Unser Startup im August

KI kreiert Konzepte Für KMU

Mit 40 wird der Schwabe gescheit, heißt es. Dass das auch für Zugewanderte gilt, beweist die Geschichte von Gauthier ­Boisdequin. Der Diplom-Ingenieur mit Master in „Simulation Techniques in ­Mechanical Engineering“ hatte 13 Jahre lang für Porsche gearbeitet. Unternehmer wollte er aber eigentlich schon seit dem Studium werden.
Als nun im letzten Jahr der 40. Geburtstag anstand, wagte er den Sprung ins kalte Wasser. Oder doch ins vorgewärmte, denn das betriebswirtschaftliche Rüstzeug erwarb er in einem zweijährigen berufsbegleitenden MBA-Studium in Cambridge. Nicht etwa ein Fernstudium, nein, der Familienvater flog im Urlaub und an Wochenenden auf die Insel, um vor Ort zu studieren. „Ich arbeite schon immer sehr viel. Jetzt ist es aber sehr sehr viel“, lächelt Boisdequin.

Bei der ­Konzeptentwicklung wird„sehr viel geredet“

Die Geschäftsidee zur Mine & Make GmbH kam ihm, weil er als Spezialist für Fahrdynamik beim Stuttgarter Autobauer ­immer wieder feststellte, dass bei der ­Serienentwicklung zwar viel mit ­objektiven Methoden gearbeitet wird, bei der ­Konzeptentwicklung aber „sehr viel geredet wird“. Das dauert meist sehr lange, denn alle irgendwie tangierten Bereiche  tragen ihre Einschätzung bei - von den Normen und Standards über die schon ­vorhandenen Technologien bis zur Wettbewerbssituation und den Kundenanforderungen. „Das liegt auch daran, dass es für die Konzept- entwicklung nur wenige objektive ­Methoden gibt“, erklärt Boisdequin.
Für große Unternehmen sind solch aufwendige Prozesse nicht das Problem, für KMU aber schon. Ihnen möchte Mine& Make solche Recherchen abnehmen. Dazu hat das junge Unternehmen eine Data-Analytics-Lösung inklusive KI-­Algorithmen entwickelt, um mechanische Produkte neu zu definieren, im Hinblick auf Technologien und Märkte. Die Infos werden mit Hilfe von Data Miners in einer Datenbank gesammelt. Nach einigen Wochen erhalten die Auftraggeber dann eine Übersicht, auf deren Grundlage sie neue Produkte entwickeln können. Mine& Make eben.

Das Unternehmen sucht für Kunden neue Anwendungsgebiete ihrer Produklte

Das Unternehmen aus dem Impact Hub in der Stuttgarter Quellenstraße sucht aber auch für die ­Kunden neue Anwendungsgebiete oder Aufwertungen für deren bestehende Produkte. Oder droht ein Produkt überflüssig zu werden, weil es nicht mehr gebraucht wird? Auch solche Substitutions-
risiken werden untersucht. Wie wird abgerechnet? „Wir bieten Arbeitspakete, die kosten einen festen Betrag“, erzählt der Gründer.
Dass Gauthier Boisdequin mit seiner Geschäftsidee seine Berufung gefunden hat, merkt man deutlich, wenn man ihm zuhört: So strukturiert und klar wie er das Konzept beschreibt, versteht auch der Laie, worum es geht. „Ich glaube, das hat auch den ­Investor, mit dem wir im Gespräch sind,  überzeugt“, ist der gebürtige ­Belgier ­sicher. Er ist übrigens der erste Kunde gewesen und war so begeistert, dass er die junge Firma gleich in seinen Entwicklungsprozess fest integriert hat.
Stuttgart ist perfekt für uns

Der Belgier Gauthier ­Boisdequin über seinen Gründungsstandort

Trotzdem ist Mines&Make auf der Suche nach weiteren Kunden. „Am Anfang bin ich sehr über die Wirtschaftsförderung Stuttgart unterstützt worden und konnte so Kontakte knüpfen“, erzählt Boisdequin. Aber auch die Businessplattformen wie Xing oder Linkedin sind sehr nützlich. Seit Anfang Juni hat der Gründer mit Patrik Indlekofer seinen ersten Mitarbeiter. Zusammen haben sie aussichtsreiche Kunden insbesondere im Bereich Maschinenbau und Automobilzulieferer identifiziert und kontaktieren sie nun.

Das Geschäft soll international skaliert werden

Wenn man Gründer fragt, wo sie sich in fünf Jahren sehen, brechen die meisten erst einmal in ungläubiges Lachen aus – fünf Jahre, das scheint noch ewig weit weg zu sein. Anders Boisdequin. Er hat ganz feste Vorstellungen: Der Bereich „Data Analytics“ soll weiter wachsen, um einerseits die eigenen Projekte zu unterstützen, andererseits aber auch, um als ­Rechercheplattform für Unternehmen vermarktet zu werden. Skalieren will der Gründer das Unternehmen aber auch über seine Sprachkenntnisse, neben der Muttersprache Französisch spricht er perfekt Deutsch, Englisch und Italienisch. Trotz seiner Internationalität sei derUnternehmensstandort aber gesetzt: „Stuttgart ist perfekt für uns“.

Dr. Annja Maga für  Magazin Wirtschaft, Rubrik Startup