Fachkräfte in Schleswig-Holstein

Attraktive Chancen bieten

Bis zu 300.000 Fachkräfte werden Schleswig-Holstein im Jahr 2035 fehlen - das prognostiziert eine Studie der Fachkräfteinitiative Schleswig-Holstein. Und nach dem DIHK-Arbeitsmarktreport können 49 Prozent der bundesweit befragten Betriebe offene Stellen längerfristig nicht besetzen. Unternehmen im echten Norden nutzen schon heute viele Wege, um Fachkräfte zu gewinnen. Sie investieren in die Arbeitgebermarke, nutzen das Potenzial älterer Arbeitnehmer - und setzen auf die duale Ausbildung.
Die Fachkräfteinitiative Schleswig- Holstein (FI.SH) mit den IHKs als Partnern ist jetzt neu ausgerichtet worden und konzentriert sich besonders auf die berufliche Ausbildung und Weiterbildung. Und auch die Betriebe investieren in den eigenen Nachwuchs: Im Ausbildungsjahr 2018 haben die Unternehmen in Schleswig-Holstein 10.562 Ausbildungsverträge bei den IHKs eintragen lassen - mehr als 2017, trotz sinkender Schulabgängerzahlen.
Ein Plädoyer für die berufliche Ausbildung hält auch Karl Henrik Skurnia. 2003 bis 2006 hat er bei Burger King in Flensburg eine Ausbildung als Fachmann für Systemgastronomie gemacht - heute ist er geschäftsführender Gesellschafter der drei Franchise-Standorte. Nach seiner Ausbildung baute er einen Burger-King-Restaurant im dänischen Blåvand mit auf, danach war er drei Jahre lang in verschiedenen Städten in Großbritannien.
Zurück nach Deutschland ist er gekommen, weil ihn der Ehrgeiz gepackt hat: "Ich bin dann zur Hotelfachschule in Hamburg gegangen und habe eine Weiterbildung zum Betriebswirt gemacht. Die praktischen Erfahrungen mit der Theorie zu vereinen und das, was man im Arbeitsalltag ständig anwendet, theoretisch zu belegen, hat für mich einige Kreise geschlossen." Skurnia kehrte nach Flensburg zurück, wo er zunächst Distriktleiter der drei Flensburger Burger-King-Standorte war, ehe er 2017 Geschäftsführer wurde.
Seine Aufgaben bestehen heute vor allem aus Personalarbeit. Er ist regelmäßig an den drei Standorten und hat ein gutes Verhältnis zu den 120 Mitarbeitern, darunter momentan sechs Auszubildende. Die größte Herausforderung seiner Position sei, wiederum junge Leute für eine Ausbildung zu motivieren. "Der Beruf des Systemgastronomen kann eine Herausforderung sein: Manchmal ist man vier Wochen im Service beschäftigt, was anstrengend und monoton sein kann. Aber es kommen dann auch wieder andere, spannendere Aufgaben."
Zudem sei die Ausbildung ein idealer Ausgangspunkt, die Praxiserfahrung sei unbezahlbar und die Möglichkeiten, danach weitere Aufgaben zu übernehmen, seien vielfältig. Deshalb ist Skurnia auch im Prüfungsausschuss der IHK Flensburg - um jungen Menschen dieselben Chancen zu geben, die er durch seine Ausbildung nutzen konnte.
Identifikation
Um Fachkräfte zu gewinnen, müssen Arbeitgeber potenzielle Angestellte von sich überzeugen. Das hat auch Jörg Bonkowski erkannt: Der Geschäftsführer der Mebo Sicherheit GmbH in Bad Segeberg hat in seine Unternehmenskultur investiert und dadurch mehrere Mitarbeiter zurück in seine Firma geholt. Eine von ihnen ist Janique Jornitz: Seit 2018 ist sie als Personalreferentin angestellt. Im Rahmen ihrer Weiterbildung zur Kaufmännischen Assistentin hatte sie bereits 2011 ein Praktikum bei Mebo absolviert, danach war sie bis 2016 Sachbearbeiterin.
Nach einem Jahr Auslandsaufenthalt bekam sie eine Whats-App-Nachricht von Jörg Bonkowski. Er berichtete ihr von der Stelle als Personalreferentin. Bei einem Mittagessen sprachen sie über die Aufgaben. "Was mich vor allem überzeugt hat, waren neben den spannenden Aufgaben die Rahmenbedingungen der Stelle", erzählt Jornitz.
Dass der Chef sie persönlich kontaktiert habe, sei eine tolle Motivation gewesen. Dazu kamen Vorteile wie die flexiblen Arbeitszeiten und der Mebo-Gesundheitspass: "Die Firma übernimmt Zusatzuntersuchungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, wie Krebsvorsorge oder Impfungen", berichtet Bonkowski. Ein Vorteil, der Mitarbeiter entlastet - und bindet.
Darüber hinaus engagiert sich Mebo mit dem Verein Mebo hilft e. V., der Kindergärten, Schulen, Behinderteneinrichtungen und Hospize fördert. Solche Aktionen sind auf doppelte Weise sinnvoll: Neben den vielen Projekten, die Mebo fördert, trägt das Engagement auch dazu bei, dass sich die Mitarbeiter gern mit ihrem Arbeitgeber identifizieren.
"Klar ist es wichtig, dass man sich mit dem Produkt seiner Firma identifiziert", betont Jornitz. "Aber man muss auch auf das Interne schauen: Identifizieren sich die Kollegen mit der Unternehmenskultur, die hier gelebt wird? Stehen sie hinter der Firma, auch über das Produkt hinaus?" Und das tun sie. So sind etwa viele Mitarbeiter Mitglieder beim Mebo hilft e. V. und spenden auch regelmäßig - sogar die Azubis.
Motivation
Der demografische Wandel sorgt dafür, dass bis 2030 die Zahl der Erwerbsfähigen deutlich zurückgehen wird. Wie aus einer Prognose des Bundesarbeitsministeriums hervorgeht, wird die Zahl der Arbeitskräfte zwischen 15 und 24 Jahren um 980.000 im Vergleich zu 2010 sinken, die Zahl der Erwerbspersonen zwischen 25 und 54 sogar um 4,8 Millionen. In der Gruppe der über 55-Jährigen wird es jedoch einen Anstieg von etwa drei Millionen geben - für die Wirtschaft ist es dementsprechend wichtig, Fachkräfte in der Generation 50 plus zu suchen.
Zu dieser gehört Meike Adu-Boateng. Die 56-Jährige hat nach langer Arbeitslosigkeit einen Job gefunden: Beim Ingenieurbüro Reinberg GmbH & Co. KG in Lübeck ist sie nun seit vier Jahren als Sekretärin tätig. Die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin war langzeitarbeitslos, also über mehrere Jahre nicht durchgehend beschäftigt. Vor ihrer Anstellung beim Ingenieurbüro Reinberg, zu dessen Leistungen Beratung und Gutachten gehören, hat sie zeitweise bei der Toys Company der Dekra Akademie GmbH gearbeitet. Die Toys Companies, die es bundesweit an 28 Standorten gibt, sind Gemeinschaftsprojekte der Jobcenter und der Dekra, in denen gebrauchtes Spielzeug von Langzeitarbeitslosen aufbereitet wird.
Ziel ist es, die Menschen wieder an einen geregelten Arbeitsalltag zu gewöhnen. Adu-Boateng war in der PR-Abteilung der beiden Lübecker Standorte beschäftigt. "Dass ich als Fremdsprachenkorrespondentin langfristig weniger Chancen auf einen Job hatte, war mir früh bewusst - zumal ich in dem Bereich so lange nicht tätig war. Dann zu sehen, dass mir die Arbeit im Büro liegt, hat mich schließlich motiviert, mich in diesem Bereich zu bewerben."
Die Mitarbeiter des Jobcenters unterstützten Adu-Boateng bei der Arbeitssuche. "Ich hatte einen sehr kompetenten Vermittler, der mich darin bestärkte, auch Initiativbewerbungen zu schreiben", erzählt sie. Mit dem Eingliederungszuschuss hat die Agentur für Arbeit das Ingenieurbüro Reinberg finanziell unterstützt und so zum Erfolg beigetragen.
Und was hat sich für sie durch die Anstellung verändert? "Eigentlich alles in meinem Leben", schmunzelt sie. Der geregelte Tagesablauf und die Wertschätzung, die sie von den Kollegen erfahre, seien Dinge, die sie motivierten - und sie darin bestätigten, dass ihr Weg der richtige gewesen sei.
Jutta Lasner
Veröffentlicht am 3. Mai 2019