Sachverständige

Expertin auf dem Bau

Christina Sadler-Berg wird immer dann gerufen, wenn es auf dem Bau nicht weitergeht. Bei Baumängeln und -schäden sind auf der Baustelle alle Blicke auf sie gerichtet. Denn jeder weiß: Das Gutachten der Sachverständigen für Mauerwerksbau wird ein mögliches Gerichtsurteil maßgeblich beeinflussen.
Nicht immer muss es aber vor Gericht enden. "Der Großteil der Aufträge für ein Gutachten kommt von Wohnungseigentumsgemeinschaften oder Verwaltungsgesellschaften sowie von Privatpersonen", sagt Sadler-Berg. Öffentliche Aufträge und Gutachten für Gerichte seien eher selten. Die Begleitung von Baumaßnahmen durch einen Sachverständigen von Beginn an führe zur Lösung mancher Probleme, ohne dass diese vor Gericht eskalieren.
Wie wird man öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige der IHK für Mauerwerksbau? Grundsätzlich ist ein Hochschulstudium aus dem Baubereich Voraussetzung, etwa Bauingenieurwesen oder Architektur. Als Schülerin hatte Sadler-Berg noch zwischen Medizin- und Architekturstudium geschwankt. Doch ein Krankenhauspraktikum gab für die gebürtige Siegenerin dann den Ausschlag, es mit der Architektur zu versuchen.
Eine richtige Entscheidung: Sadler-Berg raste durch ihr Studium in Karlsruhe und Wien, wurde von einem Bauträger verpflichtet und machte sich schon mit 26 mit einem eigenen Architekturbüro selbstständig. Über ein Seminar zum Sachverständigenwesen kam sie in Kontakt mit einer Dresdner Sachverständigensozietät, die sie verpflichtete. Die Prüfung zur öffentlich bestellten Sachverständigen legte Sadler-Berg wenige Jahre später ab. 

Nachwuchs gesucht

2003 zog sie in die Heimat ihres Mannes nach Geesthacht. Gemeinsam mit der IHK zu Lübeck führte sie im Sachverständigenwesen das neue Fachgebiet Mauerwerksbau als Teilbereich des Bestellungsgebiets Schäden an Gebäuden ein.
Seit 2008 ist sie zudem stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Hamburg/Schleswig-Holstein und seit 2012 auch Vizepräsidentin des Bundesverbands der öffentlich bestellten und vereidigten sowie qualifizierten Sachverständigen (BVS).
"Die Architektur im Sinne der Planung und Gestaltung ist bei mir durch das Sachverständigenwesen ein wenig in den Hintergrund geraten", sagt Sadler-Berg. "Neubauten und Sanierungen begleite ich zwar immer wieder, aber ich sehe jetzt überall, was auch alles schiefgehen kann."
Sie schätzt ihren Beruf sehr, kommt ständig mit unterschiedlichsten Personen zusammen und muss sich immer wieder in neue Themen einarbeiten. "Wer seinen Job gewissenhaft, sauber und nachhaltig erfüllt, braucht sich um Folgeaufträge weniger zu sorgen", bekräftigt Sadler-Berg.
Aufgrund des Baubooms und des Fachkräftemangels bei den Gewerken nehme der Pfusch am Bau merkbar zu. Eine Entwicklung, die sie sichtbar beunruhigt: "Die jungen Leute werden heute zunehmend zum Abitur und Studium getrieben, dabei sucht der Bau händeringend qualifizierten Nachwuchs - genau wie wir Sachverständige."
Als Frau ist Sadler-Berg immer noch eine Ausnahme im Sachverständigenwesen für den Fachbereich Bau, obwohl Besprechungen in gemischten Teams auch auf Baustellen häufig effektiver und in besserer Atmosphäre verlaufen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei für sie auch ein echtes Plus gewesen: "Mit ein wenig Organisationsgeschick lässt sich die Arbeit als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige recht gut einteilen und mit dem Familienleben auch mit kleinen Kindern gut vereinbaren."
Jan Philipp Witt
Veröffentlicht am 4. Juli 2019