Verkehrswirtschaft

Kabotagebeförderungen im Straßenverkehr

ACHTUNG: Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung unterliegen nicht nur genehmigungspflichtige Fahrten (mit im gewerblichen Güterkraftverkehr eingesetzten Fahrzeugen, die eine zulässige Höchstmasse (zHm) von mehr als 2.500 kg aufweisen) den Kabotagebestimmungen. Auch leichtere Fahrzeuge, die von ausländischen Unternehmen für Binnenbeförderungen (für Dritte gegen Entgelt) eingesetzt werden, darunter insbesondere die mehr und mehr eingesetzten „(Plane-Spriegel-) Sprinter mit oder ohne Schlafkabine”, unterliegen den unten beschriebenen Einschränkungen. Dazu etwa folgender Hinweis zu den rechtlichen Gegebenheiten auf der Website des Bundesamtes für Güterverkehr:
„Vom Geltungsbereich der Vorschriften, die für Kabotagebeförderungen gelten, sind gemäß der Bestimmungen der Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 auch Fahrzeuge mit einem zGG von bis zu 3,5 t umfasst. Da auch Unternehmen, die unter die Freistellung nach Artikel 1 Absatz 5 c) (Kraftfahrzeuge bzw. Kraftfahrzeugkombination bis 3,5 t zGG) fallen, gemäß Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Kabotagebeförderungen durchführen können, gelten auch für diese Fahrzeuge die Voraussetzungen wie für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t zGG.”*
Uns zugetragene Hinweise deuten darauf hin, dass die Kontrollbehörden derartige Fahrzeuge verstärkt auf die Einhaltung der Kabotagevorschriften kontrollieren. Dazu noch der Hinweis, dass auch die Bestimmungen des HGB zum Frachtgeschäft oder des CMR nicht erst dann gelten, wenn ein Fahrzeug mit einer zHm von mehr als 2.500 kg eingesetzt wird.

Grundsätze

Seit Mai 2010 sind die Regelungen über die Kabotage (Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) 1072/2009) in der gesamten EU in Kraft getreten. Somit ist EU-weit einheitlich geregelt, unter welchen Rahmenbedingungen welche Anzahl an Kabotagebeförderungen innerhalb welchen Zeitraumes durchgeführt werden dürfen und wie dies belegt werden muss.
Konkret dürfen im Anschluss an eine beladene grenzüberschreitende Beförderung, die vollständig im „Kabotageland“ entladen wurde, drei Kabotagebeförderungen innerhalb von sieben Kalendertagen durchgeführt werden („3 in 7 – Regel”). Die Sieben-Tage-Frist beginnt zu laufen, sobald die Güter der grenzüberschreitenden Beförderung vollständig entladen wurden. Wenn diese Entladung beispielsweise um 10:30 Uhr am Mittwoch stattgefunden hat, beginnt um 00:00 Uhr am Donnerstag die Sieben-Tage-Frist zu laufen. Deren Ende liegt dann am folgenden Mittwoch um 24:00 Uhr. Zur Fristenberechnung beachten Sie bitte die Ausführungen im Abschnitt “Was hat sich sich durch das “Mobilitätspaket I” geändert?”
Unter welchen Rahmenbedingungen eine Beförderungen in Deutschland als einzelne Kabotagebeförderung angesehen wird, ist im Folgeabschnitt beschrieben. In anderen EU-Mitgliedstaaten gelten in aller Regel abweichende Definitionen.
Die drei erlaubten Kabotagebeförderungen innerhalb der sieben Tage können in dem Staat, in dem die grenzüberschreitend beförderten Güter vollständig entladen wurden, durchgeführt werden (= Aufnahmemitgliedstaat). Der Frachtführer kann sich aber auch dafür entscheiden, einzelne der drei Kabotagebeförderungen oder alle drei Kabotagebeförderungen in anderen Mitgliedstaaten durchzuführen. Dafür gibt es die „1 in 3 – Regel”, die es ermöglicht, eine Kabotagebeförderung innerhalb von drei Tagen nach der unbeladenen Einfahrt in einen Mitgliedstaat durchzuführen. Dabei ist zu beachten, dass die „1 in 3 – Regel” lediglich innerhalb der „3 in 7 – Regel” angewendet werden darf. Ein bulgarischer Frachtführer könnte also nach der Entladung der grenzüberschreitend nach Deutschland beförderten Güter zunächst eine Kabotagebeförderung in Deutschland erbringen (eine von drei innerhalb von sieben Tagen), dann leer nach Frankreich fahren und dort eine Kabotage durchführen (die zweite von den erlaubten drei Kabotagebeförderungen innerhalb sieben Tagen, die er spätestens innerhalb von drei Tagen nach der unbeladenen Einfahrt nach Frankreich durchgeführt haben muss) und im Anschluss leer nach Belgien einfahren, um dort die dritte Kabotagebeförderung durchzuführen – die dritte der erlaubten drei, die innerhalb von sieben Tagen nach der Entladung in Deutschland und innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt nach Belgien durchgeführt worden sein muss. Im Anschluss an diese belgische Kabotagebeförderung kann das Land leer verlassen werden oder der bulgarische Frachtführer nimmt im Belgien eine grenzüberschreitende Beförderung in irgendeinen Mitglied- oder Drittstaat auf.
Sobald das Kontingent an Fahrten (drei bzw. eine) oder Tagen (sieben bzw. drei innerhalb sieben) aufgebraucht ist, muss eine beladene oder leere grenzüberschreitende Fahrt stattfinden (sofern der Frachtführer sein Fahrzeug nicht zum Stehzeug umfunktionieren möchte).

Was ist eine Kabotagebeförderung?

Infolge des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 31. Mai 2021 (Aktenzeichen 18 K 8314/18) ist für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland relativ eindeutig, wodurch eine einzelne Kabotagebeförderung gekennzeichnet ist. Grundsätzlich handelt es sich um „1” Beförderung, wenn ein Gut zwischen einem bestimmten Absender (= Vertragspartner des Frachtführers) und einem bestimmten Empfänger (= Begünstigter des Frachtvertrages; kann aber auch selbst Absender sein) befördert wird. 
Im konkreten Urteil wurde ein ausländischer Frachtführer durch einen in Deutschland ansässigen Auftraggeber damit beauftragt, Güter (hier: Gas) an mehr als drei wirtschaftlich unabhängige Abnehmer (Entladestellen) zu liefern. Nach Ansicht des Bundesamtes für Güterverkehr und bestätigt durch das genannte Urteil sind dies in Deutschland mehr als drei Kabotagebeförderungen.
Hätte es sich lediglich um einen Empfänger gehandelt, dem die Güter an mehr als einer Entladestelle angeliefert worden wären, würde es sich um „1” Kabotagebeförderung handeln (Beispiel: Erste Entladestelle ist die Zentrale der Hans Wurst KGaA, zweite Entladestelle ist das 5 km entfernte Außenlager der Hans Wurst KGaA und dritte Entladestelle ein 10 km entfernter Showroom der Hans Wurst KGaA). Ist die Hans Wurst KGaA gleichzeitig Absender als auch Empfänger, spielt die Anzahl der Be- und/oder Entladestellen keine Rolle (wobei hier dann die Ladekapazität des Fahrzeugs eine entscheidende Rolle spielen dürfte).
Wenn die von der Hans Wurst KGaA bestellte Ware jedoch nicht nur an dieses Unternehmen, sondern teilweise auch an die Hans Wurst Vertriebsgesellschaft mbH geliefert wird, handelt es sich um zwei verschiedene Empfänger und somit um zwei Kabotagebeförderungen.
Entscheidend ist also in erster Linie die frachtvertragliche Basis und wenn überhaupt nachrangig die Ladekapazität des Fahrzeugs oder andere Bezugsgrößen.
Hier die gegenüber der Klägerin im o.g. Verfahren zum Ausdruck gebrachte Auffassung des BAG zum Thema „1” Kabotagebeförderung bzw. „1” Beförderungsvorgang im Wortlaut: „Ein einzelner Beförderungsvorgang liege vor, wenn das Transportgut im Auftrag eines bestimmten Absenders an einen bestimmten Empfänger verbracht werde. Dies gelte unabhängig davon, ob Teile der Sendung an verschiedenen Orten übernommen und an verschiedenen Ablagestellen abgeliefert würden. Mehrere Kabotagebeförderungen lägen hingegen vor, wenn für mehrere Absender Fracht befördert oder diese an mehrere Empfänger geliefert werde. Unerheblich sei, ob ein Transport, bei dem der Absender identisch sei und das Transportgut am selben Ort zur selben Zeit aufgenommen werde, in einer Summe vergütet werde oder nicht.”

Welche Nachweise müssen vorgelegt werden?

Dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden, muss durch entsprechende Beförderungspapiere nachgewiesen werden. Üblicherweise genügt dazu ein Frachtbrief, der mindestens folgende Angaben umfassen muss (vgl. Artikel 8 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1072/2009):
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Absenders
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Verkehrsunternehmers (Frachtführer)
  • Name und Anschrift des Empfängers sowie nach erfolgter Lieferung dessen Unterschrift und das Datum der Lieferung
  • Ort und Datum der Übernahme der Ware sowie die Lieferadresse
  • die übliche Beschreibung der Art der Ware und ihrer Verpackung sowie bei Gefahrgütern ihre allgemein anerkannte Beschreibung, die Anzahl der Packstücke sowie deren besondere Zeichen und Nummern
  • die Bruttomasse der Güter oder eine sonstige Mengenangabe
  • das amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs und des Anhängers
Der vor der ersten Kabotagebeförderung stattgefundene grenzüberschreitende Transport muss in Form eines CMR-Frachtbriefes nachgewiesen werden. Bei unbeladener Einfahrt in das „Kabotageland“ gibt es einen solchen natürlich nicht, was auch das Indiz dafür wäre, dass nur eine Kabotagefahrt innerhalb von drei Tagen erlaubt ist. Dann sind aber die Nachweise für die originäre grenzüberschreitende Lastfahrt (und ggf. bereits durchgeführte Kabotagebeförderungen) zu erbringen, da nur infolge dieser Beförderung die Erlaubnis zur Kabotage überhaupt erworben wurde.

Was hat sich durch das „Mobilitätspaket I”geändert?

Durch das am 31. Juli 2020 veröffentlichte „Mobilitätspaket I” ergeben sich ab dem 21. Februar 2022 Änderungen bei den Kabotagereglungen. Konkret sind die neuen Regelungen in der Verordnung (EU) 2020/1055 hinterlegt, die insbesondere die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 ändert.
Über den Februar 2022 hinaus bleibt es bei der zuvor beschriebenen „3 in 7” bzw. „1 in 3”-Regelung hinsichtlich der Anzahl der erlaubten Kabotagebeförderungen. Neu wird sein, dass nach „Verbrauch” des Kabotagepensums, wenn also entweder die X Beförderungen oder die X Tage erbracht wurden bzw. abgelaufen sind, mit dem Fahrzeug innerhalb von vier Tagen nach Ende der Kabotagebeförderungen keine weiteren Kabotagebeförderungen in diesem sogenannten Aufnahmemitgliedstaat mehr durchgeführt werden dürfen. Diese „Abkühlphase” soll sicherstellen, dass Kabotage nicht systematisch - also dauerhaft - betrieben wird.
Aufgrund wirtschaftlicher Interessen bzw. Zwänge wird das Fahrzeug mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit also nach den erlaubten Kabotagefahrten den Aufnahmemitgliedstaat beladen oder unbeladen verlassen und etwa für weitere grenzüberschreitende Beförderungen oder Kabotagetransporte in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden müssen.
Da die Neuerungen aus der VO (EU) 2020/1055 in zahlreichen Details unklar formuliert sind, hat die EU-Kommission auf der Webseite der Generaldirektion Mobilität und Verkehr einen Fragen-Antworten-Katalog zu den neuen Kabotagevorschriften veröffentlicht. Darin werden sowohl die bisherigen Regelungen als auch die Neuerungen angesprochen. 
Bitte beachten Sie, dass nach Meinung der EU-Kommission bei der Berechnung der Fristen die Vorgaben der VO (EWG, Euratom) 1182/71 angewendet werden sollen. Verkürzt ausgedrückt sind deshalb bei der Fristenberechnung Samstage, Sonntage und Feiertage grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Außerdem müssen Zeiträume, die mindestens zwei Kalendertage umfassen, mindestens zwei Arbeitstage (Montag bis Freitag) umfassen. Einige Beispiele zur Fristenberechnung sind im oben verlinkten Fragen-Antworten-Katalog enthalten.
Dokumentation, Mitführungspflichten und Kontrollen
Weiterhin muss im Umfang der obigen Auflistung für jede Kabotagebeförderung ein Nachweis vom Unternehmen erbracht werden können. Hinzu kommt, dass sich die Nachweispflicht auch auf die der ersten Kabotagebeförderung vorhergehenden vier Tage ausweitet, um die neu eingeführte Abkühlphase kontrollierbar zu gestalten.
Der Fahrer ist verpflichtet, die Nachweise, die explizit auch in elektronischer Form (insbesondere eCMR) vorgelegt werden können, mitzuführen. Dokumente, die im Unternehmen, nicht aber beim Fahrer vorliegen, können in Straßenkontrollen seitens des Fahrers angefragt und „vor dem Abschluss der Straßenkontrolle” (???!!!) vom Unternehmen bereitgestellt werden.
Um die Kontrollierbarkeit zu verbessern ist zudem vorgesehen, dass künftig auch die über einen Fahrtenschreiber aufgezeichneten Informationen ausgewertet werden, weshalb es von großer Bedeutung war, die Pflicht zur Aufzeichnung von Grenzübertritten seit dem 20. August 2020 bei analogen und seit 02. Februar 2022 bei digitalen Fahrtenschreibern gesetzlich zu fixieren. Wenn über die ab 21. August 2023 neu eingeführte Version 2 der intelligenten Fahrtenschreiber auch Be- und Entladevorgänge erfasst werden sollten (bislang fehlt es an einer gesetzlichen Verpflichtung dazu für den Fahrer) und diese neueste Version in der Folge bis August 2025 in allen grenzüberschreitend eingesetzten Fahrzeugen eingebaut sein müssen, wird eine bislang weit aufklaffende Kontrollierbarkeitslücke zusehends geschlossen.
Beim Risikoeinstufungssystem hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Unternehmen bzw. Verkehrsleiter wurde durch das Mobilitätspaket auch die Verstoßkategorie „Kabotage” hinzugefügt, was eine weitere Motivation für künftig rechtskonformeres Verhalten sein dürfte.
Die Mitgliedstaaten werden zudem verpflichtet, mindestens zwei Mal pro Jahr untereinander abgestimmte spezifische Kabotagekontrollen durchzuführen, an denen sich im Einzelfall mindestens zwei Mitgliedstaaten beteiligen müssen.
Änderungen beim Vor- und Nachlauf im grenzüberschreitenden Kombiverkehr?
Bis Februar 2022 wird der rein innerstaatliche Straßentransport im Vor- und Nachlauf zu einem grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr nicht als gesonderter Kabotagetransport eingestuft, sondern als Teil der grenzüberschreitenden Beförderung betrachtet. Den Mitgliedstaaten wird künftig die Möglichkeit eingeräumt, diese Transporte unter spezifischen Voraussetzungen auch als Kabotagetransport einzustufen. Es wird sich zeigen, wie sich Bund und Länder in der Sache positionieren und ob es an dieser Stelle zum Paradigmenwechsel kommt.

Was ist darüber hinaus zu beachten?

Bitte beachten Sie, dass auch der Auftraggeber einer Transportdienstleistung, die mit einem Fahrzeug mit einer zHm von mehr als 3.500 kg erbracht wird, aus dem Güterkraftverkehrsrecht heraus haftungsrechtliche Konsequenzen befürchten muss, wenn er nicht überprüft hat, ob das beauftragte Unternehmen die rechtlichen Voraussetzungen zur Durchführung der konkreten Transporte erfüllt (will sagen: im Besitz einer entsprechenden GÜLTIGEN Genehmigung ist). Unter der Überschrift „Kontrollpflichten des Auftraggebers” haben wir die wesentlichen Informationen zusammengetragen.
Auch im Fahrpersonalrecht bestehen für nahezu alle in der Transportkette Beteiligten im Einzelfall Verantwortlichkeiten und Haftungsfallen.
Ebenso sollten ergänzend die Informationen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) beachtet werden. Auf der Website des BAG ist auch der Buß- und Verwarnungsgeldkatalog zum Güterkraftverkehrsrecht hinterlegt. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Vorschriften können diesem zufolge Bußgelder von bis zu 2.500 Euro erhoben werden.
* Die zitierten Ausführungen des BAG basieren noch auf der bis 20. Mai 2022 geltenden Rechtslage, dernach im grenzüberschreitenden Einsatz eine Genehmigung erst dann notwendig war, wenn das Fahrzeuge (oder die Zugfahrzeug-Anhänger-Kombination) eine zulässige Höchstmasse (zHm) von mehr als 3,5 t aufgewiesen hatte. Seit 21. Mai 2022 beträgt die Tonnagegrenze hinsichtlich der Genehmigungspflicht mehr als 2,5 t zHm.
Stand: Juni 2022