Interview: Susanne Wieck

"Es bereichert mich"

Freiwillige Prüferinnen und Prüfer sind eine tragende Säule des Ausbildungsauftrags der IHKs in Schleswig-Holstein. Die Wirtschaft sprach mit Susanne Wieck, Inhaberin des Schuhgeschäfts Schuh-Schmidt in Hohenwestedt, über ihr Engagement als Prüferin.
Wirtschaft: Frau Wieck, warum sind Sie als Prüferin aktiv?
Susanne Wieck: Ich prüfe seit mehr als 40 Jahren Einzelhandelskaufleute im IHK-Prüfungsausschuss Textil und Schuhe. Das Ehrenamt ist durch meine Berufslaufbahn gewachsen: Ich habe als Ausbildungsleiterin bei Karstadt in Rendsburg gearbeitet und hatte während der 1980erJahre oft mit der IHK zu tun. Die Anfrage, ob ich als Prüferin tätig werden möchte, habe ich sehr gern angenommen. Ich wollte vor allem für meine eigenen Azubis wissen, wie es läuft! Und angehenden   Einzelhandelskaufleuten   natürlich den Weg in den Beruf ermöglichen. Ich persönlich muss dabei sagen, dass die Anforderungen an die Prüflinge früher noch höher waren.
Wirtschaft: Wie läuft eine Prüfung ab?
Wieck: Unser Ausschuss besteht neben mir aus einer Lehrerin sowie einem Prüfer eines Rendsburger Textilunternehmens. Ich möchte die Jugendlichen natürlich gut durch ihre Prüfungen bringen, bin aber neben aller Menschlichkeit auch sehr streng. Wir legen großen Wert darauf, dass die inhaltliche Basis stimmt, das Fachwissen auf den Punkt kommt. Während unsere Lehrerin die Prüfungsgespräche führt, übernehme ich meist die Begrüßung und liefere mit meinem Kollegen praxisbezogene Zwischenfragen.
Wirtschaft: Wie zeitaufwendig ist Ihr Ehrenamt?
Wieck: Im Sommer und im Winter haben wir je eine bis drei Prüfungen, das ist also überschaubar. Natürlich gehört die fachliche Vorbereitung dazu: Ich bringe diverse Fragestellungen mit und bin zur Not in der Lage, die Rolle der Lehrerin einzunehmen, sollte sie ausfallen. Wenn wir dagegen von der Schlichtungsstelle sprechen, in der ich ebenfalls ehrenamtlich engagiert bin:  Da bin ich monatlich schon zwei oder dreimal unterwegs, auch für Neumünster. Schlichtungen zwischen Auszubildenden und Betrieben sind keine Rechtsprechung, sondern sind dem Gang zum Arbeitsgericht vorgelagert und sorgen – bestenfalls – für die Auflösung einer Streitigkeit. Hier ist es wichtig, die Thematik vom emotionalen Gleis runterzubringen.
Wirtschaft: Es wird immer schwerer, ehramtliche Prüfende zu gewinnen. Was denken Sie, welche Gründe von der Tätigkeit abhalten?
Wieck: Bei uns im Ausschuss funktioniert  das  Zusammenspiel  gut:  Die  Kollegen sind um die 40, ich bin mit 65 der alte Hase. Da entsteht Dynamik, wir prüfen unheimlich gern zusammen. Ich kann mir vorstellen, dass andere Unternehmen keine Zeit aufwenden können, um sich für ein Ehrenamt freizuschaufeln. Gerade im Einzelhandel sieht es nicht rosig aus, besonders in ländlichen Regionen müssen die Unternehmer selbst sehr viel anpacken. Gleichzeitig ist oft unklar, was man als Prüfer mitbringen muss.
Wirtschaft: Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Wieck: Vom Fach sein. In meinem Fall: den Bezug zum Verkauf haben, warenkundliche Hintergründe mitbringen. Außerdem Fragetechniken beherrschen, den Vortrag der Azubis reflektieren und die rechtlichen Grundlagen der Prüfungsordnung verinnerlichen. Dazu gibt es die Vorbereitungskurse der IHK. Es hilft auch, in anderen Prüfungen zu hospitieren. Zugleich braucht man ein Händchen für junge Menschen. Ich bin Prüferin, weil es mich bereichert, mit jungen Menschen in Kontakt zu sein. So bleibe ich auf der Höhe der Zeit.
Interview: Julia Königs
Veröffentlicht am 28. Juni 2021