Dithmarschen: Ansiedlung Northvolt

„Wir werden Aufschwung für eine ganze Region bringen“

Der schwedische Konzern Northvolt plant in Heide eine milliardenschwere Batteriezellenfabrik für Elektrofahrzeuge. Nicolas F. Steinbacher, Programmleiter Northvolt Deutschland, sprach mit der Wirtschaft über die Pläne für das Werk und was sich in Schleswig-Holstein noch tun muss, damit das Land der Standort für grüne Industrien wird.
In Skelleftea, einer Stadt im Norden Schwedens, haben Sie bereits ein Werk gebaut. Was können Sie aus diesem Projekt für Heide lernen?
Die Industrie, die wir aufbauen, gab es so vorher noch nicht. Wir stellen nicht das zigste Automobilwerk für die Verbrennerindustrie irgendwo hin, sondern sind der erste europäische Player, der in diesem Ausmaß eine Industrie für die Elektromobilität erschafft. Deshalb ist auch für uns vieles Neuland und es gehört dazu, Fehler zu machen. Aus Skelleftea haben wir viel gelernt. Wir nehmen vor allem die Erkenntnis mit, dass sich viele Ängste um negative Auswirkungen auf die Region und die lokale Wirtschaft als unbegründet herausgestellt haben.
Wie meinen Sie das?
Es gab Bedenken in Bezug auf das Abwerben von Fachkräften oder knappen Wohnraum. Skelleftea hat gezeigt, dass der Aufbau einer Schlüsseltechnologie für eine grüne Mobilitätswende einen Sogeffekt erzeugt. Eine neue Fachkraft, die hierherzieht, bringt zum Beispiel eine Partnerin mit, die als Ärztin einen Beitrag zur Lösung des Problems der medizinischen Nahversorgung leistet. Eine andere Mitarbeiterin ist mit einem Erzieher verheiratet, der im örtlichen Kindergarten arbeitet. Neue Hotels eröffnen, mehr Kitaplätze werden geschaffen, tausende weitere Arbeitsplätze entstehen, in Bahnstrecken und Straßen wird investiert. Wir werden Aufschwung für eine ganze Region bringen. Das lohnt sich für alle Beteiligten.
Bisher bewerben sich auf eine Stelle circa 600 Kandidatinnen und Kandidaten.

Nicolas F. Steinbacher

Die Fabrik in Heide schafft 3.000 neue Arbeitsplätze. Woher sollen die Fachkräfte kommen?
Die Mitarbeitenden werden nicht nur aus der Region rekrutiert. Das Projekt hat so eine Strahlkraft, dass Menschen aus ganz Europa und sogar den USA bei uns arbeiten möchten. Bisher bewerben sich auf eine Stelle circa 600 Kandidatinnen und Kandidaten. Aber wir erhoffen uns auch, Arbeitskräfte aus der Verbrennerindustrie zu übernehmen und diese in den Norden zu bringen. Dafür brauchen wir entsprechende Ausbildungsgänge und Weiterbildungen in Schleswig-Holstein, denn spezialisierte Fachkräfte für die Batteriezellenindustrie gibt es bisher nicht.
Das Werk braucht aber nicht nur Uniabsolventen, sondern auch Produktionsmitarbeitende. In Skelleftea haben wir neben Arbeitskräften aus der Region auch polnische, türkische oder baltische Mitarbeitende rekrutiert.
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Nicolas F. Steinbacher © Northvolt
ZUR PERSON
Nicolas F. Steinbacher, Jahrgang 1990, ist seit 2020 bei Northvolt tätig. Der gebürtige Osnabrücker gehörte zu den ersten Mitarbeitenden von Northvolt Deutschland. Vorher arbeitete der Wahl-Hamburger in verschiedenen Positionen bei Porsche Consulting.
Im Jahr 2026 sollen bereits die ersten Batteriezellen in Heide gefertigt werden. Wie planen Sie, das zu schaffen?
Wir haben ambitionierte Ziele, weil jeder Tag zählt, um den Ausstoß von CO2 im Verkehr zu minimieren. Wir möchten die Energiewende voranbringen und das Klima schonen. Natürlich ist bei einem 4,5-Milliarden-Projekt Zeit Geld. Uns bei Northvolt treibt aber vor allem die Zukunft unserer Kinder an, denen wir einen lebenswerten Planeten hinterlassen möchten.
Um schnell zu sein, planen wir nicht alles zu 100 Prozent durch und gehen kalkulierte Risiken ein, um agil auf Veränderungen reagieren zu können. Dafür brauchen wir aber Planungs- und Genehmigungsverfahren, die unser Vorhaben unterstützen. Es ist wichtig, dass sich die Entscheiderinnen und Entscheider in Behörden nicht hinter ihrer Sicherheit verkriechen, sondern Mut beweisen, Projekte schnell und beherzt umzusetzen. Die Chance für Schleswig-Holstein, grünes Industrieland zu werden, ist jetzt da. Aber das Fenster bleibt nicht ewig offen. Wir müssen es jetzt nutzen.
Unser Ziel ist, bis 2030 die Hälfte unserer Batterien mit recyceltem Material zu produzieren.

Nicolas F. Steinbacher

Wie soll das geschehen?
Batteriezellen sind die Schlüsselkomponente für Elektrofahrzeuge. Beim Fertigungsprozess eines E-Autos entfällt 40 Prozent allein auf die Batterie. Mit unserem Werk wird der Norden ein wichtiger Standort für die Automobilindustrie, der das neue Baden-Württemberg werden kann. Die verfügbare grüne Energie durch Windkraft ist ein erster Standortfaktor. Jetzt liegt es an der Politik, weitere Faktoren zu schaffen wie die entsprechende Straßen- und Schieneninfrastruktur, Studiengänge oder das Anwerben weiterer, grüner Industriezweige.
Was sagen Sie zu der Kritik, auch die Produktion von Batterien schädige das Klima?
Batterien, die mit Kohlestrom produziert und danach weggeschmissen werden, sind umweltschädigend. Genau das machen wir bei Northvolt anders. Wir stellen zum einen sicher, dass unsere Zellen mit erneuerbaren Energien produziert werden. Zum anderen planen wir, die Batterien zu recyclen, um fast die gesamte Batteriezelle wieder in den Produktionskreislauf einzuschleusen. Unser Ziel ist, bis 2030 die Hälfte unserer Batterien mit recyceltem Material zu produzieren. Dieser nachhaltige Ansatz hebt uns ab von der Konkurrenz und verschafft uns und dem Norden ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Zusammenarbeiten mit Northvolt
Betriebe, die mit Northvolt zusammenarbeiten möchten, können sich über ein Formular auf dem „Northvolt Marktplatz“ registrieren.  Laut dem Unternehmen sollen bereits Anfang 2026 die ersten Batterien im Werk nahe Heide produziert werden.



Interview: Aenne Boye