Reformierung des europäischen Mehrwertsteuersystems

Das sogenannte „Jahressteuergesetz 2019“ wurde durch Bundestag und Bundesrat verabschiedet und ist seit 1. Januar 2020 in Kraft.
Im Folgenden stellen wir Ihnen die Änderungen im Umsatzsteuergesetz (UStG-E) siehe Artikel 8 ff. und in der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV-E) siehe Artikel 11 ff. vor.
Es handelt sich hierbei um den aktuellen Stand (September 2019). Unter Umständen können sich noch Änderungen ergeben.

Voraussetzungen für die Steuerfreiheit

bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Tipp: Unternehmen sollten bestehende Prozesse und Lieferszenarien überprüfen.
Eine gültige Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IDNr.) und die Zusammenfassende Meldung (ZM) sind seit 1. Januar 2020 materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen. Bisher war die gültige USt-ID lediglich eine formelle Voraussetzung. Somit gewinnen regelmäßige qualifizierte Abfragen der Gültigkeit der USt-ID erheblich an Bedeutung.
Nach § 6a Abs.1 S.1 UStG ist die Steuerbefreiung zusätzlich abhängig von folgenden Voraussetzungen:
  • Empfänger muss für mehrwertsteuerliche Zwecke in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Abgangsmitgliedsstaat registriert sein
  • Empfänger muss dem Lieferanten die USt-ID mitgeteilt haben
  • Lieferant muss den Umsatz rechtzeitig und korrekt in der Zusammenfassenden Meldung über das MIAS-System gemeldet haben

Formeller Nachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen

Neuregelung zum Belegnachweis

Tipp: Unternehmen sollten ihre Prozesse analysieren und gegebenenfalls anpassen.
Es wird eine widerlegbare Vermutungsregelung  zum Nachweis, dass ein Gegenstand in einen anderen Mitgliedsstaat gelangt ist, eingeführt. Das bedeutet, sofern die in § 17a UStDV-E geregelten Nachweise vorliegen, wird widerlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen. Die Finanzbehörde kann diese Vermutung durch konkrete Tatsachen widerlegen. Ist dies der Fall, muss der Steuerpflichtige den Nachweis für die Steuerfreiheit führen.
Ausschlaggebend ist lediglich, ob die Transportverantwortung beim Lieferanten oder beim Empfänger liegt. Eine Unterscheidung zwischen Beförderung und Versendung erfolgt nicht mehr.
Verantwortung für Warentransport liegt beim Lieferanten:
  • Widerlegbare Vermutung für den Fall, dass Gegenstände vom Lieferer unmittelbar oder auf seine Rechnung von einem Dritten befördert/versandt werden.
    • Lieferer verfügt über mindestens zwei Belege von Personen, die von ihm und vom Erwerber unabhängig sind (zum Beispiel: unterzeichneter CMR-Frachtbrief, Konnossement, Luftfracht-Rechnung, Rechnung des Beförderers der Gegenstände) oder
    • Lieferer verfügt über einen der oben genannten Belege und ein anderes Dokument:
      • Versicherungspolice für Beförderung/Versendung der Gegenstände oder
      • Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands/der Beförderung der Gegenstände belegen
      • öffentliche Unterlagen wie zum Beispiel Notar, der die Ankunft im Bestimmungsland bestätigt oder
      • Quittung des Lagerinhabers im Bestimmungsmitgliedsstaat
Verantwortung für Warentransport liegt beim Empfänger:
  • Der Lieferer benötigt zusätzlich zu den zwei Belegen eine schriftliche Erklärung des Empfängers, dass der Liefergegenstand von ihm oder auf seine Rechnung von einem Dritten befördert oder versandt wurde. Diese ist bis spätestens zum 10. Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorzulegen. Die Erklärung muss folgende Angaben enthalten:
    • Ausstelldatum
    • Name und Anschrift des Erwerbers
    • Menge und Art der Gegenstände
    • Ankunftsdatum und –ort der Gegenstände
    • Bestimmungsmitgliedsstaat
    • bei Fahrzeugen die Identifikationsnummer des Fahrzeugs
    • Identifikation der Person, die die Gegenstände auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt
Gleichzeitig wird durch die Beibehaltung der §§ 17a und 17b als §§ 17b und 17c UStDV-E verbindlich festgelegt, dass der Nachweis in Deutschland auch weiterhin anhand der „alten“ Belege geführt werden kann.

Neuregelungen bei Reihengeschäften

Nach § 3 Abs. 6a UStG ist im Reihengeschäft nur eine Lieferung die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. Es erfolgte bisher jedoch keine ausdrückliche Regelung für die Fälle, in denen der erste oder letzte Unternehmer für den Transport verantwortlich ist.
Dies soll nun nach § 3 Abs. 6a UStG-E ab 1. Januar 2020 ausdrücklich geregelt werden:
  • Liegt die Beförderung/Versendung in der Verantwortung des  ersten Lieferers in der Reihe (versendet er die Gegenstände selbst oder auf eigene Rechnung durch einen Dritten) kann die steuerbefreite Beförderung/Versendung nur der ersten Lieferung zugeschrieben werden.
  • Bei Beförderung/Versendung auf Rechnung des letzten Abnehmers in der Reihe kann die steuerbefreite Beförderung/Versendung nur der letzten Lieferung zugeordnet werden.
  • Ist einer der Zwischenhändler innerhalb der Reihe für den Transport verantwortlich, gilt grundsätzlich die Lieferung an ihn als die bewegte Lieferung - es sei denn er teilt seinem Lieferanten seine USt-ID des Abgangsstaates mit.

Vereinfachungsregelung für Konsignationslager

Nach § 6b UStG-E liegt eine direkte innergemeinschaftliche Lieferungen vor, wenn die Entnahme der Waren innerhalb von 12 Monaten nach Bestückung erfolgt und foldende Punkte alle erfüllt sind:
  • bei Transport bereits ein Vertrag mit dem Abnehmer besteht, dass die Ware zu einem späteren Zeitpunkt an diesen Kunden geliefert wird,
  • der Lieferant nicht im Zielland ansässig ist,
  • der Abnehmer eine gültige USt-IdNr. des Ziellandes hat,
  • bei Transport die Identität des Kunden und dessen USt-IdNr. bekannt sind und
  • der Lieferant den Transport in einem speziellen Register und die USt-IdNr. des Abnehmers gesondert in seiner zentralen Meldung meldet.
Es ist nicht mehr Voraussetzung, dass die Beteiligten zertifizierte Steuerpflichtige sind.