Berufswege von Führungskräften

Lernen in der Praxis

2014 hat sich der Negativtrend beim Abschluss von Ausbildungsverträgen fortgesetzt, auch in Schleswig- Holstein. Dass der duale Start ins Berufsleben bis in die Chefetage führen kann, zeigen Beispiele aus Schleswig-Holstein: Die Wirtschaft hat mit drei Führungskräften gesprochen, die "Karriere mit Lehre" gemacht haben.
Die Zahl der neuen Auszubildenden ist deutschlandweit zwischen 1998 und 2013 von rund 612.500 auf rund 522.000 zurückgegangen. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Studienanfänger von rund 230.700 im Wintersemester 1998/99 auf knapp 440.000 im Wintersemester 2013/14 nahezu verdoppelt.
Dabei bietet eine Ausbildung gute Berufsmöglichkeiten. "Die IHK-Fachkräfteprognose sagt für das Jahr 2030 rund 12.000 fehlende Akademiker und 85.000 fehlende Fachkräfte in unserem Land voraus", erklärt Hans Joachim Beckers, Federführer Ausbildung der IHK Schleswig-Holstein. Es gilt heute, schwächere Schulabsolventen für eine Ausbildung zu qualifizieren - und für leistungsstärkere Schulabsolventen die berufliche Bildung als Alternative zum Studium wieder attraktiv zu machen. Denn auch sie bietet hervorragende Entwicklungschancen.
Geschäftsführer
Die Firma Nordischer Maschinenbau Rud. Baader GmbH + Co.KG mit Sitz in Lübeck ist Weltmarktführer für Verarbeitungsmaschinen von Fisch und Geflügel. Einer der beiden Geschäftsführer ist Robert Focke. Der 51-Jährige hat nach der mittleren Reife eine Lehre zum Industriekaufmann bei der Firma Codan in Lensahn absolviert. "Ich wollte etwas Kaufmännisches machen und bin über die Berufsberatung beim Arbeitsamt auf diesen Beruf gekommen", erzählt Focke.
Während des Wehrdienstes hat er die Ausbildereignungsprüfung abgelegt, wurde mit 25 Jahren Personalleiter bei Codan, war nebenberuflich als Dozent an der Wirtschaftsakademie Schleswig- Holstein tätig. Von 1991 bis 1998 war Focke bei Peter Wolters in Rendsburg Personalleiter und ist in gleicher Funktion dann zu Baader gewechselt. "Ich habe mich berufsbegleitend fortgebildet, um nicht stehen zu bleiben." Er wird IHK-geprüfter Bilanzbuchhalter und anschließend Internationaler Bilanzbuchhalter. Mit diesen Voraussetzungen steigt Focke bei Baader 2005 zum kaufmännischen Leiter und 2009 zum Mitgeschäftsführer auf.
Seine Bilanz: "Ich habe durch Fortbildungen gute Aufstiegsmöglichkeiten gesehen und konnte das theoretische Wissen praktisch umsetzen, das war besser als ein Studium." Allerdings sei die Studienaffinität heute bei Führungskräften wichtiger als früher. Innerhalb eines Unternehmens könne man aufsteigen, für Quereinsteiger sei der Einstieg ohne Studienabschluss aber häufig schwierig.
Teamleiterin
Ein Wirtschaftspraktikum und das durch den Beruf des Vaters geweckte Interesse an erneuerbaren Energien sind dafür mitverantwortlich, dass Ines Brodersen im zwölften Jahrgang die Schule zugunsten einer Ausbildung aufgegeben hat. Die heute 29-Jährige schloss erfolgreich ihre Lehre zur Industriekauffrau beim Windenergiekonzern Vestas ab und ist noch heute am Firmensitz in Husum tätig. Vestas Central Europe entwickelt dort Windenergielösungen und installiert und betreibt Windenergieanlagen.
Brodersen war nach Abschluss ihrer Ausbildung zwei Jahre lang Projektassistentin im Bereich Construction. "Ich habe ein vierjähriges berufsbegleitendes Studium abgeschlossen und Fortbildungen, beispielsweise im Bereich 'Ausbildung der Ausbilder', absolviert." An der Wirtschaftsakademie Schleswig- Holstein ist sie 2009 Industriefachwirtin und 2011 Betriebswirtin geworden, geprüft vor der IHK Flensburg. Seit 2011 hat Brodersen die Teamleitung im Bereich Project Support für Deutschland inne, weitere Länder sind hinzugekommen. "Ich habe durch mein Studium gute Aufstiegschancen. Allerdings wäre das Studium ohne die Ausbildung nicht möglich gewesen, da mir die Praxis gefehlt hätte." Für sie ist eine Kombination aus Lehre und berufsbegleitendem Studium der richtige Weg.
Inhaber
Peter Althaus ist den Weg von der Gastronomie bis zum Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts für Glas, Porzellan und Keramik gegangen. "Ich habe Chancen, die sich mir boten, ergriffen und erfolgreich weitergeführt", sagt der Geschäftsmann. Der heute 57-Jährige wollte nach der Realschule in die Fußstapfen seiner Eltern treten, die in Nordrhein-Westfalen einen gastronomischen Betrieb besaßen. Er besuchte die Hotelfachschule und schloss eine Ausbildung zum Koch an. "Diese praktischen Kenntnisse haben mir stets genützt", sagt Althaus.
In die Möwenpick Gastronomie Hannover mit 3.000 Gästen pro Tag stieg er als Betriebsassistent ein und wurde mit 25 Jahren Einkaufsleiter. "Es war ein unruhiges Leben, und mit Ende 20 kam der Wunsch auf, sesshaft zu werden", so Althaus. Mit der Ehefrau entschied er sich für Schleswig-Holstein. In Rendsburg war Althaus vier Jahre lang im Porzellangeschäft Gronau tätig, zunächst als Abteilungsleiter, dann als Geschäftsführer. Nachdem das Porzellangeschäft geschlossen worden war, eröffnete Althaus 1988 sein eigenes Einzelhandelsgeschäft in der Rendsburger Innenstadt. Hier beschäftigt er heute fünf Mitarbeiter. "Während meiner Laufbahn habe ich sehr viel in der Praxis gelernt", so Althaus. Sein Wissen und seine Erfahrungen kämen ihm heute auch beim Umgang mit seinen Kunden und seinen Mitarbeitern zugute.
Hilke Ohrt
Veröffentlicht am 5. Mai 2015