20 für die A 20: Joachim Pein

In der Dentalindustrie mag WP-Dental auf den ersten Blick als kleiner Akteur erscheinen. Doch unter der Leitung der Geschäftsführer Joachim Pein und Dr. Wolfgang Willmann hat sich das Unternehmen aus Barmstedt in Schleswig-Holstein zu einem international agierenden Betrieb entwickelt, der heute in 70 Ländern präsent ist. Die Geschichte dieses erfolgreichen Familienunternehmens ist nicht nur von Innovationsgeist und unternehmerischem Geschick geprägt, sondern auch von den strategischen Anpassungen an infrastrukturelle Gegebenheiten.

Nischenmarkt mit globalen Ambitionen

"Die Dentalindustrie hat einen Umsatz von etwa 5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Ein einzelner Automobilhersteller wie Porsche kann einen Gewinn in dieser Größenordnung erzielen," erklärt Pein, um die Dimensionen seiner Branche zu verdeutlichen. In dieser spezialisierten Marktnische operiert WP-Dental seit 1993, als Pein gemeinsam mit seinem Partner das Unternehmen gründete. Nach einer Tätigkeit in einer Dentalfirma in Cuxhaven entschieden sich beide für die Selbstständigkeit und spezialisierten sich auf ein damals noch nicht weit verbreitetes Gebiet: lichthärtende Materialien.
Diese strategische Entscheidung erwies sich als Glücksgriff. Anfänglich konzentrierte sich das Unternehmen auf die OEM-Produktion für europäische Firmen, da die für lichthärtende Produkte notwendigen Speziallampen hauptsächlich in Europa verfügbar waren. Mit der Zeit und dem Einfluss des chinesischen Marktes sanken die Preise für diese Technologie, wodurch auch Anwender in anderen Regionen der Welt diese Produkte nutzen konnten – ein signifikanter Wachstumsschub für WP-Dental.

Strategische Standortwahl durch Transportanbindung

Bei der Standortwahl spielte die Verkehrsanbindung eine zentrale Rolle, wenn auch aus anderen Gründen als zunächst vermutet. "Es war nicht entscheidend, ob der Standort in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein lag," berichtet Pein. Wesentlich wichtiger war die Nähe zum Hamburger Flughafen und Seehafen.
"Wir nehmen an mehreren internationalen Messen pro Jahr teil," erläutert der Geschäftsführer. "Unsere Produkte sind kompakt und werden überwiegend per Luftfracht verschickt, besonders nach Südamerika, in die USA und nach Fernost." Die zentrale Lage in Norddeutschland mit exzellenter Anbindung an internationale Transportwege erwies sich dabei als entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Die fehlende A 20: Ein Hindernis für die regionale Logistik

Ein Infrastrukturprojekt, das für WP-Dental besondere Bedeutung hat, ist der Bau der A 20 mit einem neuen Elbtunnel. Aktuell müssen LKWs, die zwischen dem Unternehmenssitz in Barmstedt und in Polen verkehren, zeitaufwändige Umwege durch Hamburg nehmen. Der Bau der A 20 würde eine direkte und schnellere Verbindung schaffen.
"Die Realisierung der A 20 würde sowohl unseren Lieferanten als auch uns selbst erhebliche Vorteile bringen," betont Pein. Derzeit müssen alle Zulieferer den Umweg durch den Elbtunnel in Hamburg nehmen, um nach Barmstedt zu gelangen – ein zeitraubendes und kostspieliges Unterfangen.
Bemerkenswert ist, dass sich WP-Dental pragmatisch auf die Möglichkeit eingestellt hat, dass die A 20 möglicherweise nicht gebaut wird. Das Unternehmen ist nicht existenziell auf die Autobahn angewiesen, würde jedoch deutlich von ihr profitieren. Diese realistische Haltung demonstriert die Anpassungsfähigkeit, die mittelständische Unternehmen heute benötigen.

Internationale Expansion als Antwort auf heimische Kostensteigerungen

Die Herausforderungen der Infrastruktur stellen jedoch nur einen von mehreren Faktoren dar, mit denen WP-Dental konfrontiert ist. Steigende Kosten in Deutschland – Steuern, Löhne, Energiekosten und nicht zuletzt der wachsende Verwaltungsaufwand – haben das Unternehmen dazu bewogen, seine Expansion ins Ausland zu verlagern.
"Wir haben Niederlassungen in Polen und den USA aufgebaut," erklärt Pein. Zukünftige Wachstumsinvestitionen sollen vorrangig in den USA stattfinden – ein deutliches Signal, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland für das Unternehmen an Attraktivität eingebüßt hat.

Regulatorische Hürden als Wachstumsbremse

Besonders kritisch sieht Pein die MDR-Verordnung (Medical Device Regulation) der EU. Diese führt zu erheblichem bürokratischem Mehraufwand, ohne die Qualität der Produkte zu verbessern. "Was früher ein Produkt-Hauptaktenordner war, ist jetzt das Drei- bis Fünffache an Dokumentation," bemängelt er. Zertifizierungen, die früher zwei Tage in Anspruch nahmen, erfordern nun fünf Tage.
Diese zunehmende Bürokratisierung ist ein weiterer Faktor, der WP-Dental zur Auslandsexpansion motiviert hat. "Die Produkte haben sich seit 30 Jahren im Grundsatz nicht verändert, sondern nur weiterentwickelt. Trotzdem werden nicht primär die Produkte geprüft, sondern die Dokumentation," kritisiert Pein.

Von europäischen Wurzeln zum globalen Akteur

Trotz aller Hindernisse hat WP-Dental eine beeindruckende Entwicklung vollzogen. Von der anfänglichen Fokussierung auf den europäischen Markt hat sich das Unternehmen zu einem globalen Akteur transformiert. Um auch in Ländern außerhalb Europas erfolgreich zu sein, etablierte WP-Dental 1998 eine eigene Marke, da viele ausländische Händler keine Produkte unter ihrem Label, sondern unter dem Label "Made in Germany" vertreiben wollten.
Heute beliefert das Unternehmen bis zu 70 Länder, wobei es aufgrund von regulatorischen Hürden, politischen Konflikten oder Einfuhrbeschränkungen immer wieder zu Schwankungen kommt. So konnte Georgien im vergangenen Jahr nicht beliefert werden, da die Produkte neu zugelassen werden mussten. Auch Märkte wie Russland, Israel und Palästina fallen zeitweise als Absatzgebiete aus.

Anpassungsfähigkeit als Schlüssel zum Erfolg

Die Erfolgsgeschichte von WP-Dental demonstriert eindrucksvoll, wie ein mittelständisches Unternehmen durch geschickte Anpassung an infrastrukturelle Gegebenheiten und mutige Internationalisierungsstrategien prosperieren kann. Trotz der Herausforderungen durch suboptimale Verkehrsanbindungen, steigende Standortkosten und zunehmende Regulierungsdichte hat sich das Unternehmen zu einem global agierenden Akteur entwickelt.
Der Wunsch nach Verbesserungen in der lokalen Infrastruktur, insbesondere dem Bau der A 20, bleibt bestehen. Doch WP-Dental hat bewiesen, dass erfolgreiche Unternehmer nicht auf ideale Rahmenbedingungen warten, sondern pragmatische Lösungen entwickeln – selbst wenn dies bedeutet, den Schwerpunkt der Expansion ins Ausland zu verlagern.
Diese Flexibilität und strategische Anpassungsfähigkeit ist vermutlich das eigentliche Erfolgsgeheimnis von WP-Dental in einer Branche, die global betrachtet eine Nische darstellt, aber dennoch unverzichtbar ist – denn letztendlich benötigt jeder Mensch früher oder später zahnmedizinische Versorgung.

Gesichter hinter den Zahlen: Wie die A 20 Unternehmen und Menschen bewegt

Jedes Unternehmen hat eine Geschichte. Jede Geschichte hat ein Gesicht. Hinter den Planungen, Diskussionen und Debatten rund um die A 20 stehen Menschen – Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeitende, Familien. Sie alle verbindet eine gemeinsame Herausforderung: die tägliche Realität in einer Region, die noch auf ihre vollständige Verkehrsanbindung wartet. Wir haben 20 Unternehmen entlang der geplanten A 20-Trasse besucht und zugehört. Diese Unternehmensstorys sind Teil der Initiative „A 20 – Das wird gut" von sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Unser Ziel: eine sachliche, transparente Debatte über die A 20 führen – mit allen Fakten, allen Argumenten und im offenen Dialog mit Befürwortern wie Kritikern. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier.