Produktinnovationen

Neue Märkte erschließen

Ein schwierigeres Marktumfeld, ein wandelbares Produkt oder eine gute Gelegenheit: Die Gründe, warum sich Unternehmen neue Absatzmärkte erschließen, sind so vielfältig wie die Ideen und Strategien dahinter.
Marktanalysen prognostizierten der Ahrensburger edding AG angesichts der Digitalisierung eine langfristig sinkende Nachfrage im Bereich Bürobedarf. "Das würde für uns einen Umsatzrückgang von bis zu 15 Prozent bedeuten", sagt Per Ledermann, Vorstandvorsitzender des Marker-Marktführers. Für Lösungswege wurden unter anderem die Mitarbeiter befragt. "Einer der Vorschläge war Nagellack", so Ledermann. Eine Marktanalyse habe gezeigt, dass die Mehrheit der Befragten edding - bis dahin ohne eigenes Produkt - mehr Kompetenz bei Nagellacken zutraue als etablierten Herstellern. 
Um das Image der eigenen Marke zu nutzen, setzt Ledermann Kontrapunkte zum sonst branchenüblichen Glamour-Faktor. Die Lacke werden in Alltagssituationen präsentiert. "So zeigen wir, dass unser Produkt robust und haltbar ist", sagt der Firmeninhaber. Wolle man einen bestehenden Markt aufrollen, müssten neue Strategien her. Nach knapp einem Jahr sei das neue Produkt bereits deutschlandweit zu haben. "Die neue Branche und die neue Zielgruppe sind Herausforderungen. Aber wir sind bereit, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen." 
Zweites Standbein
Den Markt der gewerblich genutzten Außenbordmotoren hat die Neander Motors AG für sich entdeckt. Im Zentrum steht ein zweizylindriger Turbodiesel-Motor mit doppelter Kurbelwelle, den die Kieler Firma für ein eigenes Motorrad entwickelt hat. "2005 haben wir mit dem Motor das erste TDI-Motorrad der Welt zugelassen", berichtet der Vorstandsvorsitzende Lutz W. Lester. Als in der Wirtschaftskrise ab 2007 die Motorrad-Entwicklung ins Stocken kam, suchte er alternative Einsatzgebiete für den Motor und wurde bei Außenbordern fündig. 
"Die Konkurrenz produziert nur Benzin-Außenborder, die zum Beispiel nicht bei Ölförderplattformen eingesetzt werden dürfen", erklärt Lester. Aufgrund der Doppelkurbelwelle verursacht der Neander-Motor nur geringe Schwingungen. Dadurch sei er ideal für die gewerbliche Schifffahrt geeignet, etwa für Rettungs- und Fischerboote. Der TDI-Außenborder von Neander ist derzeit bis 100 PS der einzige am Markt. 
Für Oliver Berking war die Restaurierung der Holz-Segeljacht "Sphinx" der Start des zweiten unternehmerischen Standbeins. Der Inhaber der Silbermanufaktur Robbe & Berking aus Flensburg trommelte dafür verschiedenste Jacht-Fachleute zusammen. "Als das Projekt abgeschlossen war, wollte ich das vorhandene Expertenpotenzial weiter nutzen", so Berking. Daraus entstand Robbe & Berking Classics. Die Werft, spezialisiert auf die Restaurierung und den Neubau historischer Holzjachten, beschäftigt heute 17 Mitarbeiter, eröffnet bald ein Museum und gibt ein zweisprachiges Fachmagazin heraus.
"Den Markt für unsere Boote gibt es eigentlich nicht", erklärt der Flensburger. Denn auch Motor- und Segeljachten werden heute aus Kunststoff gebaut. Dennoch - oder gerade deswegen – sei die Werft ein Erfolg. Sowohl das Silber als auch die Jachten seien für die tägliche Nutzung gefertigte Liebhaberobjekte. "Wichtig ist mir zu zeigen, dass man auch heute noch so langlebige Produkte in reiner Handarbeit in Deutschland fertigen und dann weltweit erfolgreich vertreiben kann."
Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 3. Juni