Wie die Jakob Thaler GmbH zur Weltmarke wurde
Die Jakob Thaler GmbH in Bad Bramstedt hat mit Erdverkabelungen eine Nische im Weltmarkt erobert. Jetzt setzt der Maschinenbauer in einer immer noch männerdominierten Branche auf eine junge Frau an der Spitze.
Kabeltrommeltransportanhänger der Jakob Thaler GmbH mit einer Nutzlast von 8.000 Kilogramm
Katharina Loose trägt Jeans und Sneakers und hat 2019 die Nordakademie Elmshorn als studierte Betriebswirtin verlassen. Sie beschreibt sich als zielstrebig und lösungsorientiert und wirkt sehr selbstbewusst, ohne dass ihr Selbstzweifel fremd sind. Sie habe großen Respekt vor der neuen Aufgabe und den Herausforderungen, die auf sie warten, räumt sie ein. Die 30-Jährige ist seit Oktober 2024 Geschäftsführerin der Jakob Thaler GmbH, einer der weltweit führenden Hersteller im Bereich Erdkabelverlege- und -anschlusstechnik. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 14,1 Millionen Euro. Als wolle er das Klischee vom „Hidden Champion“ bestätigen, sitzt der Mittelständler ein wenig versteckt im weit verzweigten Gewerbegebiet von Bad Bramstedt.
Start mit maschineller Kabelverlegung
Die Firma blickt auf eine bewegte Geschichte voller Höhen und Tiefen zurück: Der Firmenname steht für den Gründer, einen Südtiroler, den die Wirren des Zweiten Weltkrieges nach Norddeutschland verschlagen hatten. Als Mitarbeiter der Deutschen Post entwickelte er Ideen für die maschinelle Kabelverlegung und machte sich 1964 in Weddelbrook im Kreis Segeberg mit der Produktion des sogenannten Kabelhundes selbstständig. Dieser wurde als Schubgerät in kurvenreichen Stromtrassen eingesetzt. 2001 ging das Unternehmen in die Insolvenz und gründete sich in Elmshorn neu. Als in Bad Bramstedt ein Gewerbegebiet entstand, zog es 2015 erneut um und errichtete auf 4.500 Quadratmetern eine riesige Fabrikhalle, die Verwaltung, Logistik, Produktion, Lackiererei, Forschungs- und Entwicklungsabteilung, Reparatur- und Wartungsservice sowie eine Teststrecke für Schulungen und Vorführungen unter ihrem Dach vereint. Vor drei Jahren wurde der Industriebetrieb, der sich mit einer Nachfolgeregelung gerade schwertat, zu 100 Prozent an das Schweizer Unternehmen Plumettaz verkauft, der Weltmarktführer auf dem Telekom-Sektor für die Verlegung von Glasfaserkabeln. Die Gruppe vom Genfer See suchte ein neues Standbein und entschied sich für den Maschinenbauer aus Bad Bramstedt. Das Ziel: der führende Global Player im Energiebereich zu werden.
Großaufträge aus den USA und Saudi-Arabien
Die Übernahme führte zu Synergien. Katharina Loose schildert ein Beispiel: Glasfaser müssen durch ganz kleine, ein bis 63 Millimeter dicke Rohre. „Das würde die Kabel stressen, wenn man mit unseren Winden an ihnen ziehen würde. Für Entspannung sorgt stattdessen die Plumettaz-Einblastechnik, wobei mit Unterstützung von Kompressoren und Druckluft die Glasfaserkabel durch die Leitungen gepustet werden.“ Auf Kundenwunsch stellt Jakob Thaler nicht nur Standardprodukte, sondern auch individuelles Equipment für verschiedene Kabel und Rohre her. Das hebt die Bad Bramstedter von den drei inländischen Konkurrenten ab. Der Schweizer Mutterkonzern wollte eine interne Lösung an der Führungsspitze von Jakob Thaler, die für Vertrauen und Kontinuität stand: So erklärt sich Loose, warum die Wahl auf sie fiel. Nicht das einzige Argument, das für sie sprach, denn die junge Frau arbeitet bereits seit elf Jahren im Unternehmen, hat den Übernahmeprozess begleitet und dann die Nachfolge ihrer Mutter Brigitte angetreten. Die jetzt 68-Jährige gehörte der Firma über 40 Jahre an und hat sie 23 Jahre als Geschäftsführerin mit drei Partnern und einem persönlichen Anteil von zehn Prozent entscheidend geprägt. Sie war die Mentorin ihrer Tochter, hat ihr viel Insiderwissen und Durchsetzungsvermögen vermacht. Zusätzliche Expertise holte sich die Juniorchefin in einem Führungsseminar an der Business School in Sankt Gallen. Brigitte Loose ist noch im Hintergrund präsent, mischt sich aber nicht mehr ins operative Geschäft ein.
Katharina Loose ist die Geschäftsführerin der Jakob Thaler GmbH.
Sie hat eine kerngesunde Firma hinterlassen. Das ureigene Geschäft im Energiebereich, der Bau von Maschinen für die Verlegung von Nieder- und Mittelspannungskabeln unter die Erde, brummt. Die Bücher sind mit Großaufträgen auch aus den USA und Saudi-Arabien gut gefüllt. Die Kunden sind Kabelleitungs- und Tiefbauer, Energieversorger, Solar- und Windenergieparks sowie Telekommunikationsunternehmen plus deren Subunternehmer.
Vision: Kabel emissionsfrei verlegen
Der Glasfaserausbau stagniert dagegen auf hohem Niveau, wofür in Europa Deutschland mitverantwortlich ist. „Wir erkennen Bedarfe, aber es dauert und hapert mit der Umsetzung“, beklagt Katharina Loose. Gemeinden sind noch nicht komplett am Netz, weil die letzten Meter Kabel zu Gebäuden aus unerfindlichen Gründen fehlen. Und weil das milliardenschwere Sondervermögen Infrastruktur vermutlich im Wesentlichen für deren Erhalt draufgehen wird, liebäugelt die Bundesregierung angeblich mit einer für Jakob Thaler unvorteilhaften Lösung: Überleitungen sollen wegen der viel billigeren Reparatur und Wartung aus Kostengründen einer unterirdischen Verkabelung vorgezogen werden. Katharina Loose wünscht sich vom Bund mehr finanzielle Förderung für nachhaltige Projekte. Der Blick richtet sich dabei auf die Niederlande, wo bereits länger batteriebetriebene Baumaschinen zum Einsatz kommen und sich doppelt so schnell refinanzieren. Der Nischenproduzent aus Bad Bramstedt ist seit ein paar Wochen selbst mit einer E-Winde auf dem Markt, die eigenen Kabeltrommelanhänger könnte man genauso umstellen.
Die Vision der Geschäftsführerin: „Ein vollelektrisches Gesamtpaket an Maschinen, mit denen Kabel emissionsfrei verlegt werden können.“ Andere Bremsklötze sind der Fachkräftemangel und US-Präsident Donald Trump: Das Unternehmen leidet unter der Knappheit an Schweißern, Elektrikern sowie klassischen Schlossern und die amerikanischen Partner unter hohen Einfuhrzöllen für Stahlprodukte. „15 Prozent auf Winden, die 50.000 bis 150.000 Euro kosten, sind schon ein ordentlicher Batzen“, sagt Loose. „Ziemlich massiv“ erlebt sie auch noch immer die Übermacht der Männer in der Industriebranche. „Es wird nach wie vor mehr auf männliches Führungspersonal gesetzt.“ Da auf der Leitungsebene von Plumettaz außer ihr nur Männer sitzen, kommt diese Erfahrung wenig überraschend. Überraschung und nicht Herablassung war hingegen die häufigste männliche Reaktion, als ihre Personalie ( junge Frau an der Spitze) öffentlich wurde. „Nur die Baustellen-Jungs auf Messen haben zum Teil noch das alte Chauvi-Gehabe“, hat Katharina Loose erkannt. In ihrem Betrieb will sie das ändern: Sie setzt auf „flache Hierarchien und einen angemessenen Frauenanteil“ unter ihren 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Autor: Dr. Jörn Arfs
Veröffentlicht: 27. November 2025
Kontakt
Benjamin Tietjen