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20 für die A 20: Horst Sawatzki
Wenn Regentropfen gegen die Scheiben prasseln und der Wind heulend durch die Straßen fegt, sitzt Horst Sawatzki in seinem eigenen Wintergarten, umgeben von der Natur und doch geschützt vor ihren Launen. „Ein Wintergarten ist kein bloßer Anbau", erklärt der Unternehmer mit leuchtenden Augen. „Er ist ein neuer Lebensraum, den man intensiver nutzt als das klassische Wohnzimmer."

Der fast 70-jährige Chef der F&T Alutechnik weiß, wovon er spricht. Seit mehr als vier Jahrzehnten erschafft sein Unternehmen individuelle Wintergärten und Terrassendächer. Was einst als bescheidener Betrieb für Fenster und Türen begann, hat sich zu einem Spezialisten für gläserne Wohnträume entwickelt. Nach dem Mauerfall erlebte die Firma einen kurzen, aber intensiven Boom im Osten. Heute ist sie für ihre maßgeschneiderten Lösungen in der gesamten norddeutschen Region bekannt.
Das unsichtbare Netz: Verkehrswege als Lebensader
Für ein Unternehmen, dessen Einzugsgebiet von Hamburg bis Rostock reicht, ist die Verkehrsinfrastruktur mehr als nur ein abstrakter Begriff – sie ist die Lebensader des täglichen Geschäfts. Mit sechs bis sieben Außendienstmitarbeitern und eigenen Montageteams gleicht die Koordination der Projekte einem logistischen Hochseilakt.
„Der größte Zeitfresser in unserem Geschäft?", fragt Sawatzki und tippt mit dem Finger auf eine Straßenkarte. „Die endlosen Fahrten zu Kunden in Lübeck und Segeberg. Jede Minute im Auto ist eine Minute, in der wir kein Geld verdienen."
Hier kommt die A 20 ins Spiel – jene Autobahn, die als Ostseeautobahn bekannt ist und das nördliche Deutschland besser vernetzen soll. Für Horst Sawatzki bedeutet ihre Fertigstellung vor allem eines: wertvolle Zeiteinsparung. „Zeit ist Geld", konstatiert er mit dem pragmatischen Blick eines Mannes, der seit Jahrzehnten ein Unternehmen durch alle wirtschaftlichen Höhen und Tiefen geführt hat.
Doch der erfahrene Geschäftsmann bleibt realistisch. Dass die neue Verkehrsader ihm helfen wird, qualifizierte Mitarbeiter aus einem größeren Einzugsgebiet zu gewinnen, glaubt er nicht. „Idealerweise wohnen unsere Monteure in der Nähe des Einsatzortes. Lange Anfahrtswege sind für niemanden gut, weder für die Mitarbeiter noch für das Unternehmen."
Auch bei Materiallieferungen erwartet er keine revolutionären Veränderungen. „Vielleicht sinken die Mautgebühren etwas, aber das war's dann auch schon." Seine nüchterne Einschätzung zeigt: Verkehrswege sind wichtig, aber kein Allheilmittel.
Der Behördenparcours: Wenn Genehmigungen zu Hindernisrennen werden
Die wahre Herausforderung liegt für Sawatzki jedoch woanders – im undurchdringlichen Dickicht der Bürokratie. „Aufträge aus dem Juli des Vorjahres sind teilweise immer noch nicht genehmigt", berichtet er mit kaum verhohlener Frustration. „Da stehen Kapazitäten bereit, Kunden warten ungeduldig, und wir können nicht loslegen."
Diese Verzögerungen betreffen sowohl Projekte in Hamburg als auch in Mecklenburg-Vorpommern. Ein typisches Beispiel: Ein Ehepaar aus Bad Oldesloe wartet seit mehr als acht Monaten auf die Genehmigung für einen einfachen Wintergarten. Besonders ärgerlich: Meist handelt es sich um unkomplizierte Bauvorhaben. „Wir planen keine Eiffeltürme", schmunzelt Sawatzki, „sondern in der Regel Terrassendächer von fünf mal drei Metern oder Wintergärten für Ein- oder Reihenhäuser."
Seine Forderung ist eindeutig: Die Behörden sollten ihre Strukturen so umorganisieren, dass Genehmigungen innerhalb von zwei Monaten erteilt werden können. „Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wäre das eine entscheidende Unterstützung für den Mittelstand." Dass etwa fünf Prozent der Arbeitszeit für Dokumentation und behördliche Nachweise aufgewendet werden müssen, nimmt er noch gelassen hin – solange am Ende die Genehmigungen zeitnah erteilt werden.
Träume und verpasste Abfahrten
Einst hegte Horst Sawatzki den Traum, eine Filiale in Lübeck zu eröffnen. Mit der verbesserten Verkehrsanbindung durch die A 20 schien dieser Traum greifbarer denn je. Doch inzwischen hat er diesen Plan mit leiser Wehmut aufgegeben. „In meinem Alter werde ich das nicht mehr selbst realisieren", gesteht er offen.
Potenzielle Nachfolger könnten diesen Plan wiederbeleben. Doch genau hier klafft eine weitere Lücke in Sawatzkis unternehmerischer Zukunftsplanung. Von seinen drei Söhnen arbeiten zwei als Ärzte, der dritte als Lehrer. Letzterer war ursprünglich für die Nachfolge vorgesehen und arbeitete bereits im Betrieb mit. Nach der Heirat mit einer Lehrerin entschied sich das Paar jedoch gegen die Übernahme – die attraktiven Urlaubszeiten im Lehrerberuf wollten sie nicht aufgeben, was Sawatzki mit verständnisvollem Bedauern zur Kenntnis nehmen musste.
Verkaufsverhandlungen mit der DGHYB, der Dachgesellschaft der Volksbanken, wurden durch die Corona-Pandemie jäh unterbrochen. Der Zeitpunkt für einen Verkauf sei zudem aktuell wirtschaftlich ungünstig. So bleibt die Nachfolgefrage vorerst ungelöst – eine weitere Baustelle im Unternehmerleben Sawatzkis.
Neue Horizonte: Photovoltaik trifft Wintergarten
Trotz aller Hürden blickt Horst Sawatzki optimistisch in die Zukunft. Auf den Hallen des Unternehmens sind bereits Photovoltaikanlagen installiert, die jährlich rund 30 Prozent des Strombedarfs decken, und er selbst fährt ein E-Auto – deutliche Zeichen dafür, dass er den ökologischen Wandel aktiv mitgestalten will.
Auch für Wintergärten und Terrassen plant die Firma innovative Lösungen mit Photovoltaik. „Wir entwickeln derzeit semitransparente Solarmodule, die sich nahtlos in Glasdächer integrieren lassen", erläutert Sawatzki mit spürbarer Begeisterung. „Die Infrastruktur der Zukunft wird grün sein", ist er überzeugt. „Und unsere Wintergärten können dazu einen wertvollen Beitrag leisten."
Seine Empfehlung an junge Menschen ist eindeutig: Eine Selbstständigkeit im Handwerk lohne sich nach wie vor. „Solange Menschen wohnen, wird es Bedarf an qualifizierten Handwerksleistungen geben." In einer Welt, in der digitale Netzwerke oft im Mittelpunkt stehen, erinnert Sawatzki daran, dass auch die physische Infrastruktur – von der A 20 bis zum Wintergarten – weiterhin unverzichtbar bleibt.
Eines ist sicher: Wenn die nächste Genehmigung endlich eintrifft, wird Horst Sawatzki bereit sein – mit seinem Team, seinen maßgeschneiderten Lösungen und seinem unermüdlichen Unternehmerspirit. Denn letztendlich geht es darum, sich im Infrastruktur-Dschungel nicht nur Wege zu bahnen, sondern auch lichte Glaspaläste zu errichten, in denen sich die Menschen wohlfühlen können, trotz aller bürokratischen Hürden und manchmal verschlungener Verkehrswege.
Gesichter hinter den Zahlen: Wie die A 20 Unternehmen und Menschen bewegt
Jedes Unternehmen hat eine Geschichte. Jede Geschichte hat ein Gesicht. Hinter den Planungen, Diskussionen und Debatten rund um die A 20 stehen Menschen – Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeitende, Familien. Sie alle verbindet eine gemeinsame Herausforderung: die tägliche Realität in einer Region, die noch auf ihre vollständige Verkehrsanbindung wartet. Wir haben 20 Unternehmen entlang der geplanten A 20-Trasse besucht und zugehört. Diese Unternehmensstorys sind Teil der Initiative „A 20 – Das wird gut" von sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Unser Ziel: eine sachliche, transparente Debatte über die A 20 führen – mit allen Fakten, allen Argumenten und im offenen Dialog mit Befürwortern wie Kritikern. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier.
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Thorsten Scholz