Wirtschaftsfaktor Häfen

Digital in die Vorreiterrolle

Ob Tourismus, Energiewende oder Digitalisierung: Die HÄFEN IN SCHLESWIG-HOLSTEIN besetzen Schlüsselpositionen in der maritimen Wirtschaft. Drei Akteure berichten, wie sie mit den Zukunftsthemen ihrer Branche umgehen.
Die 27 schleswig-holsteinischen Häfen bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen der Logistik zu Wasser und an Land, sind für den Tourismus unverzichtbar und nehmen auch beim Umwelt- und Klimaschutz eine Vorreiterrolle ein. Diese Systemrelevanz hat sich in den vergangenen Jahren – vor allem während der Pandemie – stark verfestigt.
Brunsbüttel ist in Schleswig- Holstein bedeutendster Standort der chemischen Industrie und spielt die entscheidende Rolle bei Energieimporten, vor allem bei nicht pipelinegebundenen Energieträgern. Innerhalb des Hafen- und Logistiknetzwerks von Schramm Ports & Logistics mit 17 Standorten in Norddeutschland und Skandinavien transformieren sich die Häfen im Rahmen der Energiewende und gestalten diese als flexible Energiedrehscheiben aktiv mit. Besonders im Brunsbütteler Elbehafen werden Komponenten für Windenergieanlagen zur Errichtung von Windparks in ganz Schleswig-Holstein, Kabeltrommeln und Transformatoren für Stromleitungen wie die Nord- und Suedlink-Leitungen sowie verschiedene Ersatzbrennstoffe wie Holzhackschnitzel oder Holzpellets umgeschlagen. „Der Hafenstandort Brunsbüttel ist außerdem Vorreiter für LNG-Bunkering an der deutschen Nordseeküste, die Übernahme von Brennstoffen für den Antrieb und die Einlagerung von Ladung für den Energiebedarf“, sagt Geschäftsführer Frank Schnabel. „Mit LNG (Flüssigerdgas) als Schiffstreibstoff ist es bereits heute möglich, Schiffsemissionen zu reduzieren und die Schifffahrt umweltfreundlicher zu gestalten. Neben zahlreichen Truckto- Ship- und Ship-to-Ship-Bebunkerungen fand im September 2021 auch die weltweit erste Bebunkerung eines Schiffes mit SNG, also Synthetic Natural Gas, das zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien hergestellt wurde, im Elbehafen Brunsbüttel statt“, so Schnabel.
Die Brunsbüttel Ports GmbH ist an mehreren Projekten beteiligt, die zur Errichtung einer vielseitigen Energieimport-Infrastruktur in Brunsbüttel beitragen, über welche langfristig auch grüne Energieträger importiert werden können. Schnabel: „Der Energiekonzern RWE plant den Bau eines Importterminals für grünen Ammoniak in unmittelbarer Nähe zum Elbehafen Brunsbüttel. Ammoniak-Tankschiffe sollen ab 2026 am Elbehafen entladen werden, um das Produkt von dort per Pipeline in das Importterminal zu transportieren. Wir unterstützen RWE bei der Realisierung des Projekts mit Flächen, aber auch als Logistikpartner mit Hafeninfrastruktur zur Entladung der Tankschiffe. So ist der Import von großen Mengen grünen Wasserstoffs möglich, der für die Dekarbonisierung der Industrie und für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen und E-Chemicals benötigt wird.“
Gleichzeitig sieht man sich in Brunsbüttel in der Verantwortung, die Versorgung mit Gas zu gewährleisten. „Die Versorgung ist durch den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beeinflusst“, sagt Schnabel. „Deswegen soll in Brunsbüttel über eine Floating Storage and Regasification Unit kurzfristig LNG importiert werden. Mittel- und langfristig soll in Brunsbüttel ein landseitiges LNG-Importund Distributionsterminal entstehen, das als Multi-Energie-Terminal fungieren wird.“ Dieses Terminal werde über eine H2-ready-Pipeline an das deutsche Gasnetz angebunden, sodass Brunsbüttel eine Schlüsselrolle bei der zukünftigen und nachhaltigen Versorgungssicherheit Deutschlands zukomme. „Für den Ausbau einer vielseitigen Energieimport- Infrastruktur in Brunsbüttel brauchen wir aber eine leistungsstarke Infrastrukturanbindung“, betont der Geschäftsführer. „Für Brunsbüttel Ports sind deshalb der dreispurige B-5-Ausbau von Wilster bis Brunsbüttel, der Ausbau und die Elektrifizierung der Schienenanbindung Brunsbüttel–Wilster/ Itzehoe und der Weiterbau der A 20 inklusive westlicher Elbquerung entscheidend.“
Auch der Lübecker Hafen positioniert sich als wichtige maritime Schnittstelle. Im Rahmen des Projekts Baltic Future Port laufen hier digitale Projekte an, um see- und landseitige Aktivitäten zu vernetzen, die digitale Zulaufsteuerung zu Häfen und Liegeplätzen effizient zu koordinieren und die Flächennutzung optimal zu gestalten. Die Fördersumme von 3,9 Millionen Euro vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fließt in elf Projekte. Dazu zählen ein 5G-Campusnetz, automatisierte Kräne oder die digitale Datenerfassung. Das Projekt stärke den Wirtschaftsstandort Lübeck enorm, so Dr. Stefan Ivens, Chief Digital Officer der Hansestadt.
Die Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) ist die Schnittstelle aller beteiligten Projektpartner, denn sie betreibt die öffentlichen Häfen der Hansestadt Lübeck und ist Deutschlands größte Hafenbetreiberin im Roll-on-roll-off- Verkehr an der Ostsee. Das Tochterunternehmen European Cargo Logistics GmbH (ECL) ist einer der führenden Dienstleister für die Distribution von Forstprodukten in Europa und kümmert sich zusätzlich und den Hafenumschlag, Stauereibetrieb und die Lagerhaltung.
Ein Teilprojekt von Baltic Future Port ist der Digitale Zwilling. „Ein Digitaler Zwilling stellt bestehende Flächen oder Hallen in den Häfen virtuell als Modell dar“, erklärt Torsten Lohse, Projektverantwortlicher bei der LHG. „Wir wollen den Digitalen Zwilling zunächst für die Forstproduktehalle beziehungsweise deren Umschlagsfläche entwickeln. Auch unsere separate Zufahrt, das sogenannte Papergate, gehört dazu. Ziel ist es, den aktuellen Zustand der realen Welt in eine virtuelle Welt zu überführen.“ Dabei helfen Sensoren und Daten aus unterschiedlichen Systemen. Bestimmte Schwellenwerte für die Sensorwerte könnten Aktionen wie eine Benachrichtigung auslösen, so Lohse weiter. „Wir können dann deutlich schneller Maßnahmen einleiten, um einen Istzustand zu korrigieren.“ Das Prinzip lasse sich auch auf andere Unternehmensbereiche übertragen: Parallel sei angedacht, einen Digitalen Zwilling für das gesamte Terminal Skandinavienkai zu haben. Die vielen Schranken, Lichtmasten und Anleger ließen sich sehr gut in der virtuellen Welt abbilden. Das Teilprojekt setzt die LHG mit mehreren Projektpartnern bereits erfolgreich um.
Für den Tourismus spielen die Häfen eine ebenso große Rolle. Die Vermarktung gelingt, wenn Innenstädte und Ortszentren in unmittelbarer Umgebung der Häfen für Touristen gut erreichbar und attraktiv gestaltet sind. In Laboe gelingt das gut. Gleichzeitig gibt es neue Herausforderungen. Auf dem Kieler Ostufer locken das Laboer Marineehrenmal und das U-Boot Touristen an, der Ortskern liegt in unmittelbarer Nähe des Hafens. In vielen Bereichen wurde die Marina modernisiert, neue Sanitär- und Steganlagen sowie ein digitales Bezahlsystem über eine App überzeugen Anlieger und Besucher. Die Nachfrage nach Parkplätzen und Liegeplätzen für Boote übersteige jedoch das Flächenangebot, so Ole Kähler, Hafenmeister für den Yacht- und Gewerbehafen. Gegen die Parkplatznot ist die Gemeinde bereits vorgegangen: „Besucher können Jahresparkausweise erwerben“, erklärt Kähler. Das Problem sei damit entzerrt worden, doch nur 30 Parkplätze stünden für Hafenanlieger zur festen Vermietung zur Verfügung.
Ähnlich ist es mit den Parkmöglichkeiten auf dem Wasser: Für kleinere Angelboote wartet man rund zwei Jahre, aber „bei Standardgrößen zwischen acht und zehn Meter Länge haben wir eine Wartezeit von zehn Jahren“, so Kähler. Lösen würde sich das Problem nur, wenn der Hafen erweitert würde. „Die rechtlichen Hürden hierfür sind riesig, auch wenn eine Hafenerweiterung wünschenswert wäre“, sagt Kähler. Klar ist: Nur mit Unterstützung aus Politik und Verwaltung können die Weichen für die maritime Zukunft gestellt werden. Energiewende, Digitalisierung und nachhaltiger Tourismus können für Schleswig-Holstein die Aushängeschilder werden.
Autorin: Julia Romanowski