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Stationärer Handel nimmt ab, Multikanal nimmt zu
Wir haben die Ergebnisse der umfassenden Studie "Der Deutsche Einzelhandel 2024“ mit Fokus auf Schleswig-Holstein für Sie aufbereitet. Gemeinsam mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und 53 Industrie- und Handelskammern, darunter auch die IHK Schleswig-Holstein, wurden mehr als 2.000 Einzelhändler deutschlandweit befragt.
Rein stationäre Handel nimmt weiter ab – Multikanal nimmt deutlich zu
Stationäres Ladengeschäft ist dabei nach wie vor der meistgenutzte Vertriebskanal: 85 Prozent der befragten Einzelhandelsunternehmen verkaufen ihre Produkte stationär – in der Vorgängerstudie aus 2020 waren es 79 Prozent. Einen eigenen Online-Shop betreiben 43 Prozent der Unternehmen, und fast ein Viertel nutzt soziale Medien für den Vertrieb.
Über die Marktplätze eBay und Amazon verkaufen zehn bzw. acht Prozent. Die Nutzung von Online-Vertriebskanälen hat sich im Vergleich zu 2020 deutlich erhöht. Dies zeigt sich besonders in Bezug auf die Händlertypen. So sank der Anteil rein stationärer Händler von 49 Prozent (2020) auf nun 38 Prozent. Gleichzeitig verkaufen mehr Händler sowohl stationär als auch online (37 Prozent im Jahr 2017 und jetzt 50 Prozent).
Damit stellen Multikanal-Händler die größte Gruppe dar. Zwölf Prozent verwenden für den Vertrieb ausschließlich Online-Kanäle (2020: 14 Prozent). In Schleswig-Holstein geben die Befragten häufiger einen eigenen Online-Shop an (53 Prozent gegenüber 43 Prozent), soziale Medien sind dagegen leicht weniger vertreten (21 Prozent vs. 24 Prozent) – was aber auch die stärkere Häufigkeit größerer Unternehmen in der Stichprobe widerspiegelt. Social Media wird zu 16 Prozent auch zum direkten Vertrieb genutzt. Ein Google-Unternehmensprofil haben dagegen nur 69 Prozent der befragten Unternehmen in Schleswig-Holstein.
Dabei erwarten 75 Prozent der befragten Unternehmen in Schleswig-Holstein (stark) steigende Online-Umsätze im deutschen Einzelhandel (im Vergleich zu 70 Prozent bundesweit).
Fast die Hälfte der stationären Ladengeschäfte befindet sich in Schleswig-Holstein in zentralen Lagen. Die aktuelle Geschäftslage ist dabei für 43 Prozent der befragten Einzelhändler in Schleswig-Holstein von sinkenden Passantenfrequenzen geprägt. Das Thema Erreichbarkeit des Ladengeschäfts, das für den stationären Einzelhandel eine wichtige Rolle spielt, erhält allerdings in allen Kategorien in geringerem Maß eine sehr positive Bewertung als bundesweit, insbesondere auch bei der Erreichbarkeit zu Fuß. Dabei hat die Erreichbarkeit durch den ÖPN im Vergleich zu den anderen Kategorien (Fahrrad, Auto, zu Fuß) die schlechteste Bewertung durch die schleswig-holsteinischen Händler erhalten.
Digitale Anwendungen sind nicht mehr wegzudenken
Alle mittleren und großen Unternehmen nutzen digitale Anwendungen für ihre Back-Office-Abläufe – lediglich vier Prozent der kleinen Unternehmen kommen noch komplett ohne aus. Auch im Marketing setzen die meisten Unternehmen auf digitale Lösungen: Eine eigene Website, ein Google-Unternehmensprofil und soziale Medien sind weit verbreitet und bilden oft den Schwerpunkt der Marketing-Aktivitäten. 37 Prozent der befragten Unternehmen in Schleswig-Holstein nutzen bereits KI-Anwendungen.
Digitalisierungs-Know-How – Unternehmen sehen sich schlechter gerüstet als im Jahr 2020
Im Durchschnitt sehen kleine Unternehmen ihr Digitalisierungswissen bei einem Wert von 5,9 (Skala "1 = sehr gering“ bis "10 = sehr hoch“). Die mittleren (6,6) und großen Händler (6,7) stufen ihr Wissen höher ein. Der Gesamtdurchschnitt (6,1) hat sich im Vergleich zu 2020 nicht verändert. Allerdings sehen sich die Unternehmen für die Herausforderungen der Digitalisierung schlechter gerüstet als noch vor vier Jahren. Hier liegt der Mittelwert bei 5,8 (Skala "1 = sehr schlecht“ bis "10 = sehr gut“) (in Schleswig-Holstein bei 6,0), im Jahr 2020 lag er noch bei 6,2.
Eine für das Thema Digitalisierung verantwortliche Person ist bei 79 Prozent der Unternehmen vorhanden – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2020 (61 Prozent). Eine konkrete Digitalisierungsstrategie existiert nur bei 28 Prozent der Unternehmen, allerdings bei 35 Prozent der befragten Unternehmen in Schleswig-Holstein. Hohe Kosten (40 Prozent), rechtliche Unsicherheiten (19%) und fehlende zeitliche Ressourcen (37%) werden in Schleswig-Holstein als größte Hemmnisse für eine fehlende Umsetzung digitaler Maßnahmen gesehen.
Herausforderungen
Über 80 Prozent der befragten Unternehmen in Schleswig-Holstein sehen in der zunehmenden Regulierung einen (sehr) negativen Einfluss auf das Geschäftsmodell, bundesweit lieg der Wert bei drei Viertel. Die größten bürokratischen Belastungen werden in der bundesweiten Befragung je nach Unternehmensgröße sehr unterschiedlich beurteilt. Für kleine Unternehmen steht das Thema Kassenrichtlinie und Buchführungsgrundsätze ganz oben (52 Prozent), gefolgt von der EU-Datenschutzgrundverordnung (40 Prozent). Für mittlere Unternehmen ist dagegen die EU-Datenschutzgrundverordnung die vorrangige Belastung (49 Prozent), gefolgt vom Verpackungsgesetz (36 Prozent). Für große Unternehmen ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in 51 Prozent der Angaben die größte bürokratische Belastung, gefolgt von der Datenschutzgrundverordnung (47 Prozent).
Mehr als die Hälfte der stationären Händler ist von Ladendiebstahl betroffen
54 Prozent der befragten Unternehmen mit stationärem Ladengeschäft berichten von Ladendiebstählen in den letzten zwölf Monaten, in Schleswig-Holstein 56 Prozent der Befragten. Zudem gibt ein Viertel an, dass die Ladendiebstähle im laufenden Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 (stark) gestiegen sind. Die Vorschläge der Unternehmen zur Bekämpfung der Ladendiebstähle sind vielfältig: härtere Strafen, verstärkte Polizeipräsenz oder Vermittlung von Ladendetektivinnen und -detektiven sind nur einige Beispiele.
Belastung durch Hohe Energiekosten
Die Hälfte der Unternehmen (40 Prozent) der schleswig-holsteinischen Befragten gibt an, dass die allgemeine Geschäftslage aktuell von hohen Energiekosten geprägt ist. In der bundesweiten Erhebung zeigt sich, dass dabei die Unternehmensgröße (fast) keine Rolle spielt.
Fachkräftemangel
38 Prozent berichten zudem von Fachkräftemangel im Unternehmen. Davon sind vor allem große Unternehmen (79 Prozent) betroffen. Aber auch die kleinen (31 Prozent) und mittleren Unternehmen (55 Prozent) werden davon in erhöhtem Ausmaß tangiert.
Nachhaltigkeit
Eine höhere Bedeutung messen die befragten schleswig-holsteinischen Unternehmen dem Thema Nachhaltigkeit zu (der Mittelwert liegt in SH bei 7,2 im Vergleich zu 6,9 bei einer Skala von 1 (sehr niedrige) bis 10 (sehr hohe Bedeutung). Ein aktives Nachhaltigkeitsmanagement betreiben 42 Prozent der Befragten in Schleswig-Holstein. Fast drei Viertel der Händler in Schleswig-Holstein reduzieren bereits den Einsatz von (Verpackungs-)Material. Zu 58 Prozent ist das Thema Nachhaltigkeit für Händler in Schleswig-Holstein allerdings mit höheren Preisen und weniger Akzeptanz bei der Kundschaft assoziiert.
Nachfolge
Für knapp 40 Prozent der befragten inhabergeführten Unternehmen in Schleswig-Holstein steht die Nachfolge innerhalb der nächsten zehn Jahre an.
Hintergrund der Studie
In einer Zeit, in der der deutsche Einzelhandel vor beispiellosen Herausforderungen steht, ist es essenziell, die aktuellen Entwicklungen und die daraus resultierenden Chancen und Risiken zu verstehen.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich inmitten einer Krise, die durch vielfältige Faktoren geprägt ist: Die Nachwirkungen der Pandemie sind noch längst nicht überwunden, geopolitische Spannungen und Handelskonflikte verschärfen die Situation, und zugleich stellen technologische Umbrüche – insbesondere durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz – den Handel vor völlig neue Anforderungen. Hinzu kommen strukturelle Probleme wie der wachsende Fachkräftemangel und eine zunehmend komplexe Regulierungslandschaft, die zusätzliche Belastungen mit sich bringen.
Auch Themen wie Nachhaltigkeit, die wachsende Bedeutung von IT-Sicherheit und der Umgang mit steigender Kriminalität im Einzelhandel gewinnen zunehmend an Gewicht.
Deshalb hat der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und 53 Industrie- und Handelskammern mit dem IBI research Institut in einer umfangreichen deutschlandweiten Befragung mit über 2.000 Einzelhändlern den Status quo des deutschen Einzelhandels erfasst und analysiert, wie Unternehmen diesen komplexen Herausforderungen begegnen.
In Schleswig-Holstein ist in der Umfrage dabei ein etwas höherer Anteil an großen Unternehmen festzustellen als im bundesweiten Durchschnitt (11 Prozent statt vier Prozent). Ein geringerer Anteil insbesondere an kleinen Unternehmen (61 statt 72 Prozent). Wie im bundesweiten Durchschnitt ist die höchste Quote der Branche Bekleidung, Schuhe, Taschen, Lederwaren zuzurechnen (23 Prozent). Nahrungs- und Genussmittel machen 11 Prozent der befragten Unternehmen aus.
Als IHK-Organisation setzen wir uns ein – auch über die DIHK – für politische Maßnahmen wie den Abbau von Bürokratie, eine einheitliche Durchsetzung europäischer Standards für deutsche als auch außereuropäische Händler, die Förderung von Cybersicherheits- und Sicherheitsmaßnahmen vor Ort sowie bessere Rahmenbedingungen für Unternehmensnachfolgen. Nur so können sich Unternehmen wieder stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und in ihre Zukunft investieren. Darüber hinaus unterstützt die IHK-Organisation Einzelhändler bei Themen wie Digitalisierung und IT-Sicherheit – etwa durch Schulungen, praxisnahe Informationsangebote und individuelle Beratung.
Hinweis: Sofern nicht speziell die Daten aus SH genannt werden, beziehen sich die Daten auf die bundesweite Studie. Trotz sorgfältiger Recherche übernehmen wir eine Garantie für die Richtigkeit.
Kontakt

Dr. Liane Faltermeier