2019: Der ausgehandelte Kompromiss schwächt Tourismus und Handel

Der damalige Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit, Harry Glawe, hat am 9. Januar 2019 einen Referentenentwurf zur Bäderregelung vorgelegt und über die Eckpunkte einer neuen „Bäderregelung“ für Mecklenburg-Vorpommern informiert.
Anzuerkennen ist sein Bestreben, eine streitfreie und planungssichere Verordnungsgrundlage schaffen zu wollen. Der Entfall der bisherigen Verkaufsflächenbegrenzung und die vorgesehene Aufnahme einer Verlängerungsoption könnte auf der „Habenseite“ verbucht werden.
In der Gesamtbetrachtung ist der Verordnungsentwurf aber ein weiterer Rückschritt gegenüber der aktuell noch geltenden, aber ohnehin schon restriktiven Regelung: Weitere Orte werden aus der Ortsliste herausgenommen, die Anzahl der Sonntage wird nochmals deutlich reduziert und der neue Saisonbeginn am 15. April – statt bisher 15. März – ist nicht nachvollziehbar.

Juristisches Terrain ist schwierig

Das juristische Terrain ist bekanntermaßen schwierig und – seien diese auch noch so verständlich – nicht alle Wünsche weiter Teile der Wirtschaft sind aufgrund der Rechts- und Gesetzeslage umsetzbar: Die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutzes, die Voraussetzungen für Ausnahmen davon sowie die Klagebefugnis und Betroffenheit von Kirchen und Gewerkschaft sind bereits höchstrichterlich durch das Bundesverfassungs- wie auch Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden. Auch im Land hatte das Oberverwaltungsgericht Greifswald (OVG) 2010 eine damalige Bäderregelung in weiten Teilen für unwirksam erklärt, gleichwohl aber dem Verordnungsgeber einen weiten Ermessensspielraum zugestanden und sinngemäß festgestellt, dass es gerade in den touristisch geprägten Orten ein anderes Versorgungsinteresse als in anderen Orten geben könne.

Verschlechterung zu Ostern

Der Verordnungsentwurf des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern stellt auf das Verhältnis von Urlaubern/Tagesgästen zu Einwohnern ab. Damit soll in der neuen Regelung eine „Konkretisierung“ der Saison erfolgen, die sich im Ergebnis mit Beginn 15. April und Ende am 30. Oktober als eine deutliche Kürzung des bislang möglichen Zeitraums (15. März bis erster Sonntag im November) darstellt. Daran vermag auch eine ergänzend vorgesehene „Osterregelung“ nicht viel zu ändern. Wenn – und nur wenn – Ostern in den März fällt, soll die Saison bereits am 15. März beginnen. Das bedeutet: Wenn Ostern kalendarisch im Zeitraum 1. bis 14. April, liegt wird der Saisonbeginn erst am 15. April sein. Damit werden im vorgesehenen fünfjährigen Geltungszeitraum bis 2024 die überwiegende Anzahl der Osterfeste nicht unter die Regelung fallen (Jahre 2020, 2021 und 2023) und nur einmal die „März-Konstellation“ zum Tragen kommen. Diese Regelung ist wenig verständlich, dürfte kaum vermittelbar sein und sollte daher dringend nachgebessert werden.
Im Vergleich zur jetzigen Regelung würden in Summe sieben Orte bzw. Ortsteile weniger im Anwendungsbereich der Bäderregelung enthalten sein. Statt bislang 79 Orte/Ortsteile sollen es künftig nur 72 sein, wobei zwölf Orte hinausfallen und fünf Ortsteile (überwiegend die bisherigen sogenannten „Freizeiteinrichtungen“), die zuvor anders geregelt waren, nunmehr explizit in die Ortsliste aufgenommen werden. Aus dem Verhältnis von Urlaubern zu Einheimischen soll auch die Aufnahme bzw. der Herausfall aus den Ortslisten folgen. Nach ersten Reaktionen aus den herausgenommenen Orten/Ortsteilen wurde deren Tourismusaufkommen offenbar nicht hinreichend ermittelt bzw. zugeordnet und deshalb unzutreffend festgestellt. Diesen Orten sollte daher kurzfristig die Möglichkeit gegeben werden, entsprechende Kennzahlen aktualisieren zu können und so ggf. doch noch in die Ortslisten aufgenommen zu werden.

Bestrebungen der Unternehmer werden konterkariert

Die im November 2018 veröffentlichte Landestourismuskonzeption verweist an verschiedenen Stellen zu Recht auf Wettbewerbsdestinationen wie Schleswig-Holstein und deren Wettbewerbsposition im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern. Mecklenburg-Vorpommern verliert danach schon seit einiger Zeit touristische Marktanteile. Im Zielsystem benennt die Tourismuskonzeption u. a. die Steigerung der Gästezufriedenheit oder die Sicherung eines ganzjährigen Auskommens, d. h. Steigerung des Gästeaufkommens in Vor-, Nach- und Nebensaison (= Saisonverlängerung). Zudem beschreibt die Konzeption die herausragende wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus für Mecklenburg-Vorpommern. Für das Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern ist deshalb auch die Möglichkeit der Sonntagsöffnung in den Tourismusorten wichtig.
Wie in anderen Tourismusregionen – national wie international – erwarten die meisten Gäste geöffnete Geschäfte. Die weitaus überwiegende Zahl der Unternehmen aus Tourismuswirtschaft und Handel betonen deshalb die Notwendigkeit einer Sonntagsöffnung in den touristisch geprägten Orten. Das Land fordert die Unternehmen auf, in saisonverlängernde Maßnahmen zu investieren und fördert diese auch. Mit einer weiteren Verkürzung des Öffnungszeitraumes der Läden werden diese Bestrebungen konterkariert. Ganz offensichtlich hat ver.di Nord mit zweierlei Maß gemessen: In Schleswig-Holstein sind 2019 durch die Bäderregelung bis zu 45 Sonn- und Feiertage freigegeben, in Mecklenburg-Vorpommern werden es nach dem Verordnungsentwurf hingegen lediglich bis zu 26 Sonntage statt wie bisher bis zu 33 sein können. Besonders für den politischen Raum ist festzuhalten, dass für den Tourismusstandort Mecklenburg-Vorpommern der Wettbewerbsnachteil nicht gemindert, sondern nochmals verstärkt werden wird.

IHKs erwarten zügige ­Nachbesserungen

Der Verordnungsentwurf wurde ohne Einbindung des Bäderbeirats, in dem auch die Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern (IHKs) vertreten sind, zwischen Wirtschaftsministerium und Gewerkschaft ausgehandelt. Aus den vorstehenden Gründen haben die IHKs in Mecklenburg-Vorpommern den Referentenentwurf vorerst lediglich zur Kenntnis genommen, verbunden mit der Erwartung, dass kurzfristig der Dialog mit ver.di Nord nochmals geöffnet wird. Der Wirtschaftsminister hat zwischenzeitlich zugesagt, mit der Gewerkschaft in die „Nachspielzeit“ zu gehen. Dies muss allerdings schnell erfolgen.
Da nicht zu erwarten ist, dass die gegen die OVG-Entscheidung eingelegten Rechtsmittel die bislang geltende Regelung „retten“ werden, soll eine Neuregelung spätestens zum 15. April 2019 in Kraft treten.
Für die Planungssicherheit der Betriebe ist eine verlässliche Regelung, die wettbewerbsfähig, rechtssicher, anwendbar und verständlich ist, unabdingbar. Deshalb sollte kurzfristig ein mit Schleswig-Holstein vergleichbares „Dialog-Format“ geschaffen werden, in dem Ministerium, Gewerkschaft, Kirchen und Wirtschaft an einen Tisch kommen. Die gesamte Landesregierung ist aufgerufen, das federführende Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit in diesem Sinne zu unterstützen. Ausgehend vom gesellschaftlichen Wandel und den zunehmend disruptiven Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wäre es darüber hinaus wünschenswert, die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Sonn- und Feiertagsschutzes zu evaluieren, auf den Prüfstand zu stellen und entsprechend zu modifizieren.

Vorgeschichte eines Kompromisses

Am 1. Januar 2016 war in Mecklenburg-Vorpommern eine geänderte „Bäderregelung“ in Kraft getreten. Den Kirchen war und ist hoch anzurechnen, dass sie trotz weiterhin bestehender Bedenken die damalige Neuregelung nicht angegriffen haben. Nicht nur vor diesem Hintergrund ist daher die von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di Nord) angestrengte Klage unverständlich. Ver.di Nord hatte 2016 vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald (OVG) zunächst versucht, die Regelung im Wege eines Eilverfahrens zu „kippen“. Das OVG hatte die Eilbedürftigkeit dann zwar verneint, eine materiell-rechtliche Würdigung jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Zu diesem hat, da ver.di Nord die Klage zuvor nicht zurückgenommen hat, das OVG am 18. Juli 2018 entschieden und die Bäderverkaufsverordnung aus formalen, nicht aber inhaltlichen Gründen für unwirksam erklärt. In der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2018 hatte das Gericht zuvor den Parteien ausführlich Hinweise gegeben, an welchen Stellen es die Bäderverkaufsverordnung für problematisch hält und wo nicht. Das Gericht hatte allerdings auch sehr deutlich hinterfragt, warum ver.di Nord, zuständig für beide Bundesländer, die Bäderverkaufsverordnung in Mecklenburg-Vorpommern beklagt und in Schleswig-Holstein eine weitaus liberalere Regelung seit dem Jahr 2013 und dort nach Verlängerung im Mai 2018 auch weiterhin mitträgt.

Auch weiterhin kein Verkauf an Sonntagen, die gesetzliche Feiertage sind

Nach § 10 des Gesetzes über die Laden­öffnungszeiten für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Ladenöffnungsgesetz – LöffG M-V) kann in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr an Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, der gewerbliche Verkauf zugelassen werden. Die Öffnungszeiten müssen außerhalb der Hauptzeit der Gottesdienste liegen. Der Monat Dezember darf, mit Ausnahme des ersten Advents, nicht freigegeben werden.
Nach dem Feiertagsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (FTG MV) sind gesetzliche Feiertage, an denen ein Verkauf nicht zulässig ist:
  • Neujahrstag (1. Januar)
  • Frauentag (8. März)
  • Karfreitag
  • Ostermontag
  • Maifeiertag (1. Mai),
  • Christi-Himmelfahrtstag
  • Pfingstmontag
  • Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober)
  • Reformationstag (31. Oktober)
  • Weihnachtsfeiertage (25. Dezember) und (26. Dezember)
Oster- und Pfingstsonntag sind zwar keine gesetzlichen Feiertage, gleichwohl enthielt/ enthält die Bäderregelung (s. § 3 Abs. 2) an diesen Tagen eine Einschränkung: Aufgrund der „überragenden touristischen Bedeutung“ ist der gewerbliche Verkauf nur in den Orten/ Ortsteilen
  • Warnemünde
  • Graal-Müritz
  • Kühlungsborn
  • Waren (Müritz)
  • Zingst
  • Boltenhagen
  • Heringsdorf und
  • Binz
zulässig. Für alle anderen in der Bäderregelung aufgeführten Orte/ Ortsteile wird der gewerbliche Verkauf am Oster- und Pfingstsonntag nicht freigegeben!
Neben der „Bäderregelung“ ist für einzelne Orte/ Ortsteile unter den dort genannten Voraussetzungen eine Sonntagsöffnung nach § 6 LöffG M-V, Verkauf an Sonntagen aus besonderem Anlass, an jährlich höchstens vier Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, zulässig. Die Öffnungszeit muss außerhalb der Hauptzeiten der Gottesdienste liegen. Sonntage des Monats Dezember mit Ausnahme des ersten Advents dürfen nicht freigegeben werden.
Außerhalb des Anwendungsbereiches der Bäderregelung ist unter den in § 5 LöffG M-V „Sonderverkaufszeiten“ in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen ein Verkauf an Sonn- und Feiertagen möglich. Danach ist an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen für bis zu fünf Stunden der Verkauf von Bäcker- oder Konditorwaren, Milch und Milcherzeugnissen, Reiseandenken, Tabakwaren, Blumen sowie Zeitungen und Zeitschriften zugelassen, sofern diese Waren in der Verkaufsstelle das Hauptsortiment darstellen. Daneben dürfen als Nebensortiment auch Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen verkauft werden. Am 1. Mai ist der Verkauf erlaubt, wenn die Ladeninhaberin/der Ladeninhaber oder deren Familienangehörige unter Freistellung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Verkauf persönlich durchführen.
Peter Volkmann, IHK zu Rostock