Interview: Dr. Bernd Buchholz

"Wir haben Kapazitäten freigeschaufelt"

Die Verkehrssituation im Land ist angespannt. Während einige Problemzonen bereits bearbeitet werden, stehen viele weitere Herausforderungen an - bei steigendem Verkehrsaufkommen. Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz sprach mit dem IHK-Magazin über wichtige Straßen- und Schienenprojekte in Schleswig-Holstein. 
Die Digitalisierung ist auch für die Logistikbranche eine Herausforderung. Sie haben gesagt, dass Sie die Achse entlang der A 1 als einen Schwerpunkt der Digitalisierung sehen. Wie kann die Landesregierung beim Aufbau unterstützen?
Wir begreifen die A 1 nicht als verlängerten Asphaltstreifen mit Tunnel nach Dänemark. Wir wollen vielmehr diese neue Entwicklungsachse von Hamburg bis Skandinavien für intelligente Ansiedlung nutzen. Intelligent meint: Ansiedlung passgenau und ergänzend zu den Schwerpunktbranchen, die schon da sind. Zwischen Hamburg und Lübeck also vor allem Unternehmen der Medizintechnik und der digitalen Wirtschaft. Für die Logistikbranche ist eine solche Entwicklungsachse natürlich immer interessant. Und ich könnte mir vorstellen, dass Logistik und digitale Wirtschaft in Zukunft noch mehr voneinander haben werden, schließlich geht der Trend in Richtung Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung - auch im Bereich der Mobilität.
Welchen Zeitplan gibt es nach der Übergabe an die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) für eine zügige Realisierung der A 20?
Einen Zeitplan wird die Deges vorlegen, wenn sie sich in die Details des Vorhabens eingearbeitet hat. Wie beim Ausbau der A 7, den die Deges ja in unserem Auftrag umsetzt, wird das Land eng am Thema dranbleiben. Schließlich ist die A 20 ein zentrales Projekt für Schleswig-Holstein.
Wie wird die Zusammenarbeit von Schleswig-Holstein und Niedersachsen koordiniert, damit der Lückenschluss südlich der schon bestehenden A 21 so schnell wie möglich realisiert werden kann?
Für uns stehen erst einmal der Weiterbau der A 20 mit westlicher Elbquerung und die Umsetzung der festen Fehmarnbelt-Querung samt Hinterlandanbindung auf der Agenda. Der Weiterbau der A 21 Richtung Süden mit östlicher Elbquerung ist ein Projekt für die Zukunft.
Wie koordiniert das Land in der Bauzeit der Rader Hochbrücke das Baustellenmanagement, damit die Ausweichstrecken offen sind?
Großbaustellen führen immer zu Beeinträchtigungen. Durch kluges Baustellenmanagement wollen wir diese Beeinträchtigungen so gering wie möglich halten. Dies ist bei der Rader Hochbrücke eine besondere Herausforderung, da keine leistungsfähige Umleitungsstrecke zur Verfügung steht. Deshalb wird die neue Brücke als dreistreifiges Teilbauwerk neben der alten errichtet. Darauf finden durch eine sogenannte 4+0-Lösung während der weiteren Bauphase je zwei Fahrstreifen nach Norden und Süden Platz. Der Verkehr wird auf das neue Teilbauwerk umgeleitet, die alte Brücke kann abgerissen und durch ein neues, ebenfalls dreistreifiges Bauwerk ersetzt werden. Aus einer alten Brücke werden am Ende also streng genommen zwei "halbe" neue Brücken mit insgesamt sechs Fahrstreifen.
Ein Problem bleibt die Parkplatzsituation für Lkw über Nacht. Gibt es ein Konzept vor allem für die A 1 und die A 7?
Die Parkplatzprobleme für Lkw entlang der Autobahnen sind auf Landes- und Bundesebene natürlich ein Thema. Wir haben bereits Rastplatzkapazitäten ausgebaut und prüfen Möglichkeiten, die Situation weiter zu entschärfen. Zum Beispiel telematisches Parken an der A 7 - also ein digitales System, das die aktuelle Auslastung von Parkplätzen erfasst und so den Lkw-Fahrern ermöglicht, ihre Lenkpausen entsprechend zu planen. Damit könnten nervige Suchverkehre vermieden werden.
Zur Person
Dr. Bernd Buchholz, Jahrgang 1961, ist seit Juni 2017 Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig- Holstein. Zuvor war der Jurist unter anderem als Vorstandsvorsitzender der Gruner + Jahr AG & Co KG und als Vorstand der Bertelsmann AG tätig. Seit 2013 ist er zudem stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Schleswig-Holstein.
Zur B 5: Sie haben signalisiert, die Ortsumgehung Hattstedt-Bredstedt während Ihrer Amtsperiode fertigzustellen. Wann ist mit dem Planfeststellungsbeschluss und der Bauausführung zu rechnen?
Durch die Übergabe des Projekts A 20 an die Deges haben wir Kapazitäten für andere wichtige Projekte freigeschaufelt, etwa den Ausbau der B 5. Wann genau mit dem Bau der Ortsumgehung zu rechnen ist, ist allerdings schwer zu sagen, schließlich wird der Planfeststellungsbeschluss vor Ort beklagt. Ein Planänderungsverfahren läuft aber bereits und die Finanzierungszusage des Bundes steht. Die Investitionskosten liegen bei rund 54 Millionen Euro.
Sie haben angekündigt, die Vorplanungen für den zweigleisigen Ausbau der Marschbahnstrecke zwischen Niebüll und Klanxbüll sowie Morsum und Keitum aus Mitteln des Sondervermögens MOIN.SH anzuschieben. Damit soll der Druck auf den Bund und die DB Netz AG steigen. Wie sieht das weitere Vorgehen der Landesregierung aus?
Unser Angebot steht: Das Land ist bereit, in Vorleistung zu gehen, damit es mit dem zweigleisigen Ausbau endlich vorangeht. Dieser Vorschlag wird jetzt beraten, dann geht der Auftrag mit entsprechendem Budget an die NAH.SH. Da die Gleise der DB Netz AG gehören, stimmen wir uns eng mit der Deutschen Bahn ab.
Das Land ist bereit, in Vorleistung zu gehen.
Der Industrie- und Hafenstandort Brunsbüttel hat für die Wirtschaft eine zentrale Bedeutung. Welche Verkehrsprojekte sind zu realisieren, um den Standort - auch unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine moderne Hafenhinterlandanbindung - besser zu erschließen? 
runsbüttels Lage ist ein riesiger Standortvorteil. Der nützt aber nur etwas, wenn die Hinterlandanbindung leistungsfähig ist. Deshalb hat sich das Land intensiv dafür eingesetzt, dass der Ausbau der Schienenstrecke im Bundesverkehrswegeplan nicht nur im potenziellen Bedarf verankert wird. Die Entscheidung des Bundes, ob das Projekt in den vordringlichen Bedarf aufrückt, ist aber noch nicht gefallen. Parallel haben wir das Projekt zum Sofortprogramm zur Hinterlandanbindung der Seehäfen angemeldet. Und wir überlegen, ob wir auch hier die Vorplanungen als Land vorfinanzieren.
Der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals ist Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans. Welche Wirkungen sieht das Land durch einen modernen Binnenschifffahrtsweg?
Der Elbe-Lübeck-Kanal gehört zum Transeuropäischen Verkehrsnetz der EU und hat daher auch eine logistische Bedeutung für die Ostsee-Anrainerstaaten. Vor diesem Hintergrund hat der Bund die Sanierung dieser Wasserstraße in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. Unser Ziel ist es, die Binnenschifffahrt besser zu nutzen, um mehr Verkehre von den stark belasteten Straßen auf andere Verkehrswege verlagern zu können. Das macht nicht nur ökologisch Sinn, sondern hilft gerade jenen Unternehmen, die auf gute Logistik angewiesen sind.
Interview: Rüdiger Schacht, Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 3. April 2018