BMF: Brexit und Umsatzsteuer

Seit dem Brexit ist das Vereinigte Königreich (VK) grundsätzlich mit allen umsatzsteuerlichen Konsequenzen Drittland im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG.
Auf Umsätze ab dem 1. Januar 2021 sind die Vorschriften zur Umsatzbesteuerung des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU grundsätzlich nicht mehr anzuwenden. Das VK ist künftig nicht mehr an die weitgehend harmonisierten Vorschriften des europäischen Umsatzsteuersystems (z. B. Höchst-/Mindestumsatzsteuersätze, Anwendung Reverse Charge) gebunden. Die Prüfung des nationalen britischen Rechts wird für Unternehmen noch relevanter.
Mit dem Anwendungsschreiben vom 10. Dezember 2020 gibt die Finanzverwaltung Hinweise, was die Unternehmen im Zusammenhang mit dem Brexit beachten sollten. Im Warenverkehr sind künftig zollrechtliche Vorschriften zu beachten und Lieferungen nach UK sind entsprechend den Vorschriften für Ausfuhren sowie Lieferungen aus dem VK den Vorschriften für die Einfuhr/Einfuhrumsatzsteuer zu behandeln. Bezüglich Dienstleistungen ändern sich teilweise die Vorschriften für die Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsortes. Soweit bisher z. B. für elektronisch erbrachte Dienstleistungen der sogenannte Mini-one-stop-shop (MOSS) angewendet wurde, entfällt diese Möglichkeit mit dem Brexit. Das gilt u. a. auch für das Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG, mit dem UStIdNrn qualifiziert überprüft werden können.

Sonderstatus Nordirland

Eine Ausnahme wird nach dem Nordirland-Protokoll (= Teil des Austrittsabkommens) für die Besteuerung des Warenverkehrs mit Nordirland gelten. Nordirland wird insoweit wie Gemeinschaftsgebiet behandelt werden; es gelten die Vorschriften für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Warenhandels. Hintergrund ist die Vermeidung einer harten Grenze mit Kontrollen zwischen Irland und Nordirland.
Im Ergebnis ist wie folgt zu unterscheiden:
  • Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Großbritannien (d. h. Mutterinsel einschl. Kanalinseln usw.): Drittland
  • Dienstleistungsverkehr mit Nordirland: Drittland
  • Warenverkehr mit Nordirland: wie Gemeinschaftsgebiet
Unternehmer, die in Nordirland registriert sind, werden eine USt-IdNr. mit dem Präfix „XI“ erhalten. GB-Nummern werden für Besteuerungszeiträume nach dem 31. Dezember 2020 ungültig sein (vgl. Rz. 22).

Umsatzsteuer

Insbesondere sei auf Folgendes hingewiesen:
Lieferungen vor dem Austrittszeitpunkt sind als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln, danach als steuerfreie Ausfuhrlieferungen – jeweils das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unterstellt. Wurde die Ware vor dem Austrittszeitpunkt im VK auf den Weg gebracht, trifft aber erst danach in Deutschland ein, ist aus deutscher Sicht zwar grundsätzlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1a UStG) gegeben. Auf die Umsatzbesteuerung des Erwerbs wird jedoch verzichtet, wenn der Unternehmer die Besteuerung der Einfuhr nachweist (Rz. 9).
Bei Dauerleistungen, deren Erbringung sich über den Austrittszeitpunkt hinweg erstreckt, ist für die Besteuerung auf den Zeitpunkt der Vollendung der Leistung abzustellen. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen, z. B. Duldungs- oder Unterlassungsleistungen, ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt (Rz. 12). Danach richtet sich die Anwendung der Ortsbestimmungen – je nachdem ob UK noch zur EU gehört oder nicht.
Die Anwendung des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 16 Abs. 1a i. V. m. § 18 Abs. 4c und § 18h UStG ist für Umsätze ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr möglich. Die Finanzverwaltung weist in Rz. 14f darauf hin, dass Erklärungen bis zum 20. Januar 2021 beim jeweiligen Besteuerungsstaat eingegangen sein müssen. Deutsche Unternehmen müssen ihre bis einschließlich 31. Dezember 2020 an private Kunden im VK erbrachten elektronischen Umsätze beim BZSt so frühzeitig erklären, dass die Steuererklärungen bis zum Ablauf des 20. Januar 2021 an die zuständigen britischen Behörden weitergeleitet werden können. Für Erklärungen, die nicht rechtzeitig weitergeleitet werden konnten, kann nicht mehr der MOSS (= Mini-One-Stop-Shop) genutzt werden. Es gelten die britischen Vorschriften. Im umgekehrten Fall müssen britische Unternehmen entsprechende Umsätze grundsätzlich unmittelbar im allgemeinen Besteuerungsverfahren beim für UK-Unternehmen zuständigen Finanzamt Hannover-Nord erklären (Ausnahme: Anwendung eines entsprechenden Verfahrens in einem anderen EU-Mitgliedstaat).

Vorsteuer

Ein im Inland ansässiger Unternehmer, dem nach dem 31. Dezember 2020 Vorsteuerbeträge im VK entstehen, muss deren Vergütung nach den Vorschriften für das Erstattungsverfahren für Drittstaaten-Unternehmen unmittelbar bei den britischen Behörden beantragen. Dies gilt für Vorsteuerbeträge, die im Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Großbritannien oder im Dienstleistungsverkehr mit Nordirland entstanden sind. Dabei sind u.a. Mindestbeträge sowie die um drei Monate kürzere Frist bis zum 30. Juni des Folgejahres zu beachten (Rz. 19f). Die Erstattung setzt voraus, dass UK künftig im Verhältnis zu Drittstaaten-Unternehmen ein Vergütungsverfahren durchführt.
Für Vorsteuerbeträge, die vor dem 1. Januar 2021 entstanden sind, sind entsprechende Anträge auf Erstattung spätestens bis zum 31. März 2021 zu stellen (Rz. 18) (Artikel 51 Abs. 3 des Austrittsabkommens).
Im Zusammenhang mit den neu eingeführten Haftungsvorschriften beim Handel über das Internet wird es nicht beanstandet, wenn einem Marktplatzbetreiber die „haftungsausschließende“ Bescheinigung des britischen Händlers über dessen Registrierung in Deutschland erst zum 31. Januar 2021 vorliegt.
Das vollständige Schreiben des BMF finden Sie unter “Weitere Informationen”.