Interview: Stefan Dräger, Drägerwerk AG & Co. KGaA

"Wir stehen für das Leben ein"

Ein Familienunternehmen mit Tradition zu sein, habe auch auf den Weltmärkten einen großen Wert, sagt Stefan Dräger. Der Lübecker führt seit 2005 den gleichnamigen Hersteller von Medizin- und Sicherheitstechnik mit rund 12.500 Mitarbeitern weltweit. Er setzt auf persönliche Bezüge und emotionale Bindungen. Über sein Erfolgsrezept und andere starke Marken sprach Dräger mit der Wirtschaft.
Wirtschaft: Herzlichen Glückwunsch, die Unternehmensberatung Ernst & Young hat Sie zum Entrepreneur des Jahres in der Kategorie Familienunternehmen gekürt und KMA, das Fachmagazin der Gesundheitswirtschaft, hat Sie zum Manager des Jahres ernannt. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?
Stefan Dräger: Ich freue mich für unser Unternehmen und alle Mitarbeiter, dass ich stellvertretend für sie diese Auszeichnung entgegennehmen durfte.
Wirtschaft: Beleben solche Titel das Geschäft?
Dräger: Nein, wir hausieren damit auch nicht, das passt nicht zu uns.
Wirtschaft: Ihre Produkte schützen, unterstützen und retten Leben. Ein hochemotionales Thema. Ihre Leitidee "Dräger. Technik für das Leben" ist eher schlicht. Wie passt das zusammen?
Dräger: Unsere Leitidee enthält die beiden für unsere tägliche Arbeit wesentlichen Faktoren, die miteinander in Beziehung stehen: Technik - das steht für Erfindergeist, Ingenieure, Technology Push. Und Leben - das ist die Klammer für die vielen verschiedenen Anwendungen, mit denen wir uns befassen, viele verschiedene Marktsegmente und Applikationen, in denen unsere Produkte zum Einsatz kommen. "Technik für das Leben" zu machen, das ist etwas, das uns alle motiviert, denn es gibt unserer Arbeit einen großen, tiefen Sinn.
Wirtschaft: Wie viele Produktentwicklungen und Geschäftsideen mussten Sie aufgeben, weil die Ideen nicht mit dem Markenkern vereinbar waren?
Dräger: Solange ich für das Unternehmen verantwortlich bin, gar keine, denn ob eine Produktentwicklung zu unserer Marke passt, wird bereits in der frühesten Ideenphase geprüft. Unsere Mitarbeiter wissen alle schon recht genau, wofür Dräger steht, deswegen kommen nur zur Marke passende Ideen zutage.
Wirtschaft: Ihr Motto ist: "Alles, was wir tun, tun wir mit Begeisterung". Wie begeistern Sie Ihre Mitarbeiter?
Dräger: Wie bereits erwähnt: Menschen, die für uns arbeiten, haben uns vor allem deshalb als Arbeitgeber gewählt, weil die Arbeit, die sie bei uns tun, für sie einen Sinn ergibt. Wir stehen überall auf der Welt mit 12.500 eigenen Mitarbeitern für das Leben ein, das wichtigste Gut, das wir alle haben. Das motiviert ungemein. Und es ist emotional. Es spricht damit eine wichtige Seite in unserem Wesen an. Das lassen wir ganz bewusst zu.
Wirtschaft: Und Sie müssen den internationalen Markt für Ihre Produkte begeistern. Wie viel Wert hat die Marke "Familienunternehmen mit Tradition"?
Dräger: Das ist ein sehr großer Wert, mit dem der Wettbewerb sich übrigens sehr schwertut. Meine Frau und mich kann man immer erreichen, das wissen sowohl die Kunden auf der Welt als auch die Mitarbeiter. Uns ist es nicht egal, wenn etwas nicht richtig ist. Und weglaufen können wir übrigens auch nicht. Aber wir müssen uns ja auch nicht verstecken. Wir mögen den Kontakt zu den Menschen. Das war bei Dräger schon immer Tradition.
Wirtschaft: Würde das Vertrauen in Ihre Produkte schwinden, wenn Dräger nicht mehr von Dräger geführt würde?
Dräger: Nein, das denke ich so nicht. Im Unternehmen wäre dann sicherlich einiges anders. Aber es gibt ja bekanntlich beliebig viele Wege und auch immer wieder neue Wege zum Glück, genauso wie es wenige ziemlich sichere und bekannte Wege gibt, die ins Verderben führen. Aber die müssen wir ja nicht beschreiten.
Zur Person
Stefan Dräger, Jahrgang 1963, ist seit 2005 Vorstandsvorsitzender der Drägerwerk AG & Co. KGaA in Lübeck. Er führt das Unternehmen in fünfter Generation innerhalb der Familie Dräger. Nach dem Abitur am Lübecker Katharineum absolvierte Dräger ein Studium der Elektro- und Nachrichtentechnik an der Berufsakademie Stuttgart zum Diplomingenieur. Seit 1992 war er in unterschiedlichen leitenden Positionen im Unternehmen tätig, bis er 2003 in den Vorstand berufen wurde.
Wirtschaft: Dennoch gibt es einen enormen Kostendruck, gerade in der Medizintechnik. Ist am Ende der Preis nicht stärker als die Marke?
Dräger: Unsere Kunden schauen immer weniger auf den Einzelpreis für ein Produkt, sondern immer mehr auf den Gesamtpreis für ein Leistungspaket. Das Gefüge muss stimmen, keine Frage, und dann kommt das Markenversprechen noch obendrauf. Eine Kaufentscheidung ist auch im B2B-Bereich emotional und sehr persönlich. Die Unternehmenspersönlichkeit gibt dabei oft den entscheidenden Ausschlag. Das bin wie gesagt nicht ich, sondern das sind alle Mitarbeiter, denn sie verkörpern das Unternehmen in Summe.
Wirtschaft: Welche starke Marke beeindruckt Sie?
Dräger: Samsung.
Wirtschaft: Warum?
Dräger: Mein Samsung-LTE-Telefon hat echt innovative Technik und dazu noch ein offenes Konzept und schlägt andere, die nur auf Marketing setzen, locker aus dem Feld.
Wirtschaft: Und wen würde der Unternehmer des Jahres Stefan Dräger gerne selbst auszeichnen, wenn er könnte?
Dräger: Den Eisengießer Johannes Heger aus Enkenbach-Alsenborn für seine große unternehmerische Leistung. Er hat mit 29 Jahren die Firma HegerGuss von seinem Vater übernommen und in kurzer Zeit die Wertschöpfung weiter erhöht. HegerGuss ist mittlerweile Single Supplier von General Electric für Motorblöcke von Lokomotiven in China. Heger hat in Deutschland ohne Eigenkapital eine neue Fabrik für Windrotornaben mit richtungsweisender Produktionstechnik errichtet, welche die Produktionskosten in China locker unterbietet.
Interview: Thomas Waldner
Veröffentlicht am 2. Januar 2013