Exportland Schleswig-Holstein

Einen Tick besser sein

Durchflussmesser, Rettungsrutschen und Industriescheren: nur drei
von Hunderten Produkten, die der schleswig-holsteinische Mittelstand weltweit erfolgreich vertreibt. Die Beispiele zeigen, wie durch weltweite Geschäfte innovative Produkte entstehen und welche Herausforderungen warten.
Eine Zahl mit zehn Stellen vor dem Komma: 1.195 Milliarden Euro. Diesen Wert hatten die 2015 aus Deutschland exportierten Waren. Eine abstrakte Zahl, die erst durch konkrete Beispiele greifbar wird. Ihren Anteil am guten Ruf des "Exportweltmeisters Deutschland" hat die Flensburger Horn-Group, Produzent von Pumpen, Werkstattgeräten und Flüssigkeitsmanagementsystemen. Eigene Marken wie "Tecalemit" steuern und messen etwa in Kfz-Werkstätten weltweit die Abgabemenge von Öl, Diesel oder Kühlerflüssigkeit. Erfolgreich im Export ist ebenfalls die Axel Thoms Lebensrettungseinrichtungen GmbH aus Bad Bramstedt mit individuellen Rettungsschläuchen für verschiedenste Gebäudearten. Auch die professionellen Löwe-Scheren für Industrie, Obst- oder Gartenbau der Kieler Firma Gebr. Schröder GmbH sind weltweit bekannt.
Aber was macht ihren Erfolg aus, der teils zu mehr als 90 Prozent Exportanteil führt? "Qualität steht an erster Stelle", sagt Sebastian Thoms, Geschäftsführer des Rettungsrutschen- Spezialisten. Scherenhersteller Randolph Schröder und Horn- Marketingleiter Kai-Ulrich Kaufmann stimmen zu. "Unsere Produkte sind langlebig, das wissen die Kunden zu schätzen", so Kaufmann.
Die Firmen profitieren von Innovationen, die sich aus ihren weltweiten Aktivitäten und insbesondere regionalen Anforderungen ergeben. Ein Beispiel: Nordamerikanische Kunden haben Tecalemit-Durchflussmesser mit einem Berstdruck von zwei Bar zum schnelleren Arbeiten an Kompressoren mit dem zehnfachen Druck angeschlossen. "Natürlich konnten die Geräte dem nicht langfristig standhalten", so Kaufmann. Nicht ohne Stolz fügt er an: "Unsere Ingenieure haben deshalb ein Gerät entwickelt, das über 20 Bar Druck aushält." Dadurch wolle sich Horn auch Geschäftsbereiche abseits des klassischen Ölgeschäfts erschließen. Denn speziell im Werkstattgeschäft sei die Eroberung neuer Märkte durch traditionelle Lieferantenbeziehungen schwierig. 
Schröder hat vor allem Anwendungsunterschiede entdeckt. "Tiroler Obstbauern kaufen große Scheren für große Hände, bei den Asiaten ist es eher umgekehrt", erzählt er mit einem Schmunzeln. Von regionalen Eigenheiten kann auch Thoms berichten: "Vietnamesische Kunden wollen in der Regel das High-End-Produkt inklusive Teflonbeschichtung der Außenhaut unserer Rutsche. Das kommt sonst hauptsächlich auf Ölbohrplattformen zum Einsatz, nicht an Bürogebäuden." Für westliche Kunden stünden eher Kosten und Zweckmäßigkeit im Vordergrund, so Thoms.
Die politische Weltlage ist für alle drei Unternehmer ausschlaggebend. Da die Horn-Group eng mit der Autoindustrie zusammenarbeite, sei das Russlandgeschäft aufgrund der Sanktionen deutlich zurückgegangen, so Kaufmann. Schröders Löwe-Scheren unterliegen zwar nicht den Sanktionen, die wirtschaftliche Lage in Russland erschwere aber erfolgreiches Wirtschaften. Thoms und Schröder beliefern zudem seit Langem den Iran.
"Unsere Scheren werden stets auf 'Dual Use' geprüft, also darauf, ob sie im Atomprogramm verwendet werden könnten“, erklärt der Kieler Unternehmer. Der Betrieb muss beim Iranhandel prüfen, ob Mitarbeiter und Kunden auf internationalen Terrorlisten stehen. "Bisher gab es aber keinerlei Probleme im Austausch mit Iran." Weitere Probleme, mit denen die Unternehmen im internationalen Warenverkehr kämpfen, sind extreme Währungsschwankungen und Gesetzesänderungen. So seien etwa Kfz-Vertragswerkstätten in China nicht mehr an die Ausstattungsvorgaben deutscher Autobauer gebunden, die die Horn-Group beliefert. Dadurch sei die Marktdurchsetzung schwieriger, so Kaufmann.
Einen besonderen Wert zur Eroberung neuer Märkte erkennt Schröder - gerade für kleine Mittelständler – in den weltweiten Businesscentern der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH. Hier kann sich ein Unternehmen finanziell beteiligen und Dienstleistungen nutzen. "So konnten wir vorab Marktrecherchen in Russland oder China durchführen, die aus Deutschland in der Intensität schlicht nicht möglich gewesen wären", sagt Schröder. Auch bekomme ein Betrieb Hilfe bei der Eröffnung eigener Büros - von juristischen Formalitäten bis zur Personalsuche. "So hatten wir schon einen Fuß in der Tür. Auf diesem Weg haben wir außerdem unseren heutigen Vertriebspartner in China gefunden."
Hilfe holen sich die Unternehmer auch bei den IHKs in Flensburg, Kiel und Lübeck. So nutzte Schröder Kurse zum Umgang mit chinesischen Geschäftspartnern. Thoms ergänzt: "Die Ursprungszertifikate genießen im Ausland hohes Ansehen."
Thoms und Schröder produzieren vollständig in Deutschland, die Horn-Group hat auch Produktionsstandorte außerhalb der Bundesrepublik. Schröder berichtet begeistert: "Es ist schon irre, wie hoch ausländische Partner ‚Made in Germany‘ einschätzen." Die Qualität der Produkte werde nicht infrage gestellt, ebenso wenig die Menschen dahinter. "Dem Ruf muss man jedoch auch gerecht werden." Vorreiter sei hier stets die deutsche Autoindustrie, sagt Kaufmann. Thoms ergänzt jedoch: "Umso größer war bei unseren Kunden der Schock durch die Diesel-Schummelsoftware. Und das, obwohl wir eigentlich branchenfremd sind."
Beim Thema Qualität sind sich alle drei einig. "Wenn wir international nicht auf Qualität setzen, haben wir schon verloren. Wir müssen immer diesen einen Tick besser sein", so Thoms.
Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 2. Dezember 2016