15. Dezember 2023

EU-Lieferkettengesetz wird zum Wettbewerbsnachteil für die heimische Wirtschaft

Die IHK Schwaben sieht nach der Einigung zum EU-Lieferkettengesetz enorme Belastungen auf die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen zukommen. „Die Achtung der Menschenrechte und der Schutz der Umwelt sind der stark exportorientierten Wirtschaft in Bayerisch-Schwaben wichtige Anliegen“, sagt IHK-Präsident Gerhard Pfeifer. „Doch die überbordenden Regelungen könnten ihre eigentlichen Ziele torpedieren und zum Wettbewerbsnachteil für die europäische Wirtschaft werden.“
Das Europaparlament hatte sich am Donnerstag mit dem Ministerrat auf europaweite Regelungen geeinigt, die umfassende Berichtspflichten für Unternehmen vorsehen und sie auch für Geschäftspartner und nachgelagerte Tätigkeiten in die Pflicht nehmen. Den Unternehmen drohen nicht zur zusätzliche Auflagen, sondern auch rechtliche Unsicherheiten und Haftungsrisiken. „Die Unternehmen werden mit bürokratischen Anforderungen überhäuft, die ihnen zunehmend den Spielraum für ihr Kerngeschäft nehmen“, warnt der IHK-Präsident. Die auf EU-Ebene erzielte Einigung sieht vor, dass bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden betroffen sind, wenn sie einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro pro Jahr erzielen. Für Unternehmen aus so genannten Risikosektoren wie z.B. der Textilindustrie, der Rohstoffgewinnung oder der Nahrungsmittelindustrie, gelten noch strengere Vorgaben. Bei Verstößen drohen teilweise empfindliche Strafen. Die finanziellen Sanktionen können bis zu fünf Prozent des globalen Nettoumsatzes eines Unternehmens betragen.
Auch kleine Unternehmen ohne Auslandsaktivität werden betroffen sein
Formal fielen rund 400 Unternehmen aus Bayerisch-Schwaben in den Geltungsbereich des europäischen Lieferkettengesetzes. „Die Erfahrungen zeigen, dass auch weitaus kleinere Unternehmen und selbst Betriebe, die gar nicht im Ausland aktiv sind, betroffen sein“, berichtet Gerhard Pfeifer. Er bezieht sich dabei auf die Auswirkungen des nationalen Lieferkettengesetzes, das seit Anfang 2023 gilt. Sind Unternehmen Zulieferer oder Partner direkt betroffener Unternehmen, müssen sie unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Umsatzvolumen umfassende Informationen liefern, sich in Compliance-Systemen registrieren, Fragebögen ausfüllen oder weitreichende Erklärungen abgeben.
Laut einer IHK-Umfrage aus diesem Jahr macht der bürokratische Aufwand, der durch das deutsche Lieferkettengesetz entsteht, mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen aus Bayerisch-Schwaben zu schaffen. Die unklaren und nicht praxistauglichen Vorgaben sowie die entstehenden Kosten sind für jeweils 76 bzw. 71 Prozent problematisch. Zum Jahreswechsel wird der Geltungsbereich der nationalen Regelungen ausgeweitet.
Europaweite Regelungen sind gut, aber nicht praxistauglich
Bislang gilt das Gesetz für Großunternehmen mit 3.000 Beschäftigte. Ab dem neuen Jahr sind bereits Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden betroffen. Die europäischen Regelungen gehen noch einmal weit über die nationalen Vorschriften hinaus und dürften die Belastungen für die Unternehmen deutlich erhöhen. „Wir teilen das Ziel, nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern, und begrüßen eine europaweit einheitliche Regelung“, so Pfeifer. „Aber wir dürfen die Unternehmen nicht mit Regelungen instrumentalisieren, die weder praxistauglich noch verhältnismäßig sind, um Aufgaben wahrzunehmen, die eigentlich in politischer Verantwortung liegen.“
Es drohen Verluste bei Wohlstand und weltweitem Einfluss
Pfeifer sieht angesichts der erzielten Einigung weitreichende Folgen für die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben: „Das Gesetz könnte den Rückzug der heimischen Wirtschaft aus verschiedenen Regionen der Welt befördern.“ Dass Pfeifers Sorge nicht unbegründet ist, belegt die Umfrage zum deutschen Lieferkettengesetz: Ein Viertel der Unternehmen gibt an, das Engagement in bestimmten Regionen der Welt bereits zu überprüfen. Rund 3.000 bayerisch-schwäbische Unternehmen sind derzeit auf internationalen Märken aktiv. Darüber hinaus könnten, so Pfeifers Befürchtung, attraktive Geschäftspartner im Ausland den von ihnen zu erfüllenden bürokratischen Aufwand ablehnen und sich anderen Kunden, etwa in Wachstumsmärkten wie Asien und Afrika, zuwenden. „Das EU-Lieferkettengesetz in dieser Form wird sowohl in den Zielländern als auch in Europa, speziell in Deutschland, zu Wohlstandsverlusten führen“, so Pfeifer. „Die von deutschen Mittelständlern in die Welt getragenen positiven Entwicklungsbeiträge werden sich verflüchtigen. Stattdessen überlassen wir die Entwicklung anderen und wundern uns hinterher, warum Länder wie China ihren Einfluss in der Welt ausbauen“, so der IHK-Präsident.