Stellungnahme zum Bundesverkehrswegeplan

Eine bedarfsgerechte und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung wirtschaftlicher Entwicklung. Die Erhaltung und der Ausbau der Verkehrswege bedürfen daher einer zuverlässigen Analyse und finanzieller Sicherung. Dieses soll der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 gewährleisten.
Die IHK zu Rostock hat dabei die Schwerpunktsetzung des neuen BVWP auf Erhalt der Verkehrsinfrastruktur unterstützt. Der Fokus muss darüber hinaus aber auf ein leistungsfähiges Gesamtnetz gerichtet werden. Dazu gehören neben der Engpassbeseitigung auch die Entwicklung von Alternativtrassen, um stark belastete Knoten oder Strecken weiträumig umfahren zu können. Die Funktion einer solchen Alternativtrasse kann z.B. die A 14 wahrnehmen. Ziel muss eine zeitnahe Fertigstellung des Gesamtprojektes sein. Nur dann kann die A14 die volle Verkehrswirksamkeit entfalten und z.B. auch zur Entlastung der Großräume Hamburg und Berlin beitragen. Die Aufnahme der gesamten A14 als fest disponiertes Projekt bzw. in den vordringlichen Bedarf wird ausdrücklich begrüßt, ebenso wie die Gesamtfertigstellung der B96n mit dem noch fehlenden Abschnitt Samtens – Bergen als Anbindung für den Gewerbestandort und Hafen Sassnitz sowie der Tourismusregion Rügen.
Für Mecklenburg-Vorpommern geht es auch mit Blick auf die feste Fehmarn-Belt-Querung darum, die Häfen und Hinterlandanbindungen leistungsfähig zu entwickeln. Bestehende infrastrukturelle Defizite bei Schienenwegen, Straßen und der Hafenzufahrt Rostock müssen beseitigt werden. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass der Nordosten als Wirtschaftsstandort gestärkt wird.
Zu Einzelprojekten nehmen wir wie folgt Stellung:

Zu Anlage 3 Projektlisten Wasserstraßen

Anpassung der seewärtigen Zufahrt zum Seehafen Rostock, Projekt-Nr. W 04
Die Anpassung des Seekanals Rostock auf eine Wassertiefe von 16,5 m wurde zur Erhöhung der Massenleistungsfähigkeit des Hafens vom Land Mecklenburg-Vorpommern beantragt. Moderne Massengutschiffe (Rohöl, Koks- und Kraftwerkskohle, Erze, Getreide, Baustoffe) nutzen den maximal möglichen Tiefgang in der Ostsee und erfordern zulässige Abladetiefen von 15 m bei einer Fahrwassertiefe von 16,5 m.
Die Vertiefung der seewärtigen Zufahrt steht in Synergie mit der bereits weitgehend erfolgten Ertüchtigung der Bahnstrecke Rostock-Berlin (bis zu dem wichtigen Industriestandtort Stahlwerk Eisenhüttenstadt) für massenguttaugliche 25 t Radsatzlast im Hafenhinterlandverkehr. Rostocks Aufnahme als Kernnetzhafen mit Einordnung in zwei prioritäre Korridore des TEN Kernnetzes (Scandinavian-Mediterranean und Orient-East Med mit Realisierungsziel bis 2030) unterstreicht dessen Bedeutung im europäischen Kontext.
Die Sicherung und der Ausbau von derzeit etwa 16.000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen in der Region sowie die Stärkung ostdeutscher Industriekerne (Eisenhüttenstadt, Schwedt, Mitteldeutschland) und darüber hinaus die Versorgung von Industrien in Zentraleuropa (Tschechien, Slowakei, Südwestpolen) hängen von der Leistungsfähigkeit des Hafenstandortes Rostock ab.
Die Wettbewerbsfähigkeit Rostocks, als einziger Universalhafen an der deutschen Ostseeküste, wird gegenüber seinen europäischen Mitbewerbern entscheidend durch die infrastrukturellen Voraussetzungen bestimmt. So agiert Danzig bereits seit Jahren mit dem Vorteil einer Wassertiefe von 16,5 m und in Swinemünde wird sie angestrebt.
Eine Aufnahme des Projektes in den Entwurf des BVWP 2030 wird deshalb grundsätzlich begrüßt, die Dimensionierung und die Bewertung sind allerdings zu korrigieren:
  • Dem Projekt wurde die Kategorie „Engpassbeseitigung“ bestätigt. Folgerichtig fordert die IHK zu Rostock eine Anpassung der Einordung in die höchste Dringlichkeitsstufe „Vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung“ (VB-E).
  • Für die im BVWP-Entwurf enthaltene „Minimalvariante“ (15,8 m Wassertiefe bzw. 14,3 m Tiefgang) wurde ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von lediglich 2,7 ermittelt. Begründet wurde die Ablehnung der angestrebten Variante (16,5 m) mit einem schlechteren NKV. Dies steht im Widerspruch zu dem in der Voruntersuchung der WSV ermittelten NKV von 5,8 für die Vertiefung auf 16,5 m Wassertiefe und 15 m Tiefgang. Beim Variantenvergleich muss wie üblich auch das „Differenz-NKV“ Berücksichtigung finden.
  • Bislang war die Rostocker Seehafenzufahrt in die höchste Wasserstraßenkategorie A eingestuft. Für den neuen BVWP hat das BMVI eine neue Klassifizierung vorgenommen. Darin fällt Rostock in die mittlere Kategorie B (Wasserstraßen mit 5 – 50 Mio. t Gütern p.a.). Das korrespondiert nicht mit der Rolle als TEN-Kernnetzhafen.
Die IHK zu Rostock fordert nachdrücklich die Aufnahme des Vorhabens in die Kategorie „VB-E“ sowie in die Wasserstraßenkategorie A und die Vertiefung um 2 m auf 16,5 m Wassertiefe (bzw. 15 m Tiefgang).

Zu Anlage 2 Projektlisten Schiene

ABS Lübeck/Hagenow Land – Rostock – Stralsund (VDE Nr. 1), Projekt-Nr.: L02 / 1-115
Im Entwurf des BVWP 2030 wird die weitgehend fertiggestellte 1. Baustufe und die
teilweise fertiggestellte 2. Baustufe (Schönberg – Grieben, Bf Schönberg, Bf Grevesmühlen, Bad Kleinen – Ventschow, Schwaan – Rostock, Ribnitz-Damgarten West – Warnowbrücke, ESTW, Carlshöhe – Bad Kleinen (a)) konstatiert. Das 2. Gleis Riekdahl (bei Rostock) – Ribnitz-Damgarten West und Velgast – Stralsund sowie die Geschwindigkeitserhöhung auf max. 160 km/h Riekdahl – Ribnitz-Damgarten West sind mit der Begründung in der Grobbewertung ausgeschieden, dass aufgrund der aktuellen Verkehrsprognosen kein Engpass in diesen Bereichen erwartet wird und ein Ausbau keinen Nutzen bringt. Somit sei das Projekt nicht wirtschaftlich und deshalb nicht in den BVWP aufzunehmen.
Mit dieser Einschätzung kann sich die IHK zu Rostock aus folgenden Gründen nicht zufrieden geben:
  • Die Strecke ist eine der wichtigsten überregionalen Anbindungen für Mecklenburg-Vorpommern und verbindet die Oberzentren Schwerin, Rostock, Stralsund, Greifswald und die Insel Rügen mit Hamburg und dem gesamten südwestdeutschen Raum. Es ist das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1 – es sollte wieder in den vordringlichen Bedarf des BVWP 2030 eingeordnet und 25 Jahre nach der deutschen Einheit endlich abschließend fertiggestellt werden.
  • Zumindest ist die Erhöhung der Geschwindigkeit durchgehend auf 160 km/h notwendig. Das Fernverkehrskonzept der DB AG sieht auch weiterhin Fernverkehrsverbindungen auf dieser Strecke im 2-Stundentakt vor.
  • Die Erhöhung der Geschwindigkeit ist wichtig, um attraktive Reisezeiten im Nah-und Fernverkehr anbieten zu können.
  • Ein punktueller zweigleisiger Ausbau Rostock – Ribnitz-Damgarten, um Überholungsmöglichkeiten zu schaffen (Engpassbeseitigung), sollte geprüft werden.
  • Für den Schienengüterverkehr hat die Verbesserung der Durchlassfähigkeit durch die Beseitigung von Engpässen und die Installation von Überholgleisen primäre Bedeutung. Die Strecke des VDE Nr. 1 ist die Ost-West-Anbindung der Häfen Stralsund und Sassnitz an die Metropolregion Hamburg, wodurch
  • Überseetransporte zu Destinationen in der Ostsee künftig effizient abgewickelt werden könnten.
  • Das Projekt ist in der Ahrensburger Liste enthalten.
ABS Kavelstorf – Rostock Seehafen (Ausbau auf 25 t Achslast), Projekt-Nr.: 1-094
Das Projekt ist mit der Begründung in der Grobbewertung ausgeschieden, dass keine Rückverlagerung des Eisenerzverkehres von Hamburg nach Rostock erwartet wird. Es bestehe nur eine geringe Nachfrage nach einer Ertüchtigung der Strecke durch den Schienengüterverkehr. Da deshalb die hohen Investitionskosten nicht durch einen Nutzen für den überregionalen Verkehr gedeckt werden können, sei das Projekt nicht wirtschaftlich und somit nicht in den BVWP aufzunehmen.
Die IHK zu Rostock fordert nachdrücklich die Fertigstellung der Bahntrasse Rostock-Berlin mit einer Achslast von 25 t.
  • Dieser Streckenabschnitt ist Teil der Bahnstrecke Rostock – Berlin und als Hinterlandanbindung für den Seehafen Rostock unverzichtbar und sollte deshalb in den vordringlichen Bedarf des BVWP eingeordnet werden.
  • Der überwiegende Teil der Trasse Rostock – Berlin (ca. 200 km) wurde bereits ausgebaut. Zu ertüchtigen ist jetzt noch ein kleines Teilstück von ca. 15 km
  • zwischen Rostock Seehafen und Kavelstorf, damit die durchgehende Befahrbarkeit mit einer Achslast von 25 t auf der gesamten Strecke möglich wird.
  • Die Seekanalvertiefung um 2 m auf 16,5 m Wassertiefe (bzw. 15 m Tiefgang) muss in Kombination mit dem vollständigen Ausbau Rostock – Berlin erfolgen.
  • Nur mit einer durchgehenden Verbindung für schwere Güter können Massengut-und KLV-Verkehre optimal realisiert und entwickelt werden.
  • Der Streckenabschnitt ist Bestandteil des TEN-Kernnetzes und muss deshalb einen angemessenen Ausbaustandard aufweisen.
Das Projekt ist nach Aussage der DB Netz AG im Rahmen des Seehafenhinterlandprogramm des Bundes (SHHV II) finanziert und die Umsetzung im Jahr 2017 vorgesehen. Wenn dies zutreffend ist, muss diese Begründung in die Formulierung im BVWP aufgenommen werden.
ABS Berlin – Stralsund (über Pasewalk), Projekt-Nr.: 1-034
Das Projekt wurde nicht in den BVWP 2030 aufgenommen. Es ist mit der Begründung in der Grobbewertung ausgeschieden, dass aufgrund von Veränderungen in der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV)- und der Schienengüterverkehr (SGV)-Nachfrage auf dieser Strecke eine Erhöhung der Maximalgeschwindigkeit auf der Strecke nicht mehr nutzbringend für den überregionalen Verkehr sei. Da es sich daher um eine Schienenpersonennahverkehr (SPNV)-Maßnahme handele, sei der Projektvorschlag nicht in den BVWP aufzunehmen.
Die IHK zu Rostock fordert, das Projekt aus folgenden Gründen in den vordringlichen Bedarf des BVWP 2030 einzuordnen:
  • Diese angeführte Begründung ist nicht zutreffend. Auf der Strecke verkehren regelmäßig Fernverkehrszüge (sechs Züge pro Tag). Zusätzliche Fernreiseverbindungen werden an den Wochenenden und in der Tourismussaison angeboten. Für den Schienengüterverkehr nimmt die Trasse den Hauptteil des Güterumschlags aus dem Seehafen Stralsund in der Nord-Süd-Destination auf. Es handelt sich hier um eine echte Alternative zur Entlastung überlasteter westlicher Trassen im Nord-Süd-Verkehr.
  • Das Fernverkehrskonzept der Bahn sieht eine IC-Linie für Stralsund – Berlin spätestens für 2026 vor. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Ausbau auf 160 km/h spätestens erfolgt sein.
  • Die durchschnittliche Reiseweite der Fahrgäste beträgt auf der Strecke über 50 km und eine Stunde und wäre damit dem Fernverkehr zuzuordnen.
  • Die Strecke ist eine wichtige Bahnanbindung im Urlauberverkehr für die Inseln Rügen und Usedom.
  • Das Projekt ist in Teilen bereits umgesetzt. Der Unterbau ist bereits in weiten Teilen für 160 km/h und 22,5 t Achslast ausgebaut. Die Oberleitung muss erneuert und die uneingeschränkte Ertüchtigung sämtlicher Sicherungs- und Signaltechnik gewährleistet werden. Das Projekt entfaltet nur bei Gesamtfertigstellung seine Wirkung. Bereits getätigte Investitionen wären unwirksam, wenn das Projekt nicht vollständig umgesetzt wird.
  • Nach unserem Kenntnisstand wurde die Anzahl der Blockabschnitte bereits verringert und auf die Geschwindigkeitserhöhung auf 160 km/h ausgerichtet. Ohne Umsetzung der Geschwindigkeitserhöhung ist damit im gegenwärtigen Zustand eine Kapazitätsreduzierung verbunden. Auch deshalb darf das Projekt nicht unvollendet bleiben.
  • Bei der Strecke Stralsund – Neubrandenburg – Neustrelitz wird im BVWP argumentiert, dass sie Nahverkehrscharakter habe und der Fernverkehr auf der Strecke Stralsund – Pasewalk – Berlin verkehren solle. Das steht im Widerspruch zur oben zitierten Begründung.
  • Das Projekt ist in der Ahrensburger Liste enthalten.

Zu Anlage 1 Projektlisten Straße

Ortsumgehung Mönchhagen (und Rövershagen), B105-G10-MV
Wir begrüßen, dass das Projekt im vordringlichen Bedarf im Entwurf des BVWP 2030 enthalten ist.
Folgende Fakten unterstützen diese Bewertung:
  • Die Ortsdurchfahrten Mönchhagen und Rövershagen sind Stauschwerpunkte auf der B105.
  • Die Gesamtleistungsfähigkeit der B105 von Rostock über Ribnitz-Damgarten bis Stralsund ist durch das bestehende Nadelöhr beeinträchtigt.
  • Die Anbindung ist von besonderer Bedeutung als Zubringer für die Tourismusregion Darß. Im An- und Abreiseverkehr der Urlauber entstehen zum Teil stundenlange Wartezeiten, verbunden mit Imageschäden für die Tourismuswirtschaft.
  • Insbesondere in der Saison sind dramatische Staus zu verzeichnen, die sich auf die gesamte Region auswirken.
  • Der Abschnitt ist ein gravierender Engpass auf der B105 östlich von Rostock und beeinträchtigt den Zu- und Abfluss zur Hansestadt Rostock und in Richtung Ribnitz-Damgarten erheblich.
Ortsumgehung Bergen, Projekt-Nr.: B196-G10-MV
Wir begrüßen, dass das Projekt im Entwurf des BVWP 2030 in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen wurde.
Die IHK zu Rostock bekräftigt dies mit folgenden Argumenten:
  • Die Ortsumgehung Bergen ist von besonderer Bedeutung als Zubringer für die Tourismusregion im Nordosten der Insel Rügen.
  • Besonders in der Tourismussaison ist ein hohes Verkehrsaufkommen zu An- und Abreisezeiten der Urlauber zu verzeichnen. Durch Staus im An- und Abreiseverkehr entstehen Imageschäden für die Tourismuswirtschaft.
  • Die Ortsumgehung ist außerdem als Alternativroute zur B96 für die Hinterlandanbindung des Fährhafens Sassnitz wichtig.
  • Der Fährhafen Sassnitz braucht als Fähr- und Industriestandort mit besonderem Wachstumspotenzial (u.a. Offshore-Windenergie und Neubau Rohrwerk) und als Transithafen für Verkehre nach Skandinavien und Russland staufreie und leistungsfähige Hinterlandanbindungen.
  • Die Innenstadt von Bergen wird entlastet und eine direkte Anbindung der Gewerbegebiete ermöglicht.
  • Das Projekt sollte unmittelbar im Anschluss an den 2. Bauabschnitt der B96n Samtens — Bergen realisiert werden. Mit Fertigstellung der B96n bis Bergen wird die Trasse bis Bergen leistungsfähig sein. Der Stauschwerpunkt wird sich dann an der Ortsdurchfahrt Bergen verstärken. Die Ortsdurchfahrt Bergen würde mit Fertigstellung der B96n ohne die Ortsumgehung zum Nadelöhr.