Mit Unternehmenszukauf die Marktposition stärken

Ein Unternehmenszukauf ist für immer mehr Betriebe eine attraktive Option, ihr eigenes Unternehmen zu erweitern. Die Nachfolgeexperten Tomas Grimm von der Unternehmensberatung ABV GmbH in Ahrensburg und Roman Seidler von movePLM in Neustadt in Holstein geben im Interview einen Überblick, was es zu beachten gilt.
Was zeichnet eine Unternehmensübernahme durch Zukauf aus? Gibt es Vorteile für beide Seiten?
Tomas Grimm: Ich halte einen Unternehmenszukauf für eine sehr erfolgversprechende Möglichkeit, in horizontaler oder vertikaler Richtung zu expandieren und so die eigene Marktposition zu stärken. Der größte Unterschied zu einer klassischen Unternehmensnachfolge ist in der Regel, dass bei einem Zukauf erfahrene Unternehmer aufeinandertreffen. Da reden dann langjährige Branchenexperten miteinander – das erleichtert oftmals das gegenseitige Verständnis. Außerdem ist das Thema der Finanzierung des Zukaufs – in vielen Fällen sonst der größte Engpass – eher kein Problem, weil das entsprechende Kapital vorhanden ist.
Wie finden interessierte Unternehmen vor dem Zukauf heraus, ob das angedachte Unternehmen zu ihnen passt? Welche Überlegungen sollten sie anstellen?
Grimm: Wichtig ist aus meiner Sicht, vor der Suche nach einem geeigneten Unternehmen, ein klares Suchprofil zu erstellen und eine Entscheidungsmatrix abzuleiten. So hat der Zukäufer die Möglichkeit, verschiedene potenzielle Zukaufkandidaten miteinander zu vergleichen und eine fundierte erste Einschätzung zu treffen, ob das Unternehmen grundsätzlich passen könnte. Bei den Entscheidungskriterien spielen zum Beispiel die Größe des Zukaufs, die Finanzierbarkeit, der Standort oder die Kundenstruktur eine wichtige Rolle.
Inwiefern muss das eigene Unternehmen vor einem Zukauf modifiziert auf eine anstehende Erweiterung angepasst werden?
Grimm: Es sollte vor allem sichergestellt sein, dass die notwendigen personellen Kapazitäten und vor allem das erforderliche Know-how hierfür bereitstehen. Die Planung einer Erweiterung, die Suche nach einem passenden Unternehmen und die Verhandlungen und Prüfungen bis hin zum Vertragsabschluss sind eine zeitaufwändige und komplexe Sache. Und nicht jedes Unternehmen, das expandieren will, hat eine eigene Abteilung für Business Development dafür. Daher kann es sehr sinnvoll sein, den Weg bis zu einem erfolgreichen Zukauf mit Unterstützung eines externen Beraters zu gehen, der Erfahrung hat, das Management des Zukaufprozesses übernimmt und das notwendige Fachwissen beisteuert.
Welche Tipps haben Sie für übernehmende Unternehmen für anstehende Gespräche mit bisherigen Inhabern? Wie sieht eine typische „heiße“ Übergabephase aus?
Roman Seidler: Ein Unternehmensverkauf ist mehr als ein Deal – es ist ein Abschied von einem Lebenswerk. Empathie schlägt Zahlen, Daten, Fakten. Wer zuhört, statt nur Zahlen zu analysieren, schafft Vertrauen – durch Gespräche auf Augenhöhe, echtes Interesse an der Geschichte und Kultur des Unternehmens.
Entscheidend für die Übergabephase ist die frühzeitige Klärung der Rollen und gegenseitigen Erwartungen. Was erwartet der Käufer – etwa in Bezug auf Übergangsunterstützung, Know-how-Transfer oder Netzwerke? Und was erwartet der Verkäufer – etwa an Verantwortlichkeiten, Einfluss und Kommunikation? Klare Absprachen verhindern Missverständnisse und sichern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Übergabephase ist wie ein Staffellauf: Der Staffelstab wird sicher übergeben, wenn beide Läufer im gleichen Takt laufen. Klare Kommunikation, ein abgestimmter Fahrplan und gemeinsames Auftreten gegenüber den Mitarbeitern sind essenziell.
Was passiert in den ersten Monaten nach dem Zukauf? Welche Herausforderungen treten auf?
Seidler: Die ersten Monate sind oft geprägt von Unsicherheit bei den Mitarbeitern und Kunden. Veränderungen erfordern hier Fingerspitzengefühl. Insbesondere die Unternehmenskultur ist das Herzstück des Unternehmens. Wer übernimmt, sollte sie nicht sofort verändern wollen, sondern zunächst verstehen, was gewachsen ist – und warum. Mitarbeiter brauchen Sicherheit, Orientierung und das Gefühl, Teil des neuen Weges zu sein. Ein motivierender Kick-off oder interne Events schaffen Aufbruchsstimmung und helfen beim Verstehen neuer Ziele. Gemeinsame Besuche bei wichtigen Kunden sind ebenfalls ein starkes Signal – nach innen und außen. Frühzeitige kleine Erfolge – sichtbar gemacht und gemeinsam gefeiert – sind der Schlüssel, um Zuversicht zu schaffen und die neue Zusammenarbeit Schritt für Schritt mit Leben zu füllen.
Sehen Sie Veränderungen in der Art und Weise, wie Unternehmensübernahmen in der Zukunft verhandelt werden?
Seidler: Zukäufe werden zunehmend Teil langfristiger Strategien, beispielsweise von Buy-and-Build-Konzepten. Hier gilt: Nicht der Abschluss des Deals, sondern der gemeinsame Weg danach zählt. Da geht es längst nicht mehr nur um den Preis, sondern auch um Werte und Kultur. Zugleich rückt die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells in den Fokus: Wie gut ist es auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit vorbereitet?
Die Frage „Passt das zu uns?“ ist inzwischen genauso wichtig wie die Wirtschaftlichkeit. Dadurch werden Mitarbeiter und Unternehmenskultur zu Schlüsselfaktoren. Wer sie von Anfang an mitdenkt, legt das Fundament für nachhaltigen Erfolg.
Interview: Annika Körlin
Veröffentlicht: 5. Mai 2025