Internationaler Handel

Die Warenströme optimieren

Produktionsengpässe, Containerstaus, bürokratische Hürden oder handelspolitische Maßnahmen - internationale Warenströme und Wertschöpfungsketten bringen Kostenvorteile, sind aber auch anfällig für Störungen. Drei Unternehmerinnen und Unternehmer aus Schleswig-Holstein berichten, welchen Herausforderungen sie sich stellen.
Im März hat die Havarie der Ever Given im Suezkanal gezeigt, wie ein  verstopftes Nadelöhr den Welthandel durcheinanderwirbeln kann. Doch  anfällige Schifffahrtsrouten sind nicht das einzige Hemmnis für die Lieferketten. 
Engpässe
Ole Singelmann, geschäftsführender Gesellschafter der Hagebaumarkt  Husum GmbH und Co. KG, erzählt von Schwierigkeiten aufgrund von Transportproblemen und Produktionsengpässen. “Rund 80 Zulieferer bringen  die Ware zurzeit eingeschränkt, gar  nicht oder verzögert“, berichtet Singelmann. 
Der Baumarkt mit einer weiteren  Filiale in Leck organsiert den Einkauf  aus dem Lieferanten-Portfolio von Hagebau  selbst. “Vom Pinsel über die Farbe  bis hin zur Schraube - in jedem Sortiment  haben wir Probleme, Produkte zu  bekommen“, so der Geschäftsführer. Die Produktionskapazitäten in Asien stoßen an ihre Grenzen, da Corona-  Beschränkungen mit einer wachsenden  Nachfrage kollidieren. “In China produziert  man momentan für den, der am  meisten bezahlt“, sagt Singelmann. Auch  sind die Transportkapazitäten wegen der  geschlossenen Häfen und Terminals an wichtigen chinesischen Umschlagplätzen wie Yantain, Ningbo oder Shanghai  knapp. “Container werden versteigert. Die Mehrkosten müssen wir leider auf die Produkte umlegen. Bei großen,  sperrigen Produkten wie Gartenmöbeln sprechen wir von starken Erhöhungen pro Stück“, sagt er. Denn die Knappheit führe zu 20 bis 30 Prozent höheren Einkaufspreisen. „Leider denken die Kunden deshalb häufig, wir schlagen Profit  aus der Krise. Dabei haben wir keine  andere Wahl, als die Preise zu erhöhen.“ Der richtige Engpass komme erst nächste Saison, prognostiziert Singelmann. Teilweise werde auf die Schiene ausgewichen. Das sei teurer, aber die Ware  komme schneller an. Auch plant Singelmann  am Ende der Sommersaison  nicht - wie üblich - einen Abverkauf von Saisonartikeln, um die Lagerbestände  zu reduzieren. Er möchte die Verfügbarkeit der Waren gewährleisten. Momentan beobachtet er ein Umdenken:  “Betriebe mieten Lagerkapazitäten an,  damit die Ware verfügbar ist; sie planen  nicht mehr ‚just in time‘.“ 
Zettelwirtschaft
Im internationalen Handel basieren viele Prozesse noch auf Dokumenten in Papierform, die umständlich per Kurier verschickt werden. Das Lübecker Start-up SmartLoC GmbH möchte das ändern, indem es Zahlungs- und Warenströme digitalisiert und automatisiert. SmartLoC steht für Smart Letter of Credit - die englische Bezeichnung für Akkreditiv. Mit diesem stellen Banken für die Handelspartner sicher, dass Zahlung und Ware ankommen. "Dieses System kommt aus dem Mittelalter“, sagt Gründerin Britta Balden, die mit ihrem im Mai gegründeten Start-up das Ziel hat, ein besseres PayPal für den internationalen Handel zu werden.
An der Ware angebrachte Sensoren und Trackinggeräte sollen für Transparenz während des Transports sorgen. “Ort und Zustand des Produkts sind jederzeit einsehbar“, erklärt Balden. “Wenn die Ware bei der Verladung den Besitzer wechselt, soll die Zahlung bankenunabhängig erfolgen. Die Idee beruht auf dem Konzept des physischen Internets. Die Vision ist, dass die Ware wie eine E-Mail versendet wird - wie genau diese beim Empfänger landet, ist nicht relevant“, so die Oldesloerin. Zurzeit testen sie und ihre drei Mitgründer das Geschäftsmodell mit zwei Pilotkunden. Unterstützt werden sie dabei vom Lübecker Accelerator Gateway49, einer Initiative von Technikzentrum Lübeck, IHK zu Lübeck und glocal consult, die vielversprechende Start-ups fördert. Balden ist zuversichtlich, dass sie die erste Finanzierungsrunde meistern werden.
Lieferkettengesetz
Das viel diskutierte Lieferkettengesetz ist nicht im Sinne vieler Wirtschaftsunternehmen ausgefallen, deren Bedenken nach wie vor groß sind. Ab 2023 gilt das “Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ zum Schutz der Menschenrechte. Unternehmer wie Björn Laue, Geschäftsführer der Hela Gewürzwerk Hermann Laue GmbH, befürchten dadurch Nachteile im internationalen Wettbewerb und zweifeln an der Durchführbarkeit. “Der Gedanke des Gesetzes ist grundsätzlich richtig. Ich fürchte aber, dass es nicht praxistauglich ist und sich zu einem Hemmschuh für den deutschen Mittelstand entwickelt“, sagt der Geschäftsführer, der den Ahrensburger Familienbetrieb in dritter Generation leitet.
Zunächst gilt das Gesetz für Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden - ab 2024 dann für solche mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Als Zulieferer kann aber auch Hela mit rund 450 Angestellten mittelbar betroffen sein, da die großen Unternehmen die Anforderungen weitergeben und Zusagen von ihren Lieferanten verlangen. Hela stellt Gewürzmischungen und -ketchup her und importiert dafür Gewürze von Tausenden Zulieferern aus der ganzen Welt. “Zum Beispiel beziehen wir den Pfeffer aus Vietnam von einem Exporteur, den wiederum bis zu 90.000 Bauern beliefern. So geht es uns mit Hunderten Zutaten und Gewürzen, die wir weltweit erwerben“, so Björn Laue. “Hinzu kommt: Gewürze sind Schüttgüter. Nachdem diese beim Exporteur gereinigt und gemischt worden sind, kann man sie nicht mehr einem Erzeuger zuordnen.“ Das mache es ihm unmöglich, dem Lebensmitteleinzelhandel zu garantieren, dass seine mittelbaren Zulieferer nicht gegen die Sorgfaltspflichten verstießen.
Aenne Boye
Veröffentlicht am 27. September 2021