2022 startet mit angezogener "Corona-Handbremse"

Der IHK-Geschäftsklimaindex schwächt sich zum Jahresbeginn 2022 auf 111 Indexpunkte ab. Dennoch bleibt der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk Rostock ein erneuter Absturz in die Tiefen des Coronatals wie zu Beginn des Vorjahres erspart. Innerhalb des IHK-Bezirks Rostock stellt sich die konjunkturelle Situation zunehmend differenzierter dar. In Rostock sind die Unternehmen für die kommenden Monate optimistischer eingestellt.

Geschäftsklima im IHK-Bezirk Rostock

Noch im Herbst 2021 konnte die IHK in ihrer Konjunkturumfrage eine so vitale Verbesserung der Lage- und Erwartungswerte beobachten, dass bereits ein Aufschwung aus dem konjunkturellen “Coronatal” zu erhoffen war. Diese Zuversicht erwies sich mit dem Aufkommen der Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus – nur wenige Wochen nach der Befragung – als trügerisch: Die erneute Intensivierung der Coronamaßnahmen hat die konjunkturelle Erholung wieder deutlich gedämpft.
Der IHK-Geschäftsklimaindex sinkt zu Jahresbeginn 2022 auf 111 Indexpunkte ab. Dennoch bleibt der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk Rostock ein erneuter Absturz in die Tiefen des Coronatals (Jahresbeginn 2021: 89) erspart. Zu diesen Ergebnissen kommt die Auswertung der Antworten von 415 Unternehmen im Rahmen der Konjunkturumfrage der IHK zu Rostock, die Ende Januar 2022 stattfand.
Weiterhin verzeichnet eine Mehrheit der Unternehmen gute Geschäfte und blickt hoffnungsvoll in das Jahr 2022. In einzelnen Branchen bzw. für einzelne Betriebe ist die wirtschaftliche Situation gleichwohl angespannt. Der insgesamt aus den Umfrageergebnissen abzulesende konjunkturelle Rückschlag fordert auch seinen Tribut in Form gesunkener Investitionsabsichten und einer verringerten, wenngleich weiterhin positiven Beschäftigungsplanung der Betriebe. Wie bereits in der Vorumfrage stellen für viele Befragte die aktuellen Lieferengpässe bei der Beschaffung von Energie, Rohstoffen oder Vorprodukten und die damit oftmals eingehenden Preissteigerungen eine schwere Belastung dar.

Geschäftslage: deutlich eingetrübt

Im Herbst vergangenen Jahres sah es so aus, als wenn bereits der konjunkturelle Wendepunkt zum Aufschwung erreicht worden wäre. Mit dem Einsetzen der Maßnahmen zur Eindämmung der damals vorherrschenden Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus verschlechterte sich auch die wirtschaftliche Lage viele Unternehmen, so dass aktuell nur noch 40 Prozent ihre gegenwärtige Situation als „gut“ bewerten: Zehn Prozent weniger als im Herbst 2021. In gleichem Maße verdoppelt sich der Anteil der negativen Einschätzungen im Vergleich zur Vorumfrage auf 20 Prozent. Der Geschäftslagesaldo sinkt in der Folge um 20 auf 19 Prozentpunkte.

Aktuelle Finanzlage: spürbar angespannter

In Anbetracht der wieder deutlich schwierigeren Situation hat sich die aktuelle Finanzlage der befragten Betriebe zuletzt verschärft: nur noch 57 Prozent beurteilen sie als unproblematisch. Im Herbst lag dieser Anteil bei 70 Prozent. Zur Abfederung von Umsatzeinbußen aber auch von Kostensteigerungen müssen die betroffenen Unternehmen vermehrt auf ihr Eigenkapital zurückgreifen (plus sieben auf 23 Prozent) und sehen sich zunehmenden Forderungsausfällen ausgesetzt (plus fünf auf 10 Prozent). Hoffnungsvoll stimmt, dass der Anteil der von Insolvenz bedrohten Unternehmen mit zwei Prozent weitgehend stabil bleibt.

Geschäftserwartungen: vorsichtig optimistisch

Trotz der deutlichen Eintrübung der Lageeinschätzungen zeigen sich die Unternehmen, wie bereits in der Vorumfrage, verhalten optimistisch hinsichtlich ihrer Erwartungen für die zukünftige Geschäftslage. Der Erwartungssaldo liegt mit 3 Prozentpunkten fast auf dem Wert der Herbstbefragung. Mehr als ein Fünftel der Umfrageteilnehmer:innen blickt zuversichtlich in die kommenden zwölf Monate und geht von einer Verbesserung der Geschäfte aus. 60 Prozent rechnen mit „gleich bleibenden“ und damit überwiegend „guten“ bis „befriedigenden“ Geschäften im Jahr 2022.

Investitionen: Erweiterungsinvestitionen werden aufgeschoben

Die Investitionspläne der Betriebe bleiben in ihrer Gesamtheit zwar positiv, reduzieren sich jedoch im Vergleich zur Vorumfrage. Der Investitionssaldo sinkt um sechs auf fünf Punkte. Die aktuelle Verschlechterung der Geschäftslage bei verhalten optimistischen Erwartungen führt dazu, dass eher kleinere Investitionsausgaben verschoben werden: Der Anteil der geplanten Investitionen bis unter 100.000 Euro sinkt um vier Prozent, während die höheren Investitionsbudgets weitgehend konstant bleiben. Auch der Anteil der Unternehmen, die keine Investitionen planen, liegt mit 29 Prozent im Vergleich zum Herbst 2021 auf fast unverändertem Niveau.
Folgerichtig haben im Vergleich zur Vorumfrage bei den Hauptmotiven für die geplanten Investitionen die Erhaltungsinvestitionen (Ersatzbedarf; plus fünf Prozent) zu Lasten der Erweiterungsinvestitionen (Kapazitätsaufbau; minus vier Prozent) an Bedeutung gewonnen. Vor dem Hintergrund stark gestiegener Energie- und Rohstoffpreise als auch der Höhe der Arbeitskosten bleiben kostensenkende Rationalisierungsinvestitionen im Fokus der betrieblichen Investitionstätigkeit.

Fremdfinanzierung: anhaltend unproblematisch

Auch zu Jahresbeginn wird der Zugang zu Fremdfinanzierungsquellen von den befragten Unternehmen als unkritisch eingeschätzt. Die Mehrheit hat einen guten Zugang zu Fremdkapital (32 Prozent) bzw. ist nicht auf eine Fremdfinanzierung angewiesen (40 Prozent). Nur zwölf Prozent der Betriebe klagen über einen schlechten Zugang oder gescheiterte Finanzierungsvorhaben. Bei den betroffenen Unternehmen werden vermehrt die geforderten Sicherheiten bei Kreditfinanzierungen als problematisch angesehen (plus 24 auf 82 Prozent). Gestiegene Zinsen als Verschlechterungsgrund spielen nach wie vor nur für vergleichsweise wenige Betroffene eine Rolle (20 Prozent).

Exporte: sehr schwieriges Marktumfeld

Die weltweit anhaltend unübersichtliche Pandemiesituation, massive Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten und erhebliche globale Logistikprobleme, z. B. durch gesperrte Großhäfen in China, bewirken, dass die Exporterwartungen im IHK-Bezirk weiter an Fahrt verlieren. Fast vier von zehn grenzüberschreitend aktiven Unternehmen gehen von sinkenden Ausfuhren in den nächsten zwölf Monaten aus. Eine Verdoppelung im Vergleich zum Herbst. Nur jedes zehnte exportierende Unternehmen geht noch von einer Steigerung seines Auslandsgeschäfts aus. Der Exportsaldo stürzt von einem auf minus 28 Prozentpunkte ab.

Beschäftigung: Personal strategisch sichern

Die Beschäftigungspläne der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk verlieren deutlich an Dynamik: Der Beschäftigungssaldo halbiert sich auf sechs Prozentpunkte. Dennoch stehen die Zeichen weiterhin auf Personalzuwachs. Knapp 86 Prozent der Betriebe halten oder erweitern (20 Prozent) ihr Beschäftigungsniveau, um strategisch die Produktion bzw. Geschäftstätigkeit zu sichern und für bessere Zeiten gewappnet zu sein.
Besonders die Industrie und das Dienstleistungsgewerbe rechnen mit Beschäftigungszuwächsen. Die Bauwirtschaft und das Verkehrsgewerbe gehen eher von einem sinkenden Beschäftigungsniveau aus (Saldo - Bau: minus zehn, Verkehrsgewerbe: minus zwei Prozentpunkte).
Dies ergibt sich allerdings aus dem Mangel an qualifiziertem Personal auf dem Arbeitsmarkt. In beiden Branchen geben über 60 Prozent der Betriebe an, dass sie derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzten können, da sie keine passenden Arbeitskräfte finden. Lediglich das Gastgewerbe steht hier noch schlechter da (75 Prozent).

Probleme: Kurz- und langfristige Engpässe bei Produktionsfaktoren

Während die Arbeitskosten für viele Unternehmen auf gleichem Herausforderungsniveau relevant bleiben, gibt der Fachkräftemangel seine „Spitzenreiterposition“ in der Rangfolge der wichtigsten Hemmnisse und Probleme an die Risikokategorie „Energiepreise“ ab. Auch die Rohstoffkosten (Rang 3) und die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Vorprodukten (Rang 5) finden sich unter den Top 5-Problemen der Unternehmen wieder.

Preisanstiege und Lieferengpässe: nicht nur kurzfristige Störungen

Die Hälfte der Umfrageteilnehmer:innen berichtet, dass sie in „erheblichen Umfang“ von Preissteigerungen bei Rohstoffen, Vorprodukten oder Waren betroffen sind. Lediglich jeder zehnte Betrieb blieb bislang davon verschont. Auch bei den Lieferschwierigkeiten offenbart sich die Tragweite der Problematik: 65 Prozent werden in „erheblichen“ oder „mittleren Umfang“ dadurch beeinträchtigt und nur 18 Prozent sind nicht betroffen. Gestörte globale Lieferketten – in Verbindung mit einer einerseits stark steigenden Nachfrage für bestimmte Rohstoffe und Vorprodukte, z. B. bei Holz und Computerchips, und andererseits einem merklich reduzierten Angebot, z. B. aufgrund von coronabedingten Werksschließungen in Asien oder ebenfalls fehlenden Vorprodukten – belasten die gewerbliche Wirtschaft gegenwärtig stark.

Dies führt dazu, dass zwei Drittel der betroffenen Betriebe mit steigenden Kosten und Ertragseinbußen zu kämpfen haben. Die Hälfte muss ihre Kundschaft mittlerweile länger warten lassen oder kann bestehende Aufträge gar nicht abarbeiten (27 Prozent).
Aus Sicht der befragten Betriebe spricht wenig dafür, dass die seit dem letzten Jahr verzeichneten Friktionen in der Lieferkette und die Preisanstiege für Rohstoffe und Vorprodukte in Kürze überwunden sind. Fast ein Viertel erwartet eine Erholung erst im kommenden Jahr. Nicht einmal eines von zehn Unternehmen geht von einer Verbesserung im ersten Halbjahr 2022 aus. Für 38 Prozent ist die Unsicherheit so groß, dass eine Einschätzung gegenwärtig nicht möglich ist.

Fachkräftemangel: strukturelle Dauerbaustelle

Neben den Beschaffungsproblemen bleibt das Thema „Fachkräftemangel“ die dominierende strategische Herausforderung für die befragten Betriebe. Viele Schlüsselqualifikationen sind auf dem Arbeitsmarkt – weitgehend unabhängig von der gerade aktuellen Konjunkturphase – nur schwer zu bekommen. Für jedes zweite Unternehmen stellt der Mangel an qualifiziertem Personal ein ernstes Risiko für das eigene Geschäft dar. Dies äußert sich in auch in wachsendem Druck auf die Arbeitskosten (plus zwei auf 40 Prozent im Vergleich zum Vorumfrage).

Geschäftsklima in den Regionen des IHK-Bezirks

Innerhalb des IHK-Bezirks Rostock stellt sich die konjunkturelle Situation zunehmend differenzierter dar. Während für die Betriebe im Landkreis Vorpommern-Rügen (IHK-Konjunkturklimaindex: 107 Punkte) und im Landkreis Rostock (103 Punkte) ein schwächeres Geschäftsklima zu konstatieren ist, stellt sich der ökonomische Status quo im regionalen Wirtschaftszentrum Rostock merklich positiver dar (123 Punkte). Hier schlägt vor allem zu Buche, dass die Unternehmen in der Universitäts- und Hansestadt wesentlich hoffnungsfroher auf die kommenden Monate blicken: 35 Prozent gehen von einer besseren Entwicklung aus (Lagesaldo: 22 Prozentpunkte, Erwartungssaldo: 23 Prozentpunkte). Im Landkreis Vorpommern-Rügen sind es nur 19 Prozent (Lagesaldo: 15, Erwartungssaldo: 0) und im Landkreis Rostock sogar nur zwölf Prozent der befragten Betriebe (Lagesaldo: 22, Erwartungssaldo: -12).

Konjunkturergebnisse für Mecklenburg-Vorpommern

Während die Wirtschaft in MV verhalten in das Jahr 2022 startet, besteht vielerorts die Hoffnung, dass bestehende Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bald enden. Die einzelnen Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage für MV (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1046 KB) haben wir für Sie aufbereitet.