5 min
Lesezeit
20 für die A 20: Tobias Grossmann
Wahnsinn: Mit diesem Wort beschreibt Tobias Grossmann immer wieder die Herausforderungen seines Familienunternehmens. Und der Geschäftsführer der KTN-RS Grossmann Group hat triftige Gründe für diese Wortwahl. Der Mittelständler aus Schleswig-Holstein führt einen täglichen Kampf gegen ein Problem, das für Außenstehende oft unsichtbar bleibt: die bröckelnde Infrastruktur Deutschlands.

Wenn 30 km pro Stunde zum Normalzustand werden
"Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Logistikfläche direkt neben einer Umgehungsstraße, auf der nur 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden darf, weil die Brücken marode sind", beschreibt Grossmann kopfschüttelnd ein aktuelles Beispiel aus Elmshorn. Dort wurde eine großflächige Logistikansiedlung genehmigt, trotz katastrophaler Anbindung über die B 5, deren Brücken bereits jetzt am Limit sind.
Für Schwerlastverkehr ist das der reinste Albtraum: "Da wurde schlichtweg nicht mitgedacht", kritisiert der Unternehmer. "Das ist, als würde man ein Schwimmbad bauen und vergessen, die Wasserleitungen anzuschließen."
Die A 20: Das Phantom der Ostsee
Ein besonders schmerzhaftes Kapitel in der Infrastruktur-Tragödie der Region ist die A 20. Seit Jahrzehnten geplant, seit Jahrzehnten nicht fertiggestellt. Für die KTN-RS Grossmann Group wäre diese Verbindung lebenswichtig, um Kunden in der Region effizient zu erreichen.
"Die A 20 ist für uns wie der Yeti: jeder hat davon gehört, aber niemand hat sie je gesehen", bemerkt Grossmann. Während die Planungen im Schneckentempo voranschreiten, entrichtet sein Unternehmen jährlich etwa 1,2 Millionen Euro Mautgebühren für den eigenen Fuhrpark, rund 20 Prozent des Umsatzes seines Fuhrparkbetriebs. Indirekt durch die eingesetzten Unternehmer kommt nochmal fast die gleiche Summe an Mautkosten obendrauf. Eine beträchtliche Summe, die unmittelbar mit der Qualität der Infrastruktur zusammenhängt.
Straßen mit Charakterschwächen
Die bestehenden Straßen bieten wenig Grund zur Freude: "Unsere Straßen gleichen einem Golfball nach einem Profi-Turnier, voller Dellen und kaum noch funktionsfähig", veranschaulicht Grossmann die Situation. "Manche Strecken brechen regelrecht ein, als würden sie sich vor der Verantwortung drücken wollen."
Für die LKW-Flotte bedeutet das nicht nur höheren Verschleiß, sondern auch längere Fahrzeiten und damit steigende Personalkosten. Besonders ärgerlich: Während die Kunden teilweise die Maut für beladene Kilometer übernehmen, bleiben die Kosten für Leerfahrten (durchschnittlich bis zu 90 Kilometer zwischen Be- und Entladestellen) am Unternehmen hängen.
Bürokratischer Hürdenlauf
Als wäre die physische Infrastruktur nicht schon herausfordernd genug, kommt noch ein weiteres Problem hinzu: die bürokratische Infrastruktur. "Die Bearbeitung von Baugenehmigungen durch Behörden verläuft so schleppend, dass man währenddessen ein komplettes Logistikstudium absolvieren könnte", beschreibt Grossmann frustriert.
Die zunehmende Regulierung belastet nicht nur die Verwaltung des Unternehmens, sondern auch die Fahrer, die täglich zusätzliche Formulare ausfüllen müssen. Eine besondere Herausforderung stellt die ab Juli verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung für Mittelständler mit mehr als sechs Angestellten dar. "Wir sollen jetzt den Dieselverbrauch in Kilowattstunden umrechnen und jährliche Verbesserungen nachweisen, aber es gibt kaum genügend Prüfer, die diese Berichte abnehmen können", erläutert Grossmann.
Innovation trotz Hindernissen
Trotz all dieser Widrigkeiten investiert die KTN-RS Grossmann Group konsequent in moderne Technologien und nachhaltige Lösungen. Am Standort Appen betreibt das Unternehmen 22.000 Quadratmeter Gesamtfläche mit 9.800 Quadratmeter überdachter, temperaturgeregelter Lagerfläche, inklusive eines zugelassenen Pharmalagers mit Monitoring und eines ADR-Lagers für Gefahrgut.
Neben der Stückgut-, Pflanzen- und Lagerlogistik in Appen verfügt das Unternehmen über einen eigenen Fuhrpark mit rund 40 temperaturgeführten Sattelzügen. Die KTN-RS Grossmann Group ist spezialisiert auf Logistiklösungen für Lebensmittelproduzenten, Großhändler sowie insbesondere auf die Versorgung großer Kreuzfahrt- und Handelsschiffe in den großen Norddeutschen Häfen.
"Wir nutzen Ökostrom in der Firmenzentrale in Appen und setzen LNG-Fahrzeuge im Fernverkehr ein", betont Grossmann. Darüber hinaus investiert das Unternehmen in verbrauchsärmere LKW und LED-Beleuchtung. Maßnahmen, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch sinnvoll sind.
Nachfolge als Zukunftssicherung
Während das Unternehmen täglich mit der maroden Infrastruktur kämpft, sichert Grossmann gleichzeitig die langfristige Zukunft der Firma durch eine sorgfältig geplante Nachfolge. Tobias Grossmann hat bereits konkrete Schritte eingeleitet: Seine Tochter Janina absolvierte eine Ausbildung zur Kauffrau für Spedition- und Logistikdienstleistung und hat mittlerweile auch erfolgreich den Verkehrsfachwirt abgeschlossen. Die Übernahme der RS Logistik GmbH im Jahr 2019 diente unter anderem dazu, eine berufliche Perspektive für sie zu schaffen.
"Die IHK empfiehlt, mindestens fünf Jahre für eine Unternehmensübergabe einzuplanen", erklärt Grossmann. Auch die Banken drängen spätestens ab einem Alter von 50 Jahren auf eine geregelte Nachfolge. Ohne entsprechende Regelung kann der Zugang zu Fremdkapital empfindlich eingeschränkt werden.
Ein Blick in die Zukunft
Während die KTN-RS Grossmann Group mit ihren drei Standorten in Herzhorn, Appen und Miercurea Ciuc in Rumänien kontinuierlich wächst, bleibt die Infrastruktur ein limitierender Faktor. "Wir haben sehr schwierige anderthalb Jahre hinter uns und dabei eine Menge Geld verbrannt", bilanziert Grossmann.
Doch aufgeben kommt für den Familienunternehmer nicht in Frage. "Wir sind ein bisschen wie unsere LKWs: Egal wie schlecht die Straße ist, wir kommen irgendwie ans Ziel", sagt er schmunzelnd. "Aber ein paar neue Brücken und etwas weniger Bürokratie würden uns die Reise deutlich angenehmer machen."
Bis dahin heißt es: Weiterfahren auf 30-Kilometer-pro-Stunde-Strecken, Umwege in Kauf nehmen und darauf hoffen, dass die A 20 irgendwann mehr wird als nur ein Versprechen auf vergilbten Planungspapieren.
Gesichter hinter den Zahlen: Wie die A 20 Unternehmen und Menschen bewegt
Jedes Unternehmen hat eine Geschichte. Jede Geschichte hat ein Gesicht. Hinter den Planungen, Diskussionen und Debatten rund um die A 20 stehen Menschen – Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeitende, Familien. Sie alle verbindet eine gemeinsame Herausforderung: die tägliche Realität in einer Region, die noch auf ihre vollständige Verkehrsanbindung wartet. Wir haben 20 Unternehmen entlang der geplanten A 20-Trasse besucht und zugehört. Diese Unternehmensstorys sind Teil der Initiative „A 20 – Das wird gut" von sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Unser Ziel: eine sachliche, transparente Debatte über die A 20 führen – mit allen Fakten, allen Argumenten und im offenen Dialog mit Befürwortern wie Kritikern. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier.
Kontakt

Thorsten Scholz