APRIL 2024 | SCHWERPUNKT EUROPAWAHL

Europa 2024 - So nah und doch so fern

Im Juni 2024 wird das neue Europäische Parlament gewählt. Alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland ab dem Alter von 16 Jahren sind aufgefordert, ihre Stimme für eine Partei abzugeben. Das gilt auch für EU-Bürger aus anderen Ländern, die in Deutschland leben. Doch für viele Menschen fühlt sich die Europäische Union als politische Organisation vermeintlich weit weg an, wird oftmals mit überbordender Bürokratie gleichgesetzt.
In Erinnerung geblieben sind oftmals die längst ersetzte „Bananenverordnung”, jüngst die „Sache mit der Kappe”, dass Deckel ab Juli 2024 an PET-Flaschen befestigt sein müssen, um die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll einzudämmen. Einzelbeispiele, die eine Weile die Gemüter erregen und häufig als Anlass zu pauschaler Kritik an EU-Bürokratie beitragen.
Fragt man aber nach, ob denn die gefühlten Nachteile der EU die tatsächlichen Vorteile überwiegen, wird es – wie häufig bei pauschalem Bashing – recht schnell leise. Auch wir haben uns nach europakritischen Unternehmerinnen und Unternehmern erkundigt. Doch entweder mögen sie die EU-Politik nicht öffentlich kritisieren oder die Probleme sind weniger gravierend als in der Öffentlichkeit dargestellt. Das wiederum bedeutet nicht, dass in der EU-Politik alles perfekt ist. Doch Fakten mögen dazu beitragen, Mythen zu entzaubern. 

Die Europäische Union als Friedensprojekt

Die Europäische Union hat während der vergangenen 70 Jahre zu vorher nicht erreichter Stabilität in Europa beigetragen, davon hat die Wirtschaft profitiert. Der Binnenmarkt mit Zollunion senkt Kosten und Handelsbarrieren, der Schengenraum erleichtert die Mobilität, Unternehmen und Arbeitnehmer profitieren von der Niederlassungsfreiheit, also dem Recht, sich EU-weit niederzulassen, wirtschaftlich tätig zu werden oder einer Ausbildung oder Arbeit nachzugehen. In 20 der 27 EU-Staaten zahlt man mit dem Euro. Das erspart Umtauschgebühren und Wechselkursrisiken bei Transaktionen im Euroraum. Das spürt beispielsweise auch die Händlerin in Warnemünde oder der Unternehmer auf dem Darß.
Als großer Wirtschaftsraum kommt der EU auf globaler Ebene mehr Bedeutung zu, gerade auch bei der Verhandlung von Handelsabkommen oder bei der Einigung auf Standards. Wegen des gemeinsamen EU-Rechts müssen Unternehmer, die in einem anderen EU-Land wirtschaftlich tätig sind, weniger Anpassungen vornehmen, was beispielsweise bei europäischen Patenten von Vorteil sein kann, viele Unternehmen profitieren von Standardisierungen. 
Mittel aus EU-Fonds, zum Beispiel EFRE-Mittel gleichen Standortnachteile strukturschwächerer Regionen aus. Mit EU-Fördermitteln wurden unter anderem das Schloss Güstrow restauriert, der EU-Küsten-Radweg und Gebäude der Universität Rostock gebaut. Finanzielle Förderprogramme der EU unterstützen grenzüberschreitende Spitzenforschung und innovative Unternehmen. Wenn die EU Projekte fördert, profitiert davon auch die Wirtschaft vor Ort.

MV profitiert von der EU

„Wir in Mecklenburg-Vorpommern sind keine Netto-Einzahler in die EU, sondern Empfänger”, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Europa-Ministerin Bettina Martin jüngst bei einer Veranstaltung im Vorfeld der Europawahl. Insgesamt zahle jeder Deutsche 186 Euro an die EU, die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern profitierten mit 365 Euro pro Kopf davon. Kaum ein Fleck auf Mecklenburg-Vorpommerns Landkarte, wo sich nicht der Hinweis fände, dass EU-Fördermittel ein Projekt ermöglicht haben. Ohne die Unterstützung der EU sähe bei uns vor Ort einiges anders aus.
Wie es ohne EU sein kann, haben die Briten in der Praxis erfahren: Auf der Insel gibt es vier Jahre nach dem Brexit viele neue Kontrollen, etliche versprochene Handelsabkommen sind nach wie vor nicht geschlossen. 2023 waren 63 Prozent der Briten der Ansicht, der Brexit sei eher kein Erfolg gewesen.
Europa 2024 – so nah und gar nicht fern. Wem die EU als Organisation zu weit weg vom Wirtschaftsalltag ist, der hat viele Möglichkeiten sich zu informieren. Um mitzugestalten, braucht es kritische Geister, Menschen, die darauf hinweisen, wo beispielsweise EU- Bürokratie in der Wirtschaftspraxis hinderlich ist.
Sie sind Unternehmerin oder Unternehmer und haben Diskussionsbedarf? Dann nutzen Sie die Chance und kommen am 23. Mai 2024 zum Wahlforum der IHKs in MV und der IHK Nord in die IHK zu Rostock. Hier erhalten Sie die Möglichkeit, auch mit den EU-Kandidaten zu diskutieren.
Sabine Zinzgraf