„Trauern heißt gestalten“

Angela Fuß begleitet Menschen in Zeiten des Verlusts. Mit viel Erfahrung, Naturverbundenheit und einem besonderen Gespür für Rituale bietet sie individuelle Sterbe- und Trauerbegleitung an. Ihr Unternehmen heißt: „Frau Fuß geht mit“. Ein Satz, der mehr als ein Versprechen ist.
Angela Fuß in ihrer Praxis
Wenn Angela Fuß von ihrem Beruf spricht, fallen Sätze wie: „Ich begleite an der Schwelle“ oder „Ich gestalte Übergänge.“ Ihre Stimme ist ruhig, ihre Worte sorgfältig gewählt. Und man spürt die Tiefe dahinter. Denn was sie tut, ist keine Dienstleistung im herkömmlichen Sinn, sondern gelebte Verbindung: zwischen Geburt und Tod, Abschied und Neubeginn.

Vom Leben lernen – durch Abschiede

Ein Bruch früh im eigenen Leben führte Angela Fuß in die Sterbe- und Trauerbegleitung. Sie nahm einen schweren familiären Verlust zum Anlass, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen – nicht nur emotional, sondern professionell. „Ich glaube, die wenigsten Menschen entscheiden sich ohne eigene Betroffenheit für diesen Beruf“, sagt sie, als wir uns in ihrem warm gestalteten, gemütlichen Praxisraum im Technologie- und Ökologiezentrum in Eckernförde treffen. „Bei mir war es irgendwann klar: Ich will verstehen, wie Menschen mit Verlust umgehen – und wie man dabei gut begleitet.“
Die gelernte Landschaftsgärtnerin und Diplom-Forstwirtin arbeitete früher in der Umweltbildung und im Naturschutz, ehe sie 2017 eine Ausbildung zur Lebens- und Sterbeamme begann. Noch während dieser Ausbildungszeit kündigte sie ihre feste Arbeitsstelle und gründete ihr Unternehmen „Frau Fuß geht mit“. Ein Name, der ihre Haltung auf den Punkt bringt: nicht vorweg gehen, nicht ziehen, sondern mitgehen, achtsam, offen und präsent.
Frühe Kindheitserfahrungen haben Angela Fuß und ihr heutiges Verständnis für ihren Beruf tief geprägt. Der Tod des Uropas beispielsweise führt sie bis heute zum Nachdenken darüber, wie unterschiedlich Menschen mit Verlust umgehen: „Ich hätte ihn so gerne noch einmal gesehen. Aber man hat uns Kinder einfach in die Schule geschickt und wir konnten uns nicht von ihm verabschieden.“ Besonders nah stand sie auch ihrem Opa: ein Kriegsveteran, der durch seine Verletzung gezwungen war, einfach „da“ zu sein. „Er war mein Daseins-Opa“, sagt Angela Fuß. „Wenn ich krank war, hat er stundenlang an meinem Bett gesessen. Heute glaube ich, das war für ihn das Wichtigste – dass er noch da ist. Er ist mir bis heute nah, auch wenn er bereits lange tot ist.“
Diese Erfahrungen stehen für die Trauerexpertin auch dafür, wie wichtig es ist, Abschied und Trauer sichtbar und erlebbar zu machen, insbesondere für Kinder.
In ihrer Arbeit spielt Spiritualität eine zentrale Rolle – allerdings keine konfessionell gebundene. Aufgewachsen direkt neben einer Kirche, durfte Angela Fuß der engagierten Großmutter unter die Arme greifen und sogar die Kirchenglocken läuten. „Ich hatte Glück mit meinen Begegnungen in der Kirche“, sagt sie. „Aber mein spiritueller Weg hat sich später noch geweitet.“ Sie schöpft daher aus vielen Quellen: dem Christentum, dem Buddhismus, jüdischen Traditionen, indigener Naturspiritualität. Sie ist Yogalehrerin, hat in Lappland samische Kultur kennengelernt und nutzt Naturerfahrung als spirituellen Resonanzraum für persönliche Erkenntnisse. „Ich frage die Menschen: Was trägt dich? Welche Worte stimmen für deine Art von Spiritualität? Manchmal ist das ein Gebet, manchmal ein Gedicht, manchmal ein bestimmter Baum oder eine Pflanzen- oder Tierart.“
Spiritualität, so beschreibt sie es, wird besonders in Abschiedssituationen wichtig, gerade dort, wo klassische kirchliche Angebote nicht mehr passen. „Viele Menschen haben dann ein Bedürfnis nach Sinn, nach etwas Größerem. Ich helfe ihnen, ihre eigenen Worte dafür zu finden.“

Rituale, Naturgänge, Räume des Übergangs

Angela Fuß bietet keine standardisierten Programme. Sie hört zu, fragt nach, schafft Raum. Ihre Begleitungen reichen von Gesprächen im Pflegeheim über Rituale beim Abschied bis hin zu individuell gestalteten Trauerfeiern. Besonders wirkungsvoll sind ihre Naturgänge: strukturierte Spaziergänge mit einer persönlichen Frage oder einem inneren Thema in der Natur. „Die Natur bewertet nicht. Sie ist einfach da. Das kann sehr tröstlich sein“, sagt die Expertin.
Auch in der Sterbebegleitung wird sie gerufen, wenn Angehörige das Gefühl haben, „etwas hält den Sterbenden noch hier“. Sie kommt, wenn Worte fehlen für das, was gerade geschieht. Oft reichen ein paar Stunden, um etwas in Bewegung zu bringen. „Ich bin nicht jeden Tag stundenlang da, aber ich komme, wenn es emotional brennt.“
Was ihr wichtig ist: Selbstwirksamkeit ermöglichen. „Wenn Menschen die für sie passenden Abschiedsrituale finden und ausführen, beispielsweise eine Kerze gestalten oder einen Brief schreiben – dann sind das vielleicht kleine, aber oft sehr heilsame Handlungen. Die machen einen großen Unterschied.“
Trotz ihrer Offenheit für alternative Bestattungsformen hält Angela Fuß viel von klassischen Friedhöfen. „Ich finde den Friedhof einen guten Ort – einen geschützten Raum für Erinnerung.“ In der Schweiz, wo sie einen Teil ihrer Ausbildung zur Zeremonienleiterin absolvierte, habe sie viel über Freiheiten und Grenzen des Bestattens gelernt. Dort ist beispielsweise das Ausstreuen der Asche an beliebigen Orten erlaubt, auch in der Natur oder im Meer. Ich bin zuerst mit Neid auf diese Freiheit hingefahren und mit viel Wertschätzung für unsere Bestattungsregeln in Deutschland zurückgekommen. Feste Orte der Trauer und des Abschiednehmens tun gut.Unsere Friedhöfe sind dafür enorm wertvoll. Wir müssen sie weiterentwickeln und offener und lebendiger machen, nicht abschaffen.

Trauerfeiern und kulturelle Projekte

Trauerfeiern zu gestalten war für Angela Fuß zunächst nicht geplant. Doch aus der engen Begleitung eines Sterbefalls wurde plötzlich mehr: Die Angehörigen wünschten sich, dass sie auch die Trauerfeier übernehmen sollte. Aus dieser Erfahrung entwickelte sich eine neue Leidenschaft und ein weiterer Tätigkeitszweig. „Ich habe gemerkt, dass diese Feiern eine große Gestaltungs- und Heilungskraft haben können – wenn sie wirklich auf die Menschen zugeschnitten sind“, erklärt sie.
In ihren Zeremonien nutzt sie das Wissen zur Biografie der verstorbenen Person und der Familie, aber auch individuell entwickelte Rituale, Naturkontakt, Musik und Poesie – je nachdem, was für die Familie stimmig ist. Auch spirituelle Elemente können einfließen, wenn sie gewünscht sind. „Wir können Abschiede viel freier gestalten, wenn wir uns trauen, das so zu machen, wie es uns gut tut und entspricht.. “, sagt sie. „Auch aus altem Brauchtum aus Europa und von anderen Kontinenten können wir noch viel bezüglich Sterben und Trauer lernen.“
Um einen Beitrag für mehr Austausch rund um das Thema Abschied zu leisten, betreibt Angela Fuß seit einiger Zeit zwei Podcasts, die niederschwellig Impulse geben: „Frau Fuß ganz Ohr“ ist ein Interview-Format, in dem Menschen ihre eigene Trauergeschichte erzählen, offen, ehrlich und heilsam. Die zentrale Frage: Was hat dir geholfen?
„Ich will zeigen, dass jede Trauer anders ist – und dass es okay ist, darüber zu sprechen. Viele Interviewpartnerinnen und -partner sagen mir nach der Aufnahme: Endlich konnte ich das mal so sagen.“ Ihr zweites Format „Frau Fuß fürs Herz“ richtet sich eher an Zuhörer:innen, die etwas Tröstendes suchen. Angela Fuß liest aus literarischen Texten oder Kinderbüchern vor, die sich mit Verlust beschäftigen, ergänzt durch Reflexionsgespräche mit einer Eckernförder Buchhändlerin. „Das ist mein kulturelles Projekt, eine Sammlung von Abschiedsbetrachtungen. Es soll leicht zugänglich sein. Man kann ganz in Ruhe zuhören, oder beim Spazierengehen oder beim Putzen. Und es darf berühren“, betont Angela Fuß. Beide Formate entstehen komplett in Eigenregie, von der Aufnahme über den Schnitt bis zur Veröffentlichung. „Ich wollte etwas schaffen, das Menschen begleitet, ohne dass sie gleich einen Termin buchen müssen. Der Podcast ist ein Geschenk.“

Abschied von Tieren – als Übungsraum für Menschlichkeit

Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt, ist die Begleitung beim Tod von Tieren. „Wir haben beim Abschied von Haustieren viel mehr Freiheiten als beim Menschen – und trotzdem sprechen wir kaum darüber.“ Und Angela Fuß weiß, wovon sie spricht. Der Tod ihres ersten Hundes wurde für sie selbst zu einer intensiven Lernerfahrung. Heute hält sie Vorträge und bietet Begleitung bei Tierverlust an, etwa bei Veranstaltungen in der „Hafenschnauze“, einem Tierbedarfsladen in Eckernförde. „Viele Menschen erleben den Verlust ihres Tiers als sehr schmerzhaft, oft schmerzhafter als sie selbst erwartet hätten. Aber es gibt bei vielen Menschen gar nicht den Raum dafür, dass wir um unsere Tiere intensiv trauern dürfen.“ Genau diesen Raum möchte sie schaffen – mit Gesprächen, Ritualen oder konkreter Beratung: Was kann ich mit dem Körper meines Tiers tun? Wie gestalte ich den Abschied? Wie begleite ich Kinder dabei? „Der Tod eines Tieres kann ein erster Kontaktpunkt mit Abschied sein, für Kinder, aber auch für Erwachsene. Und es ist wie bei jedem Abschied: Wenn wir lernen, diesen bewusst zu gestalten, verändert das unsere Haltung zum Leben.“
Angela Fuß versteht ihre Arbeit als Dienstleistung, aber auch als Einladung. Zum Innehalten, zum Erinnern, zum aktiven Gestalten. Sie begleitet Menschen an Wendepunkten, mit Ruhe, Erfahrung und einem wachen Blick für das Wesentliche. Dabei geht es nie um die schnelle Lösung, sondern um das Zulassen von Gefühlen, um Selbstwirksamkeit und darum, einen eigenen Weg durch den Abschied zu finden. „Ich glaube daran, dass auf jedem Trauerweg Schätze zu entdecken sind und gutes Abschied nehmen Kräfte frei setzt“, sagt sie. „Wenn wir es wagen, genau hinzuschauen und den Schmerz nicht wegzudrücken, dann entsteht etwas Echtes. Ein tieferer Zugang zum Leben.“ Ihre Arbeit mache sichtbar, dass Trauer keine Schwäche ist, sondern Ausdruck von Verbundenheit. Und dass wir alle lernen können, besser mit Verlusten umzugehen: wenn wir uns trauen, sie zu gestalten. „Am Ende geht es nicht nur ums Sterben“, sagt sie. „Es geht ums Menschsein und um das Einlassen auf das Leben mit all seinen Facetten.“
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