"Ich liebe es, Unternehmerin zu sein"

Britta Busch startete vor 30 Jahren mit einem Fliesenhandel in die Selbstständigkeit. Erweitert um den Bereich Wohnambiente sind ihre Geschäfte heute aus Kühlungsborn nicht wegzudenken.

Alte Automodelle, große Lagerhallen, Frisuren aus den 1990er-Jahren. Britta Busch sitzt vor ihrem Computer und zeigt auf Fotos aus der Wendezeit, jener Zeit, die auch eine persönliche Wende markiert. Die 54-​Jährige lächelt und zeigt auf ein Foto: „Da, das Baby, das war Nora als Kleinkind.“ Inzwischen arbeitet Tochter Nora, studierte Produktdesignerin, seit vier Jahren mit im Geschäft. Schon zu DDR-​Zeiten wollte Britta Busch sich selbstständig machen: „Ich war damals in der Gastronomie tätig und wollte eine Grillbar eröffnen.“ Sie hatte dafür eine Gewerbegenehmigung. Da ihr damaliger Ehemann nach der Wende ein Bauunternehmen führte, entstand der Kontakt zu zwei Herren aus der Fliesenbranche, die „mich fragten, ob ich mir vorstellen könne, Fliesen zu verkaufen.“ Die damals 24-​Jährige bat darum, eine Nacht darüber schlafen zu dürfen. Am nächsten Morgen stand fest: „Ja, dann mache ich es.“ Die Gewerbegenehmigung hat sie dann kurzfristig erweitert, für den Verkauf von Fliesen- & Sanitärartikeln. Erster Unternehmensstandort war ein Schuppen, es folgten zwei Umzüge. Seit 1995 bietet Britta Busch ihre Produkte in der Kühlungsborner Cubanzestraße an. „Früher war hier eine Geflügelwirtschaft“, berichtet sie und zeigt dazu passend auf weitere archivierte Fotos von früher. Diese machen deutlich, dass viel knochenharte Arbeit und Liebe zum Detail investiert wurden, damit die 700 Quadratmeter im heutigen Ambiente erstrahlen. Nebenbei hat die Unternehmerin einen weiteren Standort aufgebaut, das „TRaum und Zeit“ in der Kühlungsborner Hermannstraße.

Kunden geben Bestätigung
Ein Paar mittleren Alters kommt ins Geschäft: „Wir suchen einen Kerzenwandleuchter aus Edelstahl und Glas, den wir letztens hier gesehen haben.“ „Den habe ich vor ein paar Tagen verkauft“, sagt Britta Busch. „Aber schauen sie sich gern um.“ Das Paar stöbert auf den zwei Ebenen. 45 Minuten später erwirbt es einen anderen Wandleuchter. Britta Busch strahlt: „Dass Spaziergänger an einem ganz normalen Wochentag bei mir reinschauen, ist nicht ungewöhnlich. Ich versuche schon, den Geschmack vieler meiner Kunden zu treffen. Durch das etwas andere Ambiente und die individuelle Gestaltung meiner Ausstellung finden immer mehr Kunden den Weg zu mir, auch wenn das Geschäft nicht in einer zentralen Einkaufsstraße liegt.“
Die Unternehmerin steht stellvertretend für viele regionale Betriebe, die während der vergangenen Jahre gewachsen sind, sich wandelnden Bedingungen angepasst und in ihrem Metier Akzente gesetzt haben. Das Geschäft macht deutlich, wie aus kleinsten Anfängen Wertschöpfung entstehen kann.
Wieder betreten Kunden, offenbar Urlauber, den Laden und erzählen: „Wir waren gestern im Eiscafé. Das ist so schön geworden. Wir haben gehört, dass das Ambiente von ihnen stammt.“ Britta Busch freut sich, dass ihre Aktivitäten bei den Kunden ankommen. Seit dem Beginn ihrer Geschäftstätigkeit stellt sie eine Auswahl von schlichten bis ausgefallenen Fliesen für Bauprojekte in der Region, wie beispielsweise für Ferienwohnungen, Eigenheime und Hausbaufirmen zusammen. Besonderes Augenmerk legt sie dabei auf Individualität für jeden Kunden.
Ideenreich setzt sie sich für die Kundenbindung ein: 15-mal hat sie während der vergangenen Jahre in den Ladenräumen einen Weihnachtsmarkt organisiert und zum fünften Mal die Modenschau Comode. Dazu arbeitet sie auch mit anderen Gewerbetreibenden aus dem Ort und der Umgebung zusammen: „Die Karten dafür sind schnell weg“, berichtet sie.

Hinschmeißen kam nicht in Frage
„Wir können nicht nur schmollen, sondern müssen auch etwas machen“, sagt sie im Hinblick auf die Konkurrenz aus dem Online-​Handel. Die lockige dunkelhaarige Frau ist ein Energiebündel. Da scheint es perfekt zu passen, dass der Monatskalender den Spruch zeigt „No one can stop me“. Ist das die Lebensmaxime? Britta Busch überlegt kurz. Dann sagt sie: „2010 bin ich gestoppt worden. Damals hatte ich einen schweren Herzinfarkt, mit 45. Damals habe ich Stammzellen bekommen.“ Natürlich fragt man sich bei solch einschneidenden Ereignissen schon, ob man nicht hinschmeißen solle.

Unternehmensnachfolge
„Doch nachdem klar war, dass meine Tochter ins Geschäft einsteigen möchte, hat mir das sehr viel neue Motivation gegeben.“ Tochter Nora freut sich über die Worte ihrer Mutter. Als Kind hatte sie immer gesagt: „Mama, denke nicht, dass ich später mal Fliesen verkaufe.“ Als Erwachsene erkannte sie dann, was ihre Mutter in all den Jahren aufgebaut hat: „Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein gewachsener Kundenstamm. Was die ersten Unternehmer nach der Wende geleistet haben, ist unglaublich“, sagt Nora Busch. Heute würden viele potenzielle Gründer viel eher erstmal die Risiken sehen. Da stimmt Mutter Britta zu. Sie sieht einen weiteren Grund für ein seit Jahren stagnierendes Gründerinteresse auch in der wachsenden Bürokratie, mit der die Unternehmen zu kämpfen haben: „Früher“, vergleicht sie, „bestand mein Geschäftsalltag zu 80 Prozent aus Fliesenverkauf und zu 20 Prozent aus Buchhaltung.“ Auch wenn sie heute keinesfalls weniger Fliesen verkaufe als früher, habe sich das Verhältnis heute genau umgekehrt: „80 Prozent habe ich mit Bürokram zu tun.“ Das mache das Unternehmertum zunehmend schwieriger. Das sei schade, auch für die Region, denn: „Die Unternehmer und Unternehmerinnen bringen Leben in die Region. Jeder hier tut was für den Ort, es ist die Summe der Leistungen jedes Einzelnen.“ Der Ort habe sich während der vergangenen drei Jahrzehnte sehr gut entwickelt: „Es ist ein großartiger Ort.“ Wichtig ist Britta Busch, dass das so bleibt.

Sabine Zinzgraf