Transportmittel der Zukunft

Roboter am Steuer

Als man die Brigantine im Jahre 1872 fand, war sie mit ihrer Ladung von rund 1.700 Fass Ethanol in scheinbar guter Verfassung, jedoch fehlte jede Spur vom Kapitän, der Besatzung und den Passagieren. Die Mary Celeste ist das wohl berühmteste Geisterschiff in der Geschichte der Seefahrt. Rund 150 Jahre später planen Forscher bewusst, unbemannte Frachter über die Weltmeere zu schicken, bewacht via Satellit. Ein Blick in die Zukunft des Transportwesens.
Das Zukunftsszenario unbemannter Frachtschiffe wird derzeit von einem Forschungsverbund vorangetrieben: Acht Institutionen aus fünf Ländern, darunter das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg, sind an dem EU-Projekt namens MUNIN beteiligt. MUNIN steht für "Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks" - das autonome Schiff ist die Vision, die die Forscher leitet.
Im Ansatz findet sich die Technik bereits auf der modernen Schiffsbrücke: vom Autopiloten über die Tempoautomatik bis zum Schiffserkennungssystem. Das automatische Schiff muss allerdings mehr leisten: etwa Kurs halten, Kollisionen vermeiden, Stürmen trotzen, einen zuverlässigen Schiffsantrieb haben. Daher tüfteln die MUNIN-Fachleute an vielen Fragestellungen, und der Hamburger Schiffsführungssimulator unterstützt bei der Konzeptentwicklung. Im Herbst 2015 soll das Projekt abgeschlossen sein. Nach einer Test- und Prüfungsphase wäre es möglich, reale Schiffe mit Komplett-Automatik auszustatten. "Es sind Situationen denkbar, in denen die autonomen Systeme an Bord überfordert sind", erläutert der Projektkoordinator in Hamburg, Hans-Christoph Burmeister. Für diese Fälle könne das Schiff per Satellitenkommunikation ferngesteuert werden.
Ein möglicher Verwendungszweck der neuen "Geisterschiffe" wäre als Massengutfrachter für nicht zeitkritische Güter. Unter dem Begriff "Slow Streaming" wird schon heute die Langsamfahrt als Strategie zur Treibstoffkostenreduktion angewandt.
Die Globalisierung, so das Fazit aktueller Studien, hat die See- wie auch die Luftfracht zu den wichtigsten Transportarten gemacht. Megacontainerschiffe, Megahäfen und Hub-and-Spoke-Systeme, von einem Knotenpunkt ausgehende Verteiler, werden künftig eine bedeutende Rolle spielen.
Unfallrisiken senken
Im Flugfrachtverkehr sind futuristische Lösungen im Bereich der Unmanned Aerial Vehicles machbar. Nachdem Militärs und Forscher die Entwicklung der pilotenlosen Flugzeuge eingeleitet haben, scheint es eine Frage der Zeit, ob und wann Frachtund Passagiermaschinen lediglich mit einer Crew am Boden abheben.
Damit Güter im Transportwesen der Zukunft zuverlässig und schnell eintreffen, entwickeln Forscher des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik Transportbehälter, die mitdenken: Die intelligenten Container sorgen dafür, dass sie zu ihrer Zieldestination gelangen, und kontrollieren, ob sie die richtige Ware geladen haben.
Der Multi-Channel-Vertrieb und die wachsenden Megastädte werden Frachtaufkommen und Warenströme zunehmend beeinflussen. Im Binnenmarkt und international wird der Güterverkehr über die Straße auch künftig ein wichtiges Transportmittel sein.
Die Nutzfahrzeugbranche arbeitet seit Jahren an Lösungen für das autonome Fahren, um Unfallrisiken zu senken und monotone Tätigkeiten wie Langstreckenfahrten zu minimieren. Daimler hat im Juli mit dem Mercedes-Benz Future Truck 2025 einen Lkw vorgestellt, der bei Geschwindigkeiten bis zu 85 Stundenkilometer selbstständig fahren kann. Das Mercedes-Benz-Forschungsfahrzeug S 500 Intelligent Drive und das selbstfahrende Auto, mit dem Google sich als Autohersteller versucht, sind weitere Beispiele.
Eingesetzt werden autonome Nutzfahrzeuge schon länger, jedoch nicht in komplexen Verkehrssituationen. So ist die Firma Fox GmbH aus Lehrte für ihre Idee, Großserien-Straßenfahrzeuge als fahrerlose Transportsysteme im Werksverkehr einzusetzen, schon 2002 mit dem "Innovationspreis für Logistik" ausgezeichnet worden. Computergesteuerte Lkw fahren seitdem auf dem Werksgelände der Firma Uzin Utz AG in Ulm.
Autobahnpilot
Fahrerlose Transportsysteme in der Intralogistik wie in Häfen oder Produktionsstätten gibt es seit den 60er-Jahren. Hier läuft die Forschung auf Hochtouren, etwa mit dem Projekt "Sichere autonome Logistik- und Transportfahrzeuge im Außenbereich" (SaLsA), das zum Förderprogramm Autonomik des Bundeswirtschaftsministeriums gehört.
Bis Fahrzeuge allerdings im Güterverkehr auf Verkehrswegen eingesetzt werden können, ist es noch ein weiter Weg, sind sich Experten einig. Selbst dort, wo es technisch möglich wäre, sind noch einige Hürden zu nehmen. Etwa eine sichere Schnittstelle zur Autobahn oder rechtliche Aspekte.
"Was kommen könnte, wäre der Autobahnpilot. In diesem Szenario fahren Lkw im Konvoi, das erste Fahrzeug wird von einem Fahrer gesteuert, in den nachfolgenden übernimmt ein Roboter das Fahren und der Fahrer kann anderen Aufgaben nachgehen", erklärt Dr. Heike Flämig, Professorin am Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Interessant sei auch das Valet Parking, bei dem Lkw in Anlieferzonen selbstständig andockten. Flämig gehört zu einem Team von über 20 Wissenschaftlern, die sich in ihren Forschungsaktivitäten im Rahmen des Förderprojekts "Autonomes Fahren - Villa Ladenburg" der Daimler und Benz Stiftung intensiv mit den gesellschaftlichen Auswirkungen rund um den autonomen Straßenverkehr befassen.
Hilke Ohrt
Veröffentlich am 3. Oktober 2014