12. Dezember 2023

Sozialer Frieden und Klimaschutz setzen Wohlstand voraus

Gerhard Pfeifer, Präsident der IHK Schwaben, zieht zum Ende der fünfjährigen IHK-Wahlperiode eine persönliche Bilanz und beschreibt künftige Handlungsfelder 
Die Welt- und Wirtschaftsordnung ist im Umbruch, Widersprüche tun sich auf, der notwendige wirtschaftliche Wandel ist vielen Risiken ausgesetzt. Zum Ende dieses herausfordernden Jahres zog Gerhard Pfeifer eine persönliche Bilanz der IHK-Wahlperiode 2018 bis 2023 und warf im Kontext zum IHK-Aktivitätenprogramm FIDEM einen Blick auf die künftigen Handlungsfelder der Wirtschaftspolitik und der Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen. „Sozialer Frieden und Klimaschutz in Deutschland und der Welt sind ohne Wohlstandsentwicklung in großen Teilen der Welt nicht möglich. Die Stärken des Geschäftsmodells Deutschland können dazu wertvolle Beiträge leisten. Dafür notwendig sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die die Umbrüche annehmen, Widersprüche im eigenen Handeln aufgreifen und die Selbstverantwortung der Menschen stärken“, stellte der scheidende IHK-Präsident fest. 
Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft ist auf Talfahrt, die wirtschaftlichen Risiken nehmen zu. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage im Herbst 2023 traf sich die IHK-Vollversammlung vergangene Woche zu ihrer letzten Sitzung der zu Ende gehenden Wahlperiode. Neben einem Maßnahmenpaket zur Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit, der IHK-Positionierung zum möglichen Trassenverlauf der Bahn zwischen Ulm und Augsburg sowie wirtschaftspolitischen Positionen im Kontext zur Europawahl 2024 warf IHK-Präsident Gerhard Pfeifer einen hinterfragenden Blick auf die vermeintlichen Widersprüche unserer Zeit und die sich daraus ergebenden Herausforderungen. 
Arbeitskräftemangel: Bedürfnis- versus Fachkräftemigration 
Persönliche Not und die Hoffnung auf ein wirtschaftlich besseres Leben treiben die Menschen in die Migration und die Zahl der Geflüchteten auch in Bayerisch-Schwaben nach oben. Auf der anderen Seite kann jedes zweite IHK-Mitgliedsunternehmen offene Stellen nicht adäquat besetzen. Umso wichtiger ist es nach Pfeifers Worten, zu einer Steuerung der globalen Migration zu kommen und so einen Ausgleich des demographischen Wandels zu erreichen: „Wir müssen den Mut haben die eigenen Interessen klar zu verfolgen und die Menschen ins Land bringen, die unsere Unternehmen benötigen. Daneben sollten wir unsere Stärken beispielweise durch die Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt betonen.“ 
International: Protektionismus versus Freihandel 
„Die globalen Machtverhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschoben“, stellt Pfeifer beispielsweise mit Blick auf die Verteilung der Menschen und der Rohstoffe auf der Welt fest. 2009 hat der Anteil Chinas am Welthandel den Deutschlands überflügelt, seit 2013 auch den der USA. Die deutsche Abhängigkeit gerade des verarbeitenden Gewerbes von China ist groß. Pfeifer: „Wirtschaftliche Abhängigkeiten sind eine Realität. Wir müssen die Dynamik der Märkte annehmen und durch Kooperationen eines starken und im eigenen Binnenmarkt verankerten Europas zu wirtschaftlich vernünftigen Lösungen kommen.“ 
Energie: Klimaschutz versus Wohlstand 
Die rasante Zunahme des weltweiten CO2-Ausstoßes führt zur Erwärmung der Erde. Der kostspielige Alleingang Deutschlands bei der Energiewende führt global nicht zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle. Zudem wird der Wunsch nach einem größeren Wohlstand beispielsweise in Asien oder Afrika und damit bei über 70 Prozent der Weltbevölkerung, die Nachfrage nach günstiger Energie weiter massiv anwachsen lassen. Angesichts dieses stark wachsenden Wohlstandsanspruchs und dessen belastenden Auswirkungen auf das Klima fordert Pfeifer die eigene Regierung auf, sich auf global wirksame Maßnahmen zu fokussieren. Dagegen stellt er der deutschen Energiepolitik mit Blick auf die Ergebnisse der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage ein schlechtes Zeugnis aus, wonach 61 Prozent in den hohen Energiepreisen ein Risiko für ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung sehen. 
Digitalisierung: Digitalisierung versus Überforderung 
Die notwendige Transformation des deutschen Geschäftsmodells kann nur mit einer weiteren Digitalisierung der Wirtschaft gelingen. Allerdings ist der Standort Deutschland gerade mit Blick auf die fünf großen IT-Konzerne aus den USA, z. B. was die Bereiche Daten und Netze anbelangt, ins Hintertreffen geraten. „Wir müssen den Zugriff auf unsere Daten und den Ausbau unserer eigenen Netze durch gezielte Investitionen vorantreiben und den Menschen sinnvoll mit IT-Systemen verbinden. Als Menschen sind wir natürliche Lebewesen. Die Digitalisierung darf die Natur nicht übergehen. Ansonsten droht uns eine Überforderung“, stellt Pfeifer fest. 
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Regulierung versus Freiheit 
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen haben sich – getrieben durch die überbordende Bürokratie – zum größten wirtschaftlichen Risiko der heimischen Wirtschaft entwickelt. Der Erfüllungsaufwand neuer Gesetze und Regeln führt zu Bearbeitungs- und Dokumentationspflichten, die die Wirtschaft lähmen. Pfeifer: „Wir können der zunehmenden Komplexität nicht mit immer neuen Regeln begegnen. Wenn wir eine Implosion der Bürokratie verhindern wollen, dann wird uns das nur mit mehr Freiheit und damit mehr Selbstverantwortung gelingen.“ 
Pfeifer zeigt sich abschließend überzeugt, dass die richtigen Weichenstellungen weiterhin zu stabilem Wohlstand in Bayerisch-Schwaben als auch einem höheren Lebensstandard weltweit führen können: „Deutschland verfügt als Exportnation weltweit über exzellente Geschäftsbeziehungen und eine beachtliche Expertise im internationalen Handel. Mit dem Erfolgsmodell der dualen Ausbildung können wir Bildung und damit Wohlstand in der Welt fördern. Bayerisch-Schwaben ist ein breit aufgestellter und starker Wirtschaftsstandort und kann mit seinen innovativen Familienunternehmen weltweit zu einer klimagerechten Wohlstandsentwicklung beitragen. Es ist an der Politik diese Stärken zu stärken und den menschlichen Ideenreichtum und die Schaffenskraft zu fördern. Denn am Ende ist es nicht der Staat, sondern der in Unternehmen handelnde Mensch, der Wohlstand schafft.“