Schleswig: Besuch nach der Flut

Nach der Ostsee-Flut: So geht es für die Betriebe weiter

Die Sturmflut Ende Oktober hat viele Unternehmen an der Ostseeküste schwer getroffen. Die meisten bauen ihr Geschäft wieder auf. Für einige bedeutet es aber auch das Ende. Zwei Schleswiger Unternehmerinnen berichten.

„Wir hätten nicht gedacht, dass es so schlimm wird“, sagt Nicole Patzig vom Hotel Strandhalle in Schleswig. Das Haus liegt direkt an der Schlei. Am Tag der Flut Ende Oktober kam das Wasser durch den Boden und stand im gesamten Erdgeschoss knöchelhoch. „Meine Mutter ist seit 1989 Inhaberin des Betriebs. Sie hat so eine Flut noch nie erlebt“, so die Unternehmerin.
Obwohl ihre Familie und das Team vorab versuchten, so viel wie möglich im Erdgeschoss zu retten, ist der Schaden immens: Sieben Hotelzimmer, vier Räume, die Lobby und ein Flur sind betroffen. „Wie lange die Renovierungsarbeiten dauern, weiß ich nicht“, sagt Nicole Patzig. „Jede Fachfirma bringt neue Hiobsbotschaften.“ Und die Versicherung? „Die zahlt nicht, weil wir uns in einem Hochwassergebiet befinden.“
Nach der Corona-Krise hatten wir uns gefreut, dass jetzt endlich Normalität einkehrt – und jetzt das.

Nicole Patzig

Den Hotelbetrieb hatte das Familienunternehmen schon nach wenigen Tagen wieder aufgenommen. Die Inhaber vermieten die restlichen 23 Zimmer mit Frühstück. Restaurant und Café liegen im Erdgeschoss und sind ebenfalls betroffen. „Nach der Corona-Krise hatten wir uns gefreut, dass jetzt endlich Normalität einkehrt – und jetzt das.“ Aufgeben sei für sie und ihre Familie aber keine Option. Sie bleiben optimistisch und hoffen, dass sie Ostern mit Beginn der Hauptsaison wieder in den Normalbetrieb übergehen können.
Bei Lena Kirchschläger gibt es hingegen keine Hoffnung auf Normalbetrieb. Die Unternehmerin musste den Naturmarkt in der Königstraße für immer schließen. Dabei liegt das Geschäft nicht einmal am Wasser. Es kam durch den Rückstau in der Kanalisation in den Naturmarkt. „Die Entscheidung fiel mir unglaublich schwer, aber die finanzielle Belastung wäre zu hoch gewesen“, erklärt die Unternehmerin, die den Bioladen in zweiter Generation führt. Fehlende Einnahmen wegen der Geschäftsschließung, weiterlaufende Sozialabgaben für das Personal in Kurzarbeit und die Renovierungskosten hatten zu der Entscheidung geführt. „Viele verstehen das nicht, weil sie sich nicht vorstellen können, wie teuer es ist, ein Geschäft wieder aufzubauen“, sagt Kirchschläger. „Noch dazu an einem neuen Standort, denn in die Königstraße wäre ich nicht zurückgekehrt.“
Die Entscheidung fiel mir unglaublich schwer, aber die finanzielle Belastung wäre zu hoch gewesen.

Lena Kirchschläger

Besonders leid tue es ihr für ihre Mitarbeitenden. „Wir waren wie eine Familie“, so Kirchschläger. Sie könne es selbst noch nicht fassen, dass es so gekommen ist. „Ich habe nicht falsch gewirtschaftet und muss jetzt trotzdem Privatinsolvenz anmelden.“ Dankbar sei sie für die zahlreichen Spenden, die sie erhalten hat. „Die haben geholfen, zumindest einige Kosten zu decken.“
Beide Unternehmerinnen sind sich einig: Das angebotene Darlehen von der Landesregierung in Höhe von 50.000 Euro reiche bei Weitem nicht, um den Betrieb wieder aufzubauen. Auch wünschen sie sich, dass neben dem Wiederaufbau der Hochwasserschutz langfristig gedacht wird und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, damit die nächste Flut nicht so viel Schaden anrichtet.

Aenne Boye