IHK Schwaben

Bahnprojekt Ulm-Augsburg: Teil der „Magistrale für Europa“

Die “Magistrale für Europa”, die Paris mit München, Wien und Budapest verbinden soll, geht Stück für Stück ihrer Vollendung entgegen. Die Hochgeschwindigkeitsstrecken in Frankreich (Paris-Straßburg) und wichtige Teilstücke in Süddeutschland sind fertig; noch offen ist der Lückenschluss in Bayerisch-Schwaben zwischen den ICE-Bahnhöfen Ulm und Augsburg. 
In dem Gutachterentwurf für den deutschlandweiten Taktfahrplan (“D-Takt”) kommt dem Bahnprojekt Ulm-Augsburg eine entscheidende Rolle zu. Vorgesehen ist, dass der ICE zwischen Ulm und Augsburg noch 26 Minuten benötigt (heute: 41 bis 43 Minuten); die Fahrzeit wird also um mehr als ein Drittel verkürzt. Diese Fahrzeitverkürzung ist Planungsprämisse und damit aus Sicht der Bahn nicht verhandelbar. Zusammen mit dem im Bau befindlichen Bahnprojekt Stuttgart-Ulm wird sich dann sich die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Augsburg von rund 1:40 Stunden auf weniger als eine Stunde verkürzen. Dieser Effekt kommt auch Reisen aus der Region Schwaben über Stuttgart hinaus zugute, z.B. nach Frankreich, Rhein/Main, Rhein/Ruhr.
Eine Aus- und Neubaustrecke der Bahn zwischen Neu-Ulm und Augsburg ist in dem 2016 verabschiedeten „Bundesverkehrswegeplan 2030“ als „vordringlicher Bedarf“ enthalten; rund zwei Milliarden Euro sind dafür veranschlagt. Die Deutsche Bahn hat am 28. Februar 2019 das Projekt offiziell gestartet.

Die vier Varianten

Die Deutsche Bahn AG hat am 16.10.2020 vier „Trassierungsräume“ für den Verlauf der künftigen Neu- und Ausbaustrecke Ulm–Augsburg vorgestellt. Um das Ziel, die Verkürzung der Fahrzeit von heute 41 bis 43 auf künftig 26 Minuten zu erreichen, soll der größere Teil der Strecke für Züge mit bis zu 300 km/h neu gebaut werden. Mit einem Ausbau der Bestandsstrecke alleine wäre dieses Fahrzeitziel nicht erreichbar. 
  • Allen Varianten ist gemeinsam, dass im Westen in einem Bereich zwischen Neu-Ulm (östlicher Rand des Stadtgebiets) und Nersingen/Unterfahlheim eine Neubaustrecke aus der bestehenden Strecke ausfädeln und im Osten in Dinkelscherben, in Diedorf oder direkt in Augsburg wieder in die Bestandsstrecke einmünden wird. 
  • Alle Varianten führen südlich an Günzburg vorbei; der bestehende Bahnhof Günzburg kann und soll aber über die Bestandsstrecke angebunden werden und nach den Planungen für den „Deutschland-Takt“ (siehe unten) fast doppelt so oft wie heute von Fernzügen angefahren werden.  
  • Die Neubaustrecke soll güterzugtauglich sein und deshalb mit geringen Steigungen auskommen. Darum werden alle Varianten voraussichtlich teilweise lange Tunnelstrecken erfordern. 
  • Die vier bzw. fünf Grundvarianten sind zum Teil „kombinierbar“, können also an den Schnittpunkten (vor allem im Bereich Jettingen-Scheppach) auf eine Trasse einer anderen Variante wechseln. 
Eine interaktive Grafik zu den Varianten findet sich auf der Projekt-Homepage der Bahn. 

IHK begleitet die Trassenauswahl

Gleichzeitig mit der Vorstellung der Trassierungsräume setzte die Deutsche Bahn AG einen „Projektkoordinierungsrat Bahnprojekt Ulm-Augsburg" ein. In diesem Gremium sind unter anderem vertreten: Stadtoberhäupter, Landräte, Mandatsträger aus Europaparlament, Bundes- und Landtag sowie die IHK Schwaben und Verbände aus Umwelt und Landwirtschaft.
Die IHK Schwaben setzt sich seit langem für das Bahnprojekt ein und hat sich – mit Beschlüssen von Präsidium, Vollversammlung, Verkehrsausschuss und den betroffenen Regionalversammlungen – seit 2015 mehrfach für eine ergebnisoffene Trassensuche ohne Vorfestlegungen und ohne Ausschluss einzelner Varianten ausgesprochen. Erklärtes Ziel sei, dass die künftige Trasse den Anforderungen für den Fernverkehr („Deutschland-Takt“) und den Interessen der Region (z.B. „Regio-Schienen-Takt“ mit dem zur „Mobilitätsdrehscheibe“ umgebauten Hauptbahnhof in Augsburg, Fernverkehrsanbindung Günzburgs) gerecht werde.
Die Verkehrsausschüsse der IHKs Schwaben und Ulm haben in gemeinsamen Sitzungen am 15.10.2020 und am 10.05.2022 diese Position bekräftigt und gefordert, die ,Trassierungsräume‘ für die Strecke müssten ergebnisoffen und vergleichend geprüft werden. Beide Ausschüsse wandten sich einstimmig “gegen Versuche, das Projekt insgesamt oder die Anforderungen an die künftige Infrastruktur in Frage zu stellen. Nach ihrer Überzeugung hätte ein Verzicht auf das Bahnprojekt langanhaltende negative Wirkungen für den Standort Schwaben und Ulm.” 

Für „türkis/orange“ und Bahnhof in Zusmarshausen

In dem Raumordnungsverfahren der Regierung von Schwaben im Herbst 2023 war die IHK Schwaben als Träger öffentlicher Belange aufgefordert, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu den Trassenvarianten Stellung zu beziehen. Mit den Unterlagen zur Raumordnung gab es erstmals die Möglichkeit, die Trassenvarianten zu vergleichen und zu bewerten. Eine Entscheidung der Regierung von Schwaben über die aus landesplanerischer Sicht „verträglichste“ Variante ist im Sommer 2024 zu erwarten.
In einer gemeinsamen Sitzung des IHK-Verkehrsausschusses mit Vertretern der IHK-Regionalversammlungen entlang der Trassen am 11.10.2023 kristallisierte sich dabei mit Blick auf die Belange der Wirtschaft eine Kombination aus den Trassenvarianten „türkis“ und „orange“ mit einem möglichen Regionalbahnhof in Tallage in Zusmarshausen als vorteilhafteste Lösung heraus. 
Schematische Darstellung der nach Ansicht der IHK Schwaben geeignetsten Trassenvariante:
Ulm-Augsburg Bahnstrecke
Ausschlaggebende Argumente für diese Kombination sind vor allem
  • eine insgesamt möglichst geringe Betroffenheit von Unternehmen und Gewerbegebieten, aber auch von sonstigen Siedlungsgebieten, was wiederum die Betroffenheiten durch Lärm oder Eingriffe in das Eigentum minimiert;
  • eine möglichst weitreichende Bündelung mit der Autobahn, um eine großräumige Zerschneidung des Raumes entlang einer weiteren Achse zwischen Ulm und Augsburg zu vermeiden;
  • die Möglichkeit, mit einem Regionalzug-Halt in Zusmarshausen einen Ort und einen vor allem nördlich davon gelegenen Raum an die Bahn anzuschließen, der bislang keinen Schienenanschluss hat. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Freistaat als Aufgabenträger eine Regionalverkehrsverbindung in Auftrag gibt;
  • der Vorteil einer absehbar sehr viel kürzeren Bauzeit im „freien Gelände“ gegenüber einer Ausbaustrecke, auf der „unter rollendem Rad“ gearbeitet werden müsste, verbunden mit jahrelangen Einschränkungen im Fahrplan, wie es sie beim Ausbau der Strecke Augsburg – München zwölf Jahre lang gab.
Die IHK Schwaben wird jedoch weiterhin jede der vier Trassenvarianten unterstützen, falls sich die aus Sicht der Wirtschaft vorteilhafteste Kombinationslösung „türkis/orange“ aufgrund anderer Argumente in der Raumordnung oder im Trassenauswahlverfahren der Deutschen Bahn nicht durchsetzen ließe.
Die komplette Stellungnahme der IHK Schwaben im Raumordnungsverfahren steht hier bzw. im Menü rechts/unten zum Download bereit.
Die Vollversammlung der IHK Schwaben hat mit einem einstimmigen Beschluss (eine Enthaltung) am 07.12.2023 die Bewertung des Projekts durch die IHK bestätigt und ein Positionspapier beschlossen; es steht hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 473 KB) bzw. im Menü rechts/unten zum Download bereit. 

Generalsanierung der Bestandsstrecke

Außerhalb des Raumordnungsverfahrens setzt sich die IHK Schwaben dafür ein, die bestehende Strecke Ulm–Augsburg im Rahmen der von der Deutschen Bahn für das Jahr 2030 angekündigten „Generalsanierung“ des Netzes zu modernisieren. Dazu zählen neben den Verkehrsanlagen (Gleise, Technik) auch die Stationen (inkl. Barrierefreiheit) sowie der Schallschutz. Die IHK begrüßt deshalb sehr, dass es gelungen ist, durch die Aufnahme der Bestandsstrecke Ulm–Augsburg in das bundesweite Programm der „Generalsanierungen“ die Modernisierung der alten Strecke und die Auswahl einer Neubaustrecke politisch voneinander zu entkoppeln.

Die Initiative „Magistrale für Europa”

Der Begriff „Magistrale für Europa“, ihr Zuschnitt (Paris-Wien–Bratislava/Budapest) sowie die Bezeichnung der gleichnamigen Initiative von Kommunen, Regionen und Industrie- und Handelskammern entlang der Bahn-Achse gehen zurück auf die in den 1980/90-er Jahren von der EU-Kommission definierten "Transeuropäischen Netze" (TEN 17).
Die Initiative „Magistrale für Europa“, der auch die IHK Schwaben angehört, setzt sich weiterhin für den Ausbau der noch fehlenden Abschnitte einer europäischen Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke zwischen Paris und Budapest ein. Am 27.09.2023 hat sich die Initiative formell zu einem Verein (e.V.) zusammengeschlossen, um vor allem auf europäischer Ebene mehr Gewicht und Mitsprachemöglichkeiten zu haben, und trägt den internationalen Namen „Main Line for Europe e.V.“. Vorsitzender ist der Karlsruher Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup.    
Stuttgart, Ulm und Augsburg liegen zentral an der 1500 Kilometer langen Bahnstrecke, die Städte und Regionen mit insgesamt 34 Millionen Bewohnern und 16 Millionen Beschäftigten in fünf Staaten verbindet. Die "Magistrale für Europa" verknüpft Städte und Agglomerationen von hoher wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung: Paris, Reims, Nancy, Metz, Strasbourg, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München, das oberbayerische „Chemiedreieck“, Salzburg, Linz, St. Pölten, Wien, Györ, Budapest.
Bahn-Achse ist Teil des „Rhein-Donau-Korridors“
Mit den 2012 durch den Rat der EU-Verkehrsminister verabschiedeten neuen Leitlinien für die Transeuropäischen Netze ist die bisherige TEN-17-Achse zu einem Teil eines neu definierten „Transeuropäischen Kernnetz-Korridors Nr. 9 Rhein-Donau“ geworden. Die insgesamt neun „Kernnetz-Korridore“ der EU sind nicht mehr auf einen Verkehrsträger (z.B. Bahn) beschränkt, sondern „multimodal“ angelegt, das heißt für unterschiedliche Verkehrsträger, aber auch mit Blick auf die Verknüpfung von Straße, Schiene und Luftverkehr.
„Augsburger Erklärung“ fordert rasche Realisierung
Auf ihrer Hauptversammlung am 12. Juni 2018 in der IHK Schwaben unter dem Motto „Engpässe beseitigen – ökonomische und ökologische Chancen für die ,Magistrale für Europa‘“ hat die Initiative ihre Forderung nach einer schnellen Realisierung der Hochleistungsachse Paris–Stuttgart–München–Wien–Bratislava/Budapest bekräftigt. In einer „Augsburger Erklärung“ verlangt sie konkrete Schritte an sieben Hauptpunkten. Dazu gehören die rasche Fertigstellung des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm sowie eine zügige Planung und Realisierung einer Neu- und Ausbaustrecke zwischen Ulm und Augsburg.