmann Bernd Hanselmann
Im April hatte uns Christine Hahn erzählt, wie sie aus persönlichen Lebenskrisen eine Geschäftsidee entwickelte. Sie machte sich unter dem Namen “Mit Herz und Anker” als Trauerrednerin selbständig. „Ich glaube, ich habe in den letzten zwei Jahren mehr als 120 Reden gehalten“, rechnet sie vor. Herausfordernd sei das gewesen, zumal sich keine Routine einstellte. Schließlich ist jeder ­Todesfall traurig, und einzigartig. und manche sogar tragisch.

Ich glaube, ich habe in den letzten zwei Jahren mehr als 120 Reden gehalten

Christine Hahn


Geschäftlich „läuft es total“, berichtet sie. Auch weil sie weitere Angebote in ihr ­Portfolio aufgenommen hat. Zum Beispiel ein Coaching für Hinterbliebene oder nachhaltige Produkte für Beerdigungen – vom Taschentuch bis zum Luftballon.
Doch nach zwei Jahren „Vollgas“ möchte sie dem Geschäft eine neue Richtung geben. Ausschlag dafür gab eine Podiumsdiskussion bei der DZ-Bank, wo sie darüber sprach, wie sich das Bewusstsein über die Endlichkeit des Lebens auf den Alltag auswirken kann/soll. Die Zuhörer seien richtiggehend „ge­triggert“ gewesen, erinnert sie sich und will zukünftig als Keynote-Speakerin auftreten.

Der Umsatz verdoppelt sich jährlich

„Laufen“ tut es auch bei Bianca Triulzi, wenn auch „langsamer als gedacht“. Wir hatten sie im Juni mit ihrer unsichtbaren Haarspange vorgestellt, die Hochsteck­frisuren auch für Laien-Hände leichter macht. Auf Instagram zeigt sie regelmäßig neue Tipps und verlinkt zu ihrem Online-Shop. Aber auch dem Artikel im Magazin Wirtschaft verdankte sie geschäftlichen ­Erfolg: „ich habe eine Händlerin in Esslingen kontaktiert und die meinte gleich „Ich ­kenne Sie aus dem IHK-Magazin und wollte Sie auch ansprechen“. Wichtigste ­Absatzschiene sind seither Einzelhändler und Friseure.
Man muss ganz groß träumen, sonst gibt man zu früh auf

Bianca Triulzi


Den Umsatz verdoppelt sie jährlich, so dass sie inzwischen Fulltime für die Ebano ­Design GmbH tätig sein kann. Ihr Rat an Gründer: „Man muss ganz groß träumen, sonst gibt man zu früh auf.“  


Viel zu tun für das Innovatoren-Team

„Wir arbeiten inzwischen für das Rückgrat unseres Wohlstandes, den Mittelstand“, erzählt Dennis Dickmann stolz. Und ergänzt - ganz im Duktus seiner Zielgruppe: „Wir sind gar nicht unerfolgreich“. Vorgestellt hatte wir ihn und seine Seedbox GmbH im Juli-Heft unter der Überschrift „Das Startup das Startups berät“. „Aber wir mussten ja Geld verdienen, und das geht mit Startups nicht so gut“, erklärt er den neuen Fokus. Wobei sich nicht nur die Zielgruppe ge­ändert hat, für die Ideen generiert werden, um neue oder bestehende Geschäfts­prozesse zu optimieren, sondern auch die Themen. Sie liegen nun im Kontext von KI.
Wir arbeiten inzwischen für das Rückgrat unseres Wohlstandes, den Mittelstand

Dennis Dickmann


Zehn Leute arbeiten inzwischen für die Seedbox GmbH. Bei unserem letzten Besuch war Geschäftspartner Kai Kölsch gerade in Dubai, um mit eine Datenbrille für das Pferde­training in den Emiraten zu testen. Sind sie immer noch so international unterwegs? „Kaum, hier gibt es so viel zu tun“, lacht Dickmann und freut sich, dass ein Großteil der Kunden über Empfehlung kommen.

Remote arbeiten – real studieren

Luke Hoß
Luke Hoß hat sich zusammen mit Jatin Kanjia mit der Overtake Marketing Agency UG selbstständig gemacht © Luke Hoß
Unsere jüngsten Gründer 2021 waren Jatin Kanjia und Luke Hoß, die gerade ihr Abi gebaut hatten, als wir sie mit ihrer Overtake Marketing Agency UG in unserer September-Ausgabe vorstellten. Beide sind in­zwischen Studenten. Hoß erreichen wir telefonisch in Passau, wo er gerade auf ­seine nächste Jura-Klausur lernt. Gibt es die Firma noch und ist sie jetzt bayerisch ­geworden? „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und weiter in Kernen ansässig, wo auch Jatin noch wohnt“, erzählt er. Den ersten großen Kunden gewannen sie übrigens genau über diesen Artikel.


Das erzähl ich nur selten, aber wenn, dann ist der Respekt vor der Aufgabe groß

Luke Hoß


Wie lässt sich das mit dem Studium und dem Standort Passau vereinbaren? „In unserer Branche läuft ja viel remote“, erklärt er. Zudem beschäftigt das in doppelter Hinsicht junge Unternehmen zwei Mitarbeiter – wie die Chefs selber allerdings auf Minijobbasis. Und wie finden die Kommilitonen es, dass sie mit echten Chefs im Hörsaal sitzen? „Das erzähl ich nur selten, aber wenn, dann ist der Respekt vor der Aufgabe groß“, erzählt Hoß bescheiden.

Knapp am Jackpot vorbei und trotzdem erfolgreich

Thomas Schön
Dr. Thomas Schön wollte mit seiner Alpha ­Engineering GmbH provisionsfreie Finanzberatung anbieten. Jetzt ist er externen Chief Finance Officier für Finanzplanung und Controlling. © Schön
Für Dr. Thomas Schön und seine Alpha ­Engineering GmbH aus dem Oktoberheft, war der „Jackpot“ zum Greifen nah. „Als die neue Ampelkoalition ein Provisions­verbot für Finanzberatung plante, sah es so aus, als würde es das ganz große Ding“, erinnert er sich. Denn seine App sei die einzige gewesen, die Kleinanleger auf Abo-Basis bei der Geldanlage beriet. Doch dann entschieden die Koalitionäre anders  und Schön wurde klar, dass die App nur mit hohem Aufwand bekannt gemacht werden könnte.
Als die neue Ampelkoalition ein Provisions­verbot für Finanzberatung plante, sah es so aus, als würde es das ganz große Ding

Dr. Thomas Schön

  „Wir wollten bezahlbar bleiben. Bei den Marketingkosten wäre das aber nicht profitabel gewesen“, bedauert er. Hadert er damit? „Im Gegenteil, ich bin sehr stolz, dass wir es geschafft haben, so eine App ohne Millionenbudget zu entwickeln, so dass sie skalierbar und marktgängig ist.“ Selbständig ist er weiterhin: für kleine und mittlere Unternehmen übernimmt er die Rolle des externen Chief Finance Officiers, also Finanzplanung und Controlling.

Bald an der Kapazitätsgrenze

„Kannst Du Dir gleich wieder eine neue Stelle suchen“, hatte Ayla Pape gedacht, als der Lockdown kam, just als sie gerade ihre Kita-Beratung Kids@Company gegründet hatte. Dann sei aber „die erste Kita um die Ecke gekommen“, die sich von ihr beraten lassen wollte.  So hatte sie ein sehr gutes Start-Jahr und ein noch besseres zweites, und jetzt im dritten Jahr ist die Nachfrage so groß, dass sie wohl bald an die Kapazitätsgrenzen stößt. Gern würde sie einen Partner ins Boot holen, die Suche war aber bisher vergebens.  
Allerding berät Pape keine Firmen, wie ursprünglich geplant. „Ich glaube, die trauen sich einfach nicht, Kitas zu gründen, obwohl sie doch wirklich gut gefördert würden“, hat sie festgestellt. Stattdessen wird sie von ­Kirchengemeinden und sogar von Privat­leute engagiert. “Fast ein Duzend Projekte laufen zur Zeit parallel – jeweils in ganz unterschiedlichen Stadien von der Konzeption bis zur Eröffnung”, freut sie sich. Zweiter ­Fokus ihrer Arbeit ist es, bei altgedienten Trägern Entwicklungsprozesse anzustoßen und zu begleiten.
Gegründet hatte sie eigentlich weil sie ­weniger arbeiten und mehr Zeit für die ­Familie haben wollte. Hat das geklappt? Da muss Pape herzhaft lachen. Aber immerhin, sie kann sich die Zeit jetzt selbst einteilen. Enkel Benjamin übrigens, der auf dem Foto von 2021 in Weste und Hemd den Chef gab, interessiert sich nicht mehr für Kitas: Er ist jetzt ein stolzes Schulkind.
Dr. Annja Maga für  Magazin Wirtschaft, Rubrik Startup