20 für die A 20: Holger Matzen

Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein ist ein Dauerthema – mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen für Unternehmen der Region. Ein Beispiel: die Herbert Voigt GmbH & Co. KG, deren wirtschaftlicher Erfolg maßgeblich von einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur abhängt.
Die leuchtend gelben LKWs mit grünem Schriftzug Voigt sind ein vertrauter Anblick auf den Fernstraßen im Norden. In direkter Nähe zur A 7 und zur B 205 in Neumünster wird das Familienunternehmen mit 450 Mitarbeitenden in vierter Generation geführt. Das Leistungsspektrum umfasst drei Kernbereiche: Spedition mit Stückgutnetzwerk, Lagerlogistik mit Value Added Services sowie Import-Export-Logistik mit Dienstleistungen im Bereich Zollabwicklung.
Im Logistik Hub beeindruckt eine lange Reihe mit über 100 Lagertoren, an denen die Fahrer ihre 40-Tonner zentimetergenau an die Laderampen manövrieren. Während einige der 120 Fahrzeuge auf dem Gelände beladen werden, sind die meisten im täglichen Einsatz unterwegs – doch infrastrukturelle Engpässe stellen das Unternehmen vor wachsende Herausforderungen.

Die A 20 – ein Schlüsselprojekt für die regionale Wirtschaft

Holger Matzen, Senior Business Development Manager bei Voigt Logistik, verdeutlicht die besondere Relevanz der geplanten A 20: "Unser Firmensitz liegt zwar günstig an der A 7 in Neumünster, aber aus zwei entscheidenden Gründen brauchen wir die A 20." Als Flächenspediteur bedient das Unternehmen praktisch jeden Winkel Schleswig-Holsteins täglich. Bei der Nutzung der A 21 oder B404 als Tangente nach Lübeck stecken die Fahrer regelmäßig in Bad Segeberg im Stau. Zudem benötigen sie für Transporte in Richtung Osten nach Berlin, Polen und Tschechien über die B 205 häufig mehr Zeit als kalkuliert, denn diese Route ist überfüllt und leider auch unfallträchtig.
Die Verzögerungen haben erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. "Jede Stunde im Stau schmerzt, denn auch wir können nur von morgens bis abends arbeiten", erklärt Matzen. Das Unternehmen will Lenk- und Pausenzeiten für seine Mitarbeitenden einhalten und Liefertermine der Kunden erfüllen. Wenn sich Zeitfenster schließen und nicht mehr auf- oder abgeladen werden kann, wird wertvolle Arbeitskraft verschwendet.

Staukosten: Eine Millionenbelastung für Unternehmen

Die täglichen Herausforderungen lassen sich in konkreten Zahlen ausdrücken: 15 Fahrzeuge fahren täglich die Route Richtung Lübeck – hin und zurück – mit allen verkehrlichen Einschränkungen. Mehr als zehn Mitarbeitende pendeln aus dieser Richtung und stehen nicht selten morgens und abends je eine Dreiviertelstunde in Bad Segeberg im Stau.
Ein weiteres Nadelöhr stellt der Elbtunnel in Hamburg dar. "Täglich haben wir 50 Abfahrten jeweils morgens und abends durch den Elbtunnel", berichtet Matzen. "Ich habe es betriebswirtschaftlich überschlagen: Wenn jedes Fahrzeug unserer Flotte am Tag nur eine halbe Stunde im Stau steht – was eher konservativ gerechnet ist – haben wir im Jahr knapp eine Million Euro reine Staukosten." Kosten für verspätete Lieferungen, Standzeiten für nicht ent- oder beladene LKWs und Überstunden sind darin noch nicht einmal eingerechnet.

Infrastruktur als Wirtschaftsmotor

Das häufig vorgebrachte Argument "Mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr" bewertet Matzen differenziert. Als Land Schleswig-Holstein wolle man Industrieland sein, und ein attraktiver Wirtschaftsstandort brauche eine verlässliche Infrastruktur. "Durch eine bessere Infrastruktur gelingen Ansiedlungen, die zu weiteren Verkehren führen können – aber eben auch zu mehr Arbeitsplätzen, zu mehr Steuereinnahmen und damit mehr Budget fürs Gemeinwohl."
Als positives Beispiel für sinnvolle Industrieansiedlung nennt er die Edeka Nord in Neumünster: "Mit dem Umzug des Großlagers direkt an die Autobahn werden Wege und damit Emissionen gespart. Das könnte ein Beispiel für viele weitere sein."

Fehmarnbelt-Querung: Chance und Herausforderung

Mit Blick auf die zukünftige Fehmarnbelt-Querung sieht Matzen zwei wesentliche Aspekte. Einerseits möchte das Unternehmen von dem zusätzlichen Verkehr aus Skandinavien profitieren. "Als Schleswig-Holsteiner ist es in unserem Interesse, von diesem Kuchen etwas abzubekommen. Ein direkter Weg von Malmö nach Hamburg, der unser Land nur als Transitfläche nutzt, darf uns nicht reichen."
Er verweist auf das Beispiel Lolland in Dänemark, das Gewerbeflächen direkt an der Route ausweist und eine Logistik-Schule baut. "Da müssen wir uns als Schleswig-Holsteiner anstrengen, um unsere guten Flächen und Anbindungen anzubieten."
Andererseits will man von dem zusätzlichen Verkehr möglichst wenig beeinträchtigt werden, was nur gelingt, wenn Verkehre fließen können. Dies betrifft insbesondere die A 1 und die A 21. "Da kann die A 20 eine sehr sinnvolle Entlastung sein", betont Matzen.

Nachhaltigkeit als unternehmerische Verantwortung

Als Logistik-Unternehmen sieht Voigt Logistik seine Verantwortung für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. "Unser Ziel ist eine emissionsfreie Logistik beziehungsweise ein emissionsfreier Handel. Da sind wir noch nicht so weit, wie wir es selbst gern wären", räumt Matzen ein. "Aber wir sehen uns als Voigt Logistik in der Pflicht, aufgrund unserer Betriebsgröße Vorreiter zu sein."
Als First Mover hat sich das Unternehmen früh mit dem Thema Wasserstoff und Batterieantrieb sowie der dafür notwendigen Infrastruktur beschäftigt. Matzen empfiehlt jedem Logistiker, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen: "Mit dem Kauf eines alternativ angetriebenen Fahrzeuges ist es nicht getan. Man braucht Erfahrungswerte, muss etliche Aspekte und Bedingungen prüfen und bedenken."

Branchennetzwerke als Katalysator für Zukunftsthemen

Der Austausch in der Branche spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Die diesjährige Veranstaltung zum Tag der Logistik mit 228 Anmeldungen zeigt das große Interesse. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Logistik der IHK zu Kiel und in der Logistikinitiative treibt Matzen Themen wie alternative Antriebe und Infrastrukturmaßnahmen wie den Bau der A 20 aktiv voran.
Er lädt nicht nur Logistiker, sondern auch Produzenten und Verlader ein, Teil dieser Netzwerke zu werden. "Statt alleine zu kämpfen, sollten wir die Kraft und Kompetenz nutzen, die aus dem Austausch in gemeinsamen Netzwerken erwächst." Dies sei besonders wichtig, um gegenüber Politik und Verwaltung sprachfähig zu sein – ob auf kommunaler Ebene, Landesebene, gegenüber dem Bund oder der EU.

Erste Schritte und gesellschaftliche Verantwortung

Mit den Tankstellen für Wasserstoff und LNG vor der Haustür des Unternehmens sind erste Schritte in Richtung nachhaltige Logistik gemacht. Doch Matzen sieht auch den Staat in der Verantwortung, der jüngst Förderungen gekürzt hat.
Abschließend richtet Matzen den Blick auf das Konsumverhalten jedes Einzelnen: "Auch im privaten Umfeld können wir Verhalten in Frage stellen. Braucht es Same Day Delivery? Brauchen wir Billigprodukte vom anderen Ende der Welt? Muss die Markenfülle im Supermarkt all unseren Präferenzen gerecht werden?"

Gesichter hinter den Zahlen: Wie die A 20 Unternehmen und Menschen bewegt

Jedes Unternehmen hat eine Geschichte. Jede Geschichte hat ein Gesicht. Hinter den Planungen, Diskussionen und Debatten rund um die A 20 stehen Menschen – Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeitende, Familien. Sie alle verbindet eine gemeinsame Herausforderung: die tägliche Realität in einer Region, die noch auf ihre vollständige Verkehrsanbindung wartet. Wir haben 20 Unternehmen entlang der geplanten A 20-Trasse besucht und zugehört. Diese Unternehmensstorys sind Teil der Initiative „A 20 – Das wird gut" von sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Unser Ziel: eine sachliche, transparente Debatte über die A 20 führen – mit allen Fakten, allen Argumenten und im offenen Dialog mit Befürwortern wie Kritikern. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier.