Finanzierung und Förderung

EU-Förderprogramme im Überblick

Durchblick im EU-Bürokratie-Dschungel

Die Europäische Union ist ein komplexes Gebilde und wird häufig mit viel Bürokratie in Verbindung gebracht. Angesichts von 27 Mitgliedsländern und einem hohen Abstimmungsbedarf ist dies nicht ganz verwunderlich. Dass mittlerweile 80 Prozent der deutschen Gesetzgebung ihren Ursprung in Brüssel haben dürfte vielen bekannt sein. Auch, dass die EU viel Geld ausgibt für die Forschungs- und Innovationsförderung, den Klimaschutz, die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie für die Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern wird häufig vor dem Hintergrund von rund 1000 Einzelprogrammen, Fonds, etc.  teil kontrovers diskutiert. Aber welche Fördersystematik steckt dahinter und wie profitieren davon Unternehmen tatsächlich? Unser Überblick bringt Licht ins Dunkel.

Der Finanzrahmen

Zunächst muss unterschieden zwischen jenen EU-Finanzmitteln in Form von Darlehen und Zuschüssen, die seitens der EU-Kommission dezentral über Verwaltungseinheiten in den Mitgliedsstaaten verteilt werden und jenen, die die EU selbst oder mittels spezieller Agenturen verwaltet und programmiert.  
Den Rahmen bildet der mehrjährige Finanzrahmen. Dieser umfasst für die aktuelle Förderperiode 2021 bis 2027 ein Volumen in Höhe von 1.074 Milliarden Euro (ein Plus von 12 Prozent gegenüber der Förderzeitraum 2014 bis 2020) und ein zusätzliches Aufbauinstrument mit der Bezeichnung „Next Generation EU“ (NGEU) im Wert von 750 Milliarden Euro.

Diese vier Kategorien sollten Sie kennen:

1. Bereichsbezogene Finanzierungsmöglichkeiten

Mit dieser Finanzierungsart werden vorwiegend spezifische Themen wie Umwelt, Forschung und Bildung, Digitalisierung, Kreativität gefördert. Diese Programme sind komplex und nicht leicht zugänglich, bieten aber große Chancen für eine Zusammenarbeit mit weiteren Partnern in Europa.  Mit dem Beginn der neuen EU-Förderperiode (2021 bis 2027) geht das neunte Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe an den Start und löst das Programm Horizont 2020 (2014 bis 2020) ab. Umweltthemen werden vom Programme for the Environment and Climate Action LIFE adressiert. Das Programm Creative Europe / Media adressiert die Herausforderungen, vor denen die audiovisuelle Branche (Produzenten und Spieleentwickler).
Unternehmen oder andere Organisationen können sich für die Programme in der Regel direkt bewerben. Dazu ist eine Registrierung auf dem Teilnehmer-Portal notwendig. Von Bedeutung ist, dass die Projekte eine transnationale Komponente haben. Abhängig vom Programm können sich auch Industrievereinigungen, Unternehmensverbände, Unternehmensdienstleister und/oder Beratungsdienstleister bewerben. Die Kofinanzierung ist die allgemeine Regel: Die Unterstützung der EU besteht in der Regel aus Zuschüssen, die lediglich einen Teil der Kosten eines Projekts decken.
Auch die Programme der EU-Außenhilfe bergen Geschäftsmöglichkeiten durch die Beteiligung an Ausschreibungen. Die EU ist die größte Geberinstitution weltweit und unterstützt EU-Kandidaten-Länder in Südosteuropa, Staaten in der EU-Peripherie in Nordafrika sowie weitere Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau von Infrastrukturen im Verkehrs-, Energie, Gesundheits- und Bildungsbereich. Zentrales Instrument ist mit dem Start der neuen Förderperiode das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDCI), das die Instrumente für die Entwicklungszusammenarbeit (EZI), für Nachbarschaftshilfe (ENI), das Partnerschaftsinstrument (PI) und den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) vereint.
Mit dem neuen NDICI wird auch die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor intensiviert. Durch vielfältige Fördermöglichkeiten sollen zusätzlich private Investitionen für nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden. Durch den Europäischen Fonds für Nachhaltige Entwicklung Plus (EFSD+) können Finanzierungen und Investitionen in Partnerländern unterstützt werden. Der EFSD+ wird durch eine Garantie für Außenmaßnahmen (External Action Guarantee – EAG) in Höhe von 53,4 Milliarden Euro gesichert, die auch den westlichen Balkan abdeckt.
Die Mittelzuweisung für einzelne Länder, Regionen oder thematische Programme erfolgt weiterhin über festgelegte Mehrjahresprogramme (Multiannual Indicative Programmes – MIP) sowie Jahresaktionsprogramme (Annual Action Programmes – AAP). Die Gesellschaft German Trade and Investment (gtai) stellt diese Projektbewilligungen nach Veröffentlichung durch die EU-Kommissionen zur Verfügung.
Die Ausschreibungspraxis der EU bleibt im Wesentlichen unverändert. Die Vergabeverfahren werden weiterhin durch das Vergabehandbuch PRAG (Practical Guide to Contract Procedures for EU External Actions) geregelt. Unternehmen können sich auf dem Ausschreibungs- und Projektportal für von der Europäischen Kommission verwaltete Finanzhilfen und Aufträge bewerben (unter anderem Horizon Europe, Creative Europe, LIFE, EU External Action – RELEX).
Im Jahr 2020 gingen Aufträge im Wert von 10, 5 Milliarden Euro (4733 Einzelaufträge) an 1947 deutsche Institutionen. 54 Prozent flossen in Unternehmen des Privatsektors. Der Anteil der Zuschüsse betrug 81 Prozent.

2. Struktur- und Investitionsfonds

Im Rahmen des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) bilden der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Sozialfonds (ESF), der Kohäsionsfonds sowie der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER / LEADER) mit ihren verschiedenen themenbezogenen Programmen und Gemeinschaftsinitiativen, die in den Regionen durchgeführt werden, die bedeutendsten Gemeinschaftsinstrumente zur KMU-Förderung. Die Begünstigten dieser Fonds erhalten einen direkten Beitrag zur Finanzierung ihrer Projekte. Die Verwaltung der Programme und die Auswahl der Projekte erfolgen auf nationaler und regionaler Ebene.
Ergänzt werden die ESF- und EFRE-Programme durch REACT-EU. Die Abkürzung steht für „Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe“ (Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas) und ist Teil des Aufbauinstruments „NextGenerationEU“, das die EU 2020 zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19 Pandemie etabliert hat. In Baden-Württemberg wird das Programm durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im umgesetzt. Unternehmen profitieren insbesondere durch eine Erweiterung der Fördermöglichkeiten für Trainingshonorare Ihrer Inhouse-Trainings etwa für die Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft, der betrieblichen Weiterbildung oder dem Coaching zur Neuausrichtung von Geschäftsmodellen.
Hinweise auf die Beteiligungsmöglichkeiten an EFRE, ESF und ELER/LEADER geförderten Projekten in Baden-Württemberg finden sich auf den folgenden Webseiten:
Da die EU offen legen muss, wie sie öffentliche Gelder ausgibt finden sich auf den Webseiten auch Projektbeispiele und die Listen der Begünstigten der ESI-Fonds. So wurden im Rahmen des ESF in Baden-Württemberg von 2014 bis 30.9.2021 rund 7.300 Einzelpersonen und Unternehmen gefördert. Im Rahmen des EFRE waren es im gleichen Zeitraum rund 300 Organisationen.

3. Finanzierungsinstrumente

Die meisten Finanzierungsinstrumente stehen Unternehmen nur indirekt, also über nationale Finanzintermediäre, zur Verfügung. Viele davon werden vom Europäischen Investmentfonds (EIF) verwaltet, d.h. die EU bürgt bei regionalen Kreditinstituten, Business Angels, Venture Capital oder sonstigen Risikokapitalgebern. Sie treffen die Entscheidung, ob EU-Finanzmittel in Form eines Kredits an antragstellende Unternehmen bzw. Existenzgründer vergeben werden.
Über die EU-Webseite YourEurope – Access2Finance lassen sich die einzelnen Finanzierungs-Programme – nach Bundesland aufgeschlüsselt – recherchieren. Ein Großteil betrifft Kleinstkredite und Darlehen zu attraktiven Konditionen, Bürgschaften und Risikokapital im Bereich der Existenzgründung. Europaweit profitieren laut EU-Kommission davon jährlich rund 200.000 Unternehmen.

4. Unterstützung für die Internationalisierung von KMU

Wirtschaftsorganistionen wie die Industrie-, Handels- und Handwerkskammern bieten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Unterstützung beim Auf- und Ausbau ihrer internationalen Geschäfte und bei der Suche nach Finanzierungsquellen und Förderinstrumenten und ergänzen diesen Service im Rahmen ihrer europäischen Aktivitäten im Enterprise Europe Network als Teil des Single Market Programmes (SMP) der EU.

Das Angebot des Enterprise-Europe-Network-Teams der IHK Region Stuttgart

Das EEN-Team der IHK Region Stuttgart unterstützt Sie gern.
  • Wir informieren über Geschäftschancen in Europa (Access2Markets) und darüber hinaus.
  • Sie beraten zu EU-Förderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten.
  • Wir unterstützen bei der Suche nach Geschäftspartnern in Europa und bei der Beteiligung an internationalen öffentlichen Ausschreibungen.
  • Wir leiten Ihr Feedback zu Hemmnissen beziehungsweise Beschränkungen beim Marktzutritt an die EU weiter.
Was können wir für Sie tun?
Tipp: Individuelle Beratung mit Innocheck-BW:  Um kleine und mittlere Unternehmen, Start-ups und Scale-ups in Baden-Württemberg beim Zugang zu EU-Fördergeldern zu unterstützen, haben das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg und das Steinbeis Europa Zentrum das Portal innocheck-bw eingerichtet.