20 für die A 20: Martin Dethlefsen
Metallene Einkaufswagen klappern über den Kundenparkplatz des Hagebaumarktes Dethlefsen in Kellinghusen. Mitarbeitende schieben in der Frühlingssonne Paletten mit bunten Blumen vor den Eingang. Ein normaler Tag nach Ostern im schleswig-holsteinischen Baumarkt. Doch hinter dieser geschäftigen Alltagskulisse verbirgt sich eine Geschichte über jahrzehntelange Geduld, politische Visionen und eine Autobahn, die seit Generationen auf ihre Vollendung wartet.
Martin Dethlefsen, Inhaber des traditionsreichen Baustoffhandels, sitzt zwischen Farbeimern und Gartenerde und spricht über sein Lieblingsthema: die A 20. Mit einem Schmunzeln scrollt er auf seinem Smartphone zu einem Foto: "Das ist von 2015, mit Wirtschaftsminister Meyer und einem Kampagnenlogo für die A 20." Er lacht. "Das Thema A 20 beschäftigt mittlerweile mehrere Politikgenerationen."
Das Warten auf die Ost-West-Verbindung
Der Unternehmer erinnert sich lebhaft an die frühen Planungen: "Bei einer Veranstaltung mit Hans-Jörg Arp in Wrist vor etlichen Jahren wurde die A 20 erstmals vorgestellt. Damals präsentierte man eine Zeitschiene für die Umsetzung bis zum Jahr 2010." Er pausiert vielsagend. "Daraus ist bis heute nichts geworden."
Für den Baustoffhändler ist die fehlende Autobahn mehr als nur ein Ärgernis – sie ist ein täglicher wirtschaftlicher Faktor. "Die meisten unserer Waren, nicht selten schwere Baustoffe, werden auf großen LKWs angeliefert. Zum Beispiel Steine aus den Ziegelwerken in Niedersachsen." Seine Stimme wird eindringlicher: "Die Fahrer müssen alle durch den Elbtunnel, das ist ein absolutes Nadelöhr. Das kostet nicht nur Zeit bei der Anlieferung, sondern verursacht auch Abgase und belastet wertvolle Fachkräfte: die Fernfahrer."
Verkehrsstruktur mit Lücken
Dethlefsen erklärt die Verkehrssituation Schleswig-Holsteins mit großer Ortskenntnis: "Wir haben gute Nord-Süd-Verbindungen mit der A 23 im Westen, der A 7 in der Mitte und der A 1 nach Lübeck im Osten. Aber uns fehlt eine leistungsfähige Ost-West-Verbindung."
Diese infrastrukturelle Lücke hat weitreichende Folgen: "Das Fehlen dieser Verbindung belastet die kleinen Ortschaften in der Umgebung. Da wohnen Familien mit Kindern, die täglich mit Durchgangsverkehr konfrontiert sind." Mit einer Mischung aus Verständnis und Kritik fügt er hinzu: "Manchmal scheint es, als wären Naturschutzbelange wichtiger als die Lebensqualität der Menschen vor Ort."
Aus eigener Erfahrung spricht der dreifache Vater: "Bis zum Bau der B 206 fuhr der Fernverkehr unmittelbar vor meinem Haus vorbei. Wir in Schleswig-Holstein werden mit den Folgen dieses europäischen Lieferverkehrs belastet, der bei uns über kleine Landstraßen fährt. Dabei liegt die Lösung schon seit Jahrzehnten in der Schublade: die A 20."
Die wirtschaftliche Perspektive
Das Zögern beim Weiterbau der A 20 hat auch eine wirtschaftliche Dimension, die Dethlefsen auch benennen kann: "Hätten wir die Autobahn bereits vor 25 Jahren gebaut, hätten wir heute in Schleswig-Holstein schätzungsweise 100.000 Einwohner mehr, mindestens zwei Drittel der Baukosten gespart und erhebliche Wirtschaftswachstumseffekte erzielt."
Der Unternehmer sieht in der A 20 einen Katalysator für regionale Entwicklung: "Der Kreis Steinburg kämpft derzeit mit wirtschaftlichen Herausforderungen. Wie eine gesamte Region von einer Autobahnanbindung profitieren kann, zeigt das Beispiel der A 23. Entlang dieser Strecke sind Halstenbek, Rellingen, Pinneberg und Elmshorn deutlich gewachsen. Dieses Wachstum bringt Steuereinnahmen und schafft Arbeitsplätze."
Zusammenwachsende Wirtschaftsräume
Mit einem historischen Vergleich unterstreicht Dethlefsen die wirtschaftliche Bedeutung der geplanten Elbquerung: "Die Wirtschaftsräume Niedersachsen und Schleswig-Holstein würden durch die Unterelbequerung zusammenwachsen und sich gegenseitig befruchten. Was passiert, wenn getrennte Wirtschaftsräume zusammengeführt werden – ob durch einen Fluss oder eine Staatsgrenze – konnten wir nach dem Fall der innerdeutschen Grenze beobachten. Waren, Dienstleistungen und nicht zuletzt Fachkräfte finden neue Wege und Perspektiven."
Die Begeisterung für das Infrastrukturprojekt ist für den Unternehmer auch persönlich spürbar: "Auch wenn ich gerade erst in Hohenwestedt investiert habe – wenn die A 20 endlich weitergebaut wird, könnte ich durchaus nochmal schwach werden und vor der Betriebsübergabe an die nächste Generation zusätzlich hier am Standort Kellinghusen investieren."
Zwischen Gemeinwohl und Naturschutz
Dass der Autobahnbau nicht ohne Eingriffe in die Natur vonstatten gehen kann, ist Dethlefsen bewusst. Doch er plädiert für eine differenzierte Betrachtung: "Überregionaler Bedarf – wie im Falle der A 20 – müsste meiner Meinung nach aus den Obergrenzen der Flächenversiegelung herausgerechnet werden. Denn der Bedarf nutzt nicht nur Schleswig-Holstein."
Mit einem Seitenblick auf die Energiewende macht er seine Position klar: "Der Bau von Infrastruktur hat immer auch individuelle Einschränkungen zur Folge. Das sehen wir bei den Windkraftanlagen im Land, die Schlagschatten werfen. Aber wenn wir gemeinsam die Energiewende und Klimaneutralität wollen, müssen wir dafür auch Beeinträchtigungen in Kauf nehmen."
Gleichzeitig grenzt er sich ab: "Um es klar zu sagen: Ich will keine chinesischen Verhältnisse in Deutschland, wo für solche Projekte Menschen ohne Rücksicht umgesiedelt werden. Ich bin dafür, dass individuelle Einschränkungen angemessen entschädigt werden. Aber Einzelinteressen dürfen das Gemeinwohl nicht blockieren."
Während draußen weiter Einkaufswagen über den Parkplatz rollen und Gartenerde in Kofferräume geladen wird, bleibt Martin Dethlefsen bei seiner Vision: Eine A 20, die nicht nur Straßen verbindet, sondern auch Regionen und Wirtschaftsräume – und vielleicht sogar seinem Baustoffhandel einen neuen Wachstumsschub verschafft.
Gesichter hinter den Zahlen: Wie die A 20 Unternehmen und Menschen bewegt
Jedes Unternehmen hat eine Geschichte. Jede Geschichte hat ein Gesicht. Hinter den Planungen, Diskussionen und Debatten rund um die A 20 stehen Menschen – Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeitende, Familien. Sie alle verbindet eine gemeinsame Herausforderung: die tägliche Realität in einer Region, die noch auf ihre vollständige Verkehrsanbindung wartet. Wir haben 20 Unternehmen entlang der geplanten A 20-Trasse besucht und zugehört. Diese Unternehmensstorys sind Teil der Initiative „A 20 – Das wird gut" von sieben norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Unser Ziel: eine sachliche, transparente Debatte über die A 20 führen – mit allen Fakten, allen Argumenten und im offenen Dialog mit Befürwortern wie Kritikern. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier.
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Thorsten Scholz