Horizont 2024

Verantwortung. Vorbild. Veränderung.

IHK zu Kiel widmet Jahresempfang der Zukunft des Unternehmertums

Die IHK zu Kiel feierte am Dienstag, 5. März, im Kieler Ostseekai ihren Jahresempfang unter dem Motto “Verantwortung.Vorbild.Veränderung“. Um die “Unternehmensunlust“ zu überwinden, brauche es dringend einen Imagewandel, mehr berufliche und unternehmerische Bildung sowie ein gesellschaftliches und politisches Umfeld, das Unternehmensgründung und -nachfolge wieder ermöglicht, zog IHK-Präsident Knud Hansen kritisch Bilanz. Die Rolle der “nächsten Generation“ fesselte die 1.200 gemeldeten Gäste aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft in den Terminal.
Deutschland erreicht Platz 21 von 34 im Ranking der Länder mit hohen Einkommen, trotz Steigerung ein Rangplatz im unteren Mittelfeld. Jährlich gibt der Global Entrepreneurship Monitor Aufschluss über unternehmerische Aktivitäten, Gründung und Gründungseinstellungen. Gleichzeitig ist der Generationswechsel in vollem Gange: So sind in Schleswig-Holstein von 2022 bis 2026 rund 6.700 Unternehmen übergabebereit – nur fehlen die Interessenten. Derweil steigen die Anforderungen für Firmenlenker immer weiter, denn die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen werden schlecht bewertet wie lange nicht. Wer traut sich, in diesem wirtschaftlichen Umfeld ein Unternehmen zu übernehmen oder zu gründen? Das diskutierte die IHK zu Kiel mit Fachleuten sowie Unternehmerinnen und Unternehmern.

Unternehmertum: Besser als sein Ruf?!?

“Die deutsche Unternehmungsunlust wird auf breiter Front sichtbar. Ich bin davon überzeugt, es mangelt nicht an der Eignung der Menschen. Es sind insbesondere externe Faktoren wie ein unsicheres Umfeld zum Investieren, marode Infrastruktur und die schleppende Digitalisierung. Wer sich davon noch nicht hat abschrecken lassen zu gründen oder ein Unternehmen zu übernehmen, der wird öffentlich mit Klischees konfrontiert. Mit diesen Stereotypen fangen wir heute an, aufzuräumen. Wir retten den Unternehmergeist!“, sagte IHK-Präsident Knud Hansen. Unternehmerinnen und Unternehmer seien häufig Menschen, die sich gesellschaftlich einbringen, zum Beispiel in der Feuerwehr oder der IHK-Vollversammlung, ihre Mitarbeitenden freistellen und durch Gewerbesteuern zum Wohlstand und zur Standortentwicklung beitragen. 
Ein Ergebnis der IHK-Nachfolgestudie ist jedoch, dass jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) keine passende Nachfolge findet. Als einen Grund machte Hansen hohe bürokratische Hürden aus. “Unternehmensübergaben, Nachfolgen und Gründungen sind für alle Beteiligten schon herausfordernd genug und nicht selten emotional. Hier ist es wichtig, dass diese Prozesse nicht durch bürokratische Anforderungen erschwert werden“, sagte Hansen in Richtung Politik.
Weil das keine Herausforderung sei, die die Betriebe allein lösen können, engagierten sich die IHKs in der Nachfolgeinitiative der Landesregierung. Der IHK-Präsident lobte die Landesregierung. “Das ist ein Paradebeispiel, was Wirtschaft und Politik erreichen können, wenn sie gemeinsamen handeln, Aufmerksamkeit für ein Thema erzeugen und Ideen entwickeln. Hier macht die Landesregierung gute Arbeit. Diese Blaupause, wollen wir ausweiten – zum Beispiel auf die berufliche und unternehmerische Bildung.“
Schleswig-Holstein sei eine Region mit großen Chancen und Perspektiven, sagte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen im Gespräch auf der Bühne mit Knud Hansen.
“Wir wollen klimaneutrales Industrieland bis 2040 werden. Die Energiewende bietet ebenso wie die digitale Transformation enorme Potenziale. Dieser Wandel, die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und die Sicherung unseres Wohlstands gelingen uns nur mit einem erfolgreichen Unternehmertum, das Zukunftsinvestitionen nicht scheut, Motor für innovative Lösungen und treibende Kraft hinter unserem Fortschritt bleibt.”
Mit der Unternehmensnachfolge-Initiative möchte die Landesregierung junge Menschen für den Schritt in die Selbstständigkeit begeistern oder mit der Entrepreneurship Education in Schulen dazu inspirieren, zu gründen.

Generation Verantwortung

Sarna Röser, ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer und designierte Unternehmensnachfolgerin, teilte in der Keynote ihre Vision für eine neue Unternehmergeneration. “Die Herausforderungen der globalen Gesellschaft erfordern verantwortungsvolles Unternehmertum, langfristiges Denken und Handeln sowie die Übernahme von Verantwortung, insbesondere von Familienunternehmern“, sagte Röser. Es sei Zeit, mutig Position zu beziehen, für Überzeugungen und Werte einzustehen und politisches Engagement als Pflicht zu sehen, um den Wirtschaftsstandort durch Unternehmergeist, Erneuerung, soziale Marktwirtschaft und Innovation zu stärken.

Eigen- und Fremdwahrnehmung von Unternehmertum

Im Experten-Panel diskutierte die IHK mit Gründerin, Unternehmerin und Sozialforscherin Bärbel Boy und Unternehmer Malte Gertenbach die gesellschaftliche Bedeutung des Unternehmertums und Ansätze für einen Imagewandel. Bärbel Boy präsentierte eine Neufassung der Studie “Rettet den Unternehmergeist!“. Darin sieht eine Mehrheit von 80 Prozent der Befragten Unternehmerinnen und Unternehmer als “profitgetrieben“, während 83 Prozent glauben, dass Unternehmertum spezifische, teils negative Charaktereigenschaften erfordere. Die Kielerin betonte den Gegensatz zwischen der Realität des Unternehmertums, geprägt von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit, und der öffentlichen Wahrnehmung, die Unternehmertum mit dem Verlust von Freiheit gleichsetzt. Boy: “Das stereotype Bild in der Bevölkerung ist gefährlich. Es steht in einem krassen Gegensatz zu den Hoffnungen, die Politik in unternehmerische Innovationen zur Überwindung der gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft setzt.“

Nordish by Unternehmertum

Der Kieler Gründer und langjährige Sprecher der Wirtschaftsjunioren, Malte Gertenbach, warf einen regionalen Blick auf die norddeutsche Unternehmerschaft. Junge Menschen brauchen Vorbilder das ist bei Gründern nicht anders. Wer ein unternehmerisches Vorbild in seinem Umfeld hat, neigt wesentlich stärker zum Unternehmertum. Die Wirtschaftsjunioren sind ein Standortvorteil, betonte er. Einzigartig in der Kiel Region ist, dass die Alumni, älter als 40 Jahre, als Förderer dem Netzwerk verbunden bleiben. Eine Verbundenheit, die oft ein Leben lang bleibt. Sie sind damit Symbol für die norddeutsche Unternehmerschaft. Die geringe Konzentration von Großunternehmen oder Konzernen mache Unternehmertum nah und erlebbar. Der Unternehmerinnen und Unternehmer sind hier Strandkorbflechter, Werften oder die Fischer und keine stilisierten Industriekapitäne. Neben nahbaren Vorbildern brauch es eine Portion Mut oder eher eine gesunde Portion Naivität und den Glauben an sich selbst. Seine Botschaft an Politik und Verwaltung ist: Machen ist die beste Schule! Junge Menschen brauchen Raum für eigene Projekte und Erfahrungen. Wer das Wissen anderer lernt und wiedergibt, findet nicht, was ihn selbst begeistert.
Und natürlich freuen wir uns schon darauf, auch im kommenden Jahr mit Ihnen zusammen unseren Jahresempfang Horizont zu feiern. Am 5. März 2025.