Sozialvorschriften

Leitlinien der EU zur Auslegung der Sozialvorschriften

Die Verordnungen und Richtlinien, die auf Ebene der EU die Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten des Fahrpersonals (Sozialvorschriften) regeln, lassen trotz des in manchen Teilen hohen Detaillierungsgrades Spielraum für Interpretationen und Auslegungen. Um die unzähligen verbleibenden Unklarheiten zu reduzieren, werden seitens der EU-Kommission Leitlinien und Klarstellungen veröffentlicht, die sich primär an die Kontrollorgane in den Mitgliedstaaten wenden und zu einer einheitlichen Umsetzung der Vorschriften beitragen sollen.
Folgende Leitlinien wurden veröffentlicht:
  • Leitlinie Nr. 1: Ausnahmsweise Abweichung von den Mindestruhezeiten und maximalen Lenkzeiten zum Aufsuchen eines geeigneten Halteplatzes. Grundlage: Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
  • Leitlinie Nr. 2: Erfassung der Zeiten, die ein Fahrer aufwendet, um sich zu einem Ort zu begeben, bei dem es sich nicht um den üblichen Ort der Übernahme oder Übergabe eines in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 fallenden Fahrzeugs handelt. Grundlage: Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (siehe auch „Anmerkungen zur Fahrzeugübernahme fernab vom Unternehmensstandort”)
  • Leitlinie Nr. 3: Anordnung einer Unterbrechung einer Ruhepause oder einer täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit zum Bewegen eines Fahrzeugs an einem Terminal, einem Parkplatz oder einer Grenze. Grundlage: Artikel 4 Buchstaben d und f der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
  • Leitlinie Nr. 4: Aufzeichnung der Lenkzeiten durch digitale Fahrtenschreiber bei Fahrten, die mit häufigen Stopps verbunden sind. Grundlage: Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 (Anm.: Mittlerweile ersetzt durch die VO (EU) Nr. 165/2014) mit Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1360/2002 (Anhang 1 B)
  • Leitlinie Nr. 5: Formblatt zur Bescheinigung von Tätigkeiten gemäß dem Beschluss der Kommission vom 14. Dezember 2009 zur Änderung der Entscheidung 2007/230/EG. Grundlage: Artikel 11 Absatz 3 und Artikel 13 der Richtlinie 2006/22/EG
  • Leitlinie Nr. 6: Sachverhalt: Aufzeichnung der Zeiten, die der Fahrer in einer Eisenbahn oder auf einem Fährschiff verbringt, wo er Zugang zu einer Schlafkabine oder einem Liegeplatz hat. Grundlage: Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
  • Leitlinie Nr. 7: Befasst sich mit der Fragestellung, was die Begrifflichkeit „innerhalb von 24 Stunden“ im Sinne von Artikel 8 Absätze 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 bedeutet (siehe auch „Anmerkungen zum fahrpersonalrechtlichen 24-Stunden-Zeitraum”).
  • Leitlinie Nr. 8: Gibt Hinweise, wie sich der Fahrer bei Verlust, Diebstahl, Beschädigung oder Fehlfunktion der Fahrerkarte korrekt verhält. Grundlage: Artikel 29 der VO (EU) Nr. 165/2014.
  • Leitlinie Nr. 9: Formblatt zur Dokumentation einer durch einen Kontrollbeamten zerstörten, entfernten oder ersetzen Plombierung am Fahrtenschreibersystem.
  • Leitlinie Nr. 10: Zur Dokumentation von Grenzübertritten bei der Verwendung eines analogen Fahrtenschreibers.
Außerdem hat die EU-Kommission „clarification notes“ veröffentlicht, die entweder weitere offene Fragen seitens der EU-Mitgliedsstaaten beantworten oder diese mit entsprechender Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes verknüpfen.
Leider bestätigt sich die Erwartung, dass Leitlinien und Klarstellungen, die die Defizite ungenügender und an vielen Stellen interpretationsfähigen Rechtsgrundlagen „heilen“ sollen, nur bedingt zur Lösung von Problemen in der Praxis beitragen können. Auch ist stets zu bedenken, dass die Zielgruppe der Leitlinien die Aufsichts- und Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten und nicht die betroffenen Unternehmen bzw. Fahrer sind. Insofern dienen die Leitlinien nur zu Information. Weitere Verwirrung ist nicht ausgeschlossen! Außerdem muss klar sein, dass in gerichtlichen Auseinandersetzungen grundsätzlich nur belastbare Rechtsgrundlagen berücksichtigt werden.
Zur Verdeutlichung sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Leitlinien nur auf die Verordnungen und Richtlinien der EU beziehen – die Vorschriften des Fahrpersonalgesetzes und der Fahrpersonalverordnung werden dadurch nicht interpretiert.
Stand: November 2023