15. Mai 2023

Die Konjunktur stabilisiert sich – der Investitionsschub bleibt weiter aus

„Die im letzten Herbst befürchtete Rezession ist vorerst ausgeblieben. Wir sind glimpflich durch diesen Winter gekommen. Die Stimmung in der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft hellt sich im Frühjahr 2023 weiter auf“, kommentiert Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, die aktuellen Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage.
Der IHK-Konjunkturindex steigt auf 113 Punkte – der höchste Wert seit Beginn des Kriegs in der Ukraine. Allerdings liegt er weiterhin unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt.
IHK-Präsident Gerhard Pfeifer sieht trotz der Ergebnisse akuten Handlungsbedarf: „Obwohl sich die konjunkturelle Lage stabilisiert hat, bleibt der erhoffte Investitionsschub im Inland aus. Arbeits- und Fachkräfte fehlen, die bisherigen Energie- und Rohstoffkosten sind international nicht wettbewerbsfähig und positive Impulse aus dem Ausland fehlen derzeit.
Wenn die Politik nicht schnell die Weichen für eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und damit für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit stellt, droht Bayerisch-Schwaben ein schleichender Verlust seiner industriellen Substanz.“
Bessere Erwartungen heben die Stimmung
Die Bewertung der aktuellen Lage hat sich mit Blick auf die letzte Umfrage leicht verschlechtert. Treiber des IHK-Konjunkturindex, der sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen abbildet, sind die optimistischeren Geschäftserwartungen. Diese waren im vergangenen Herbst buchstäblich am Tiefpunkt.
Lucassen: „Die Geschäftslage und die Erwartungen nähern sich im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 an. Die aktuelle Geschäftslage ist allerdings quer über alle Branchen hinweg besser als die Erwartungen. Dennoch sind es die gestiegenen Erwartungen, die weiten Teilen der Wirtschaft neue Impulse geben.“
Industrie verliert an Kraft, Dienstleistungen boomen
Die Unterschiede zwischen der Geschäftslage und den Erwartungen der Branchen sind zwar nicht mehr so groß wie zu Beginn der Corona-Krise, sie bleiben allerdings spürbar. So verliert im Vergleich zur Vorumfrage einzig die Industrie an Schwung. Weiterhin am besten ist dagegen die Stimmung in der Dienstleitungsbranche.
Blickt man ausschließlich auf die aktuelle Geschäftslage, ist diese in der gesamten Wirtschaft positiv. Dennoch gibt es auch hier Unterschiede zwischen den Branchen. Über dem Durchschnitt liegen die Dienstleistungen sowie das Transportgewerbe, unter dem Durchschnitt das Reise- und Gastgewerbe, der Großhandel, das Baugewerbe, die Industrie und der Einzelhandel.
Die Erwartungen hellen sich im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 zwar weiter auf. Sie bleiben allerdings sowohl in Summe als auch im langfristigen Vergleich verhalten. Am pessimistischsten sind die Erwartungen im Baugewerbe und in der Industrie, am optimistischsten in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen.
Industrie hofft vergeblich auf Impulse aus dem Ausland
„Vom Auslandsgeschäft gehen aktuell keine positiven Wachstumsimpulse für die bayerisch-schwäbische Industrie aus“, stellt Lucassen mit Blick auf die Rückmeldungen der regionalen Produzenten fest. Die Entwicklung des weltweiten Auftragsvolumen ist im Saldo negativ.
Lucassen weiter: „Die Wirtschaftsprognosen gehen 2023 von einer leicht wachsenden Weltwirtschaft aus. Dies erklärt die positiveren Erwartungen der heimischen Industrie. Ob und in welchem Umfang diese profitieren wird, ist angesichts vieler Unwägbarkeiten allerdings nicht absehbar.“
Kein Vertrauen, keine Investitionen – die industrielle Substanz schwindet
Die Investitionsabsichten der Unternehmen haben sich im vergangenen Jahr kaum verändert. Sie verharren im Frühjahr 2023 auf dem niedrigen Niveau, das seit Beginn des Kriegs in der Ukraine herrscht. „Der erhoffte Investitionsschub im Nachgang der letzten Krisenjahre bleibt aus“, so Lucassen.
Die Gründe für die geringen Investitionsabsicht der heimischen Wirtschaft im Inland sind vielfältig: geopolitische Risiken, steigende Finanzierungskosten oder unklare Rahmenbedingungen der Energie- und Klimawende wirken sich negativ auf das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort aus.
Lucassen: „Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Bayerisch-Schwaben hängt entscheidend von den heutigen Investitionsausgaben ab. Ohne Investitionsschub droht eine schleichende Erosion der industriellen Substanz, die in den kommenden Jahren zu Wohlstandsverlusten führen wird.“
Wirtschaftliche Risiken bleiben hoch
„Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist in der Risikobewertung angestiegen und stellt gemeinsam mit den Energie- und Rohstoffpreisen mit jeweils 65 Prozent das derzeit größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar“, so Pfeifer.
Die Bedeutung der Energie- und Rohstoffpreise ist für die Unternehmen weiterhin hoch, jedoch in ihrer Intensität rückläufig. Eine sinkende Inlandsnachfrage, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und steigende Arbeitskosten sind für rund jedes zweite Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko.
Die Zukunft entscheidet sich auch am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
In Bayerisch-Schwaben herrscht weiterhin Vollbeschäftigung. Die Region hat im deutschlandweiten Vergleich mit 3,0 Prozent die geringste Arbeitslosenquote.
Der Arbeits- und Fachkräftemangel führt dazu, dass Restaurants und Ladengeschäfte zeitweise schließen müssen, LKWs und Busse stehen bleiben und Produktionsschichten in der Industrie ausfallen müssen. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel den Arbeits- und Fachkräftemangel weiter verschärfen wird, da Jahr für Jahr mehr Renteneintritte als Schulabgänger zu verzeichnen sind – eine Lücke, die kontinuierlich anwächst.
Pfeifer: „Bayerisch-Schwaben ist ein starker Ausbildungsstandort. Trotz aller Herausforderungen stieg im letzten Jahr die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in IHK-Berufen. Dieser Trend muss sich allerdings verstetigen, ebenso wie die Zahl der Studienanfänger wieder steigen muss. Die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen brauchen jede tüchtige Hand und jeden schlauen Kopf, um den drohenden Verlust wirtschaftlicher Substanz zu stoppen.“
Pfeifer abschließend: „Gerade im internationalen Vergleich verliert unser Standort an Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik hat nun die dringliche Aufgabe, hier entschieden umzusteuern. Konkret heißt dies: unsere Infrastruktur zu modernisieren, den Bürokratieabbau nicht nur anzukündigen, sondern auch anzupacken, die Steuerlast auf ein international vergleichbares Niveau zu bringen, verlässliche Regeln für die digitale und energetische Transformation aufzustellen und alle in- wie ausländischen Potentiale für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu heben.“

Anmerkung:
An der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage haben im Umfragezeitraum vom 17. bis 27. April 2023 rund 800 Unternehmen aus allen Branchen, Größen und Regionen in Bayerisch-Schwaben teilgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage, die dreimal jährlich durchgeführt wird, sind daher repräsentativ für die Mitgliedsunternehmen der IHK Schwaben aus Produktion, Handel und Dienstleistungen.
Die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage in den bayerisch-schwäbischen Regionen, Landkreisen und kreisfreien Städten stellt die IHK Schwaben vom 22. bis zum 25. Mai 2023 im Rahmen regionaler Pressegespräche vor.